Fallbeispiel: Feuchte und trockene Nekrose nach Sepsis

Infolge einer Infektion kam es bei einem 54-jährigen Patienten zu einer Sepsis mit Multiorganversagen. Während des künstlichen Komas entstand zusätzlich eine nekrotische Wunde am linken großen Zeh. Der Heilungsverlauf gestaltete sich langwierig und zog sich über mehr als ein halbes Jahr. Wie die Wunde schließlich doch erfolgreich geheilt werden konnte, lesen Sie in unserem bebilderten Fallbeispiel.

Geschlecht

Mann

Alter

54 Jahre

Führende Wundursache

Mangelnde Durchblutung nach Sepsis

Diabetes mellitus

nein

Risikofaktoren

arterielle Hypertonie, leichte Einschränkung der Mobilität am linken Bein

Lokalisation der Wunde

linker Fuß, D1

Wundart

chronisch

Wundgrund

Nekrosen, fest, feucht, Fibrin, Biofilm

Wundumgebung

trocken, Hyperkeratose

Wundrand

teilweise mazeriert, Hyperkeratose

Exsudation

stark, serös, klar, geruchlos

Ausgangssituation

Herr W. hatte infolge einer Sepsis mit Multiorganversagen 6 Wochen in einer stationären Rehabilitationseinrichtung verbracht. Etwa 1 Woche nach seiner Entlassung aus der stationären Rehabilitation kam er in Begleitung seiner Ehefrau in die Praxis. Am großen Zeh (D1) seines linken Fußes zeigte sich eine Wunde mit trockenen und feuchten Nekrosen, die 3 cm lang, 2,5 cm breit und bis zu 0,4 cm tief war.

Anamnese

Diagnose

Therapie

Dokumentierter Wundverlauf

Bei der Erstvorstellung zeigte sich am linken großen Zeh von Herrn W. eine 3 cm lange, 2,5 cm breite und bis zu 0,4 cm tiefe Wunde mit trockenen und feuchten Nekrosen (Foto 1). Der Wundgrund war mit Fibrin und Biofilm belegt. Die Wunde exsudierte stark; das Exsudat war serös, klar und geruchlos. Schmerzen gab Herr W. nicht an.

Die Wunde bestand bereits zu Beginn der stationären Rehamaßnahme, also seit mindestens 7 Wochen. Im Arztbrief wurde sie als reizlose Druckstelle mit trockener Nekrose nicht näher beschrieben. Der Verdacht lag nahe, dass die Nekrose die Folge einer Mangeldurchblutung infolge einer zeitweisen Zentralisierung des Kreislaufs während der Sepsis war und auf der Intensivstation unter Einwirkung von Druck entstanden ist. Den Unterlagen war dies leider nicht zu entnehmen, da die Wunddiagnose nicht dokumentiert wurde. Auch die Wundversorgung wurde im Entlassungsbrief nicht thematisiert.

Die vorhandenen Nekrosen wurden von einem Chirurgen entfernt. Anschließend erfolgte die Entfernung von Hyperkeratosen. Nach der Hautpflege kam aufgrund der starken Exsudation ein Superabsorber zum Einsatz, welcher mit einem Fixiervlies fixiert wurde. Zur Druckminimierung am Zeh wurde dieser mit einer Filztechnik versehen. Außerdem erfolgte eine moderate Kompression, um eine Ödembildung zu vermeiden. Der Verbandwechsel erfolgte zweimal wöchentlich.

Nach 3 Wochen zeigte sich die Wunde vollständig ohne Nekrosen und war noch 1,4 cm lang und breit sowie bis zu 0,5 cm tief (Foto 2). Am Wundgrund waren neben Granulationsgewebe weiterhin Fibrin und Biofilm zu sehen. Die geruchlose und klar-seröse Exsudation war weiterhin stark. Es waren weiterhin Hyperkeratosen und Mazerationen am Wundrand erkennbar und die Umgebungshaut war leicht feucht. Der Zehennagel hatte sich zur Hälfte gelöst. Die Wundversorgung wurde wie bisher fortgesetzt, allerdings mit einem verkürzten Verbandwechselintervall von 2 Tagen, um der Mazeration entgegenzuwirken. 

Mit Herrn W. und seiner Ehefrau wurde besprochen, wie eine Balance zwischen dem gewünschten Muskelaufbau durch krankengymnastische Übungen und Laufen einerseits sowie der erforderlichen Druckentlastung andererseits geschaffen werden konnte. Herr W. war sehr ungeduldig, endlich wieder zu Kräften zu kommen und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Um die Wundheilung nicht zu beeinträchtigen, war es jedoch wichtig, dass er mehr Geduld für Ruhepausen aufbringen konnte. Nach einem Beratungsgespräch zeigte sich Herr W. einsichtig und äußerte, künftig mehr darauf achten zu wollen, seinem Körper die notwendigen Ruhepausen zu geben.

7 Wochen später war die Wunde erneut kleiner geworden und zeigte sich mit einer Länge von 1,2 cm, einer Breite von 0,7 cm und einer Tiefe von 0,5 cm (Foto 3). Obwohl die Exsudation weiterhin stark war, hatte sich die Mazeration des Wundrandes reduziert. Am Wundgrund war weiter Granulationsgewebe mit Fibrin und Biofilm erkennbar. Die Wundumgebung war nun etwas gerötet und eher feucht. Da Herr W. wie besprochen seine Füße entlastete, waren keine Hyperkeratosen mehr erkennbar. Die Versorgung wurde wie bisher fortgesetzt. 

Herr W. war zu diesem Zeitpunkt sehr frustriert von der langen Heilungsdauer. Er fühlte sich eingesperrt und isoliert, weil er stets darauf achten musste, seinen Fuß nicht zu sehr zu belasten. In einem Beratungsgespräch wurde ihm nahegelegt, sich psychologische Unterstützung zu suchen, auch um die Ereignisse rund um seine Sepsis und das künstliche Koma zu verarbeiten und sich auf die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben vorzubereiten.  

Weitere 2 Wochen später war die Wunde 1 cm lang, 0,5 cm breit und 0,2 cm tief (Foto 4). Die Exsudation war rückläufig und die Mazeration des Wundrandes weiter zurückgegangen. Die Wundumgebung war jetzt deutlich trockener. Allerdings waren weiter Fibrin und Biofilm am Wundgrund zu sehen. Bei gleichbleibender Versorgung wurde das Verbandwechselintervall auf 3 Tage verlängert. 

Zum nächsten Termin, etwa 6 Wochen später, wurde erneut ein Chirurg hinzugezogen, da bei der Wundreinigung vorstehender Knochen getastet wurde. Nach einer ambulant vorgenommenen Knochenglättung und einer gründlichen Wundreinigung unter Lokalanästhesie zeigte sich die Wunde erneut mit einer Länge von 1 cm und einer Breite von 0,5 cm, war nun aber deutlich tiefer als zuvor (Foto 5). Das Exsudat war nun leicht blutig, der Wundgrund gut durchblutet. Die Mazeration war inzwischen vollständig verschwunden und der Wundrand und die Umgebungshaut intakt. Die Versorgung wurde unverändert fortgesetzt. Herr W. wurde zudem angewiesen, den Fuß mindestens 1 Woche lang nicht zu belasten. Psychisch ging es ihm inzwischen besser, da er psychotherapeutisch betreut wurde, was ihm deutlich dabei zu helfen schien, den empfundenen Rückschritt in der Wundheilung zu akzeptieren. 

Nach 5 Wochen hatte sich die Wunde deutlich verkleinert (Foto 6). Sie zeigte sich nun mit einer Länge von 0,4 cm, einer Breite von 0,3 cm und einer Tiefe von ebenfalls 0,3 cm. Die Exsudation war weiterhin rückläufig, am Wundgrund war wieder Biofilm erkennbar. Am Wundrand waren wieder Hyperkeratosen zu sehen und die Wundumgebung war unauffällig. Der Nagel sollte bei der nächsten Versorgung durch eine hinzugezogene Podologin gekürzt werden. Die Wundversorgung wurde auf einen PU-Schaum umgestellt, welcher mit einem Fixiermull stretch fixiert wurde. Anschließend erfolgten weiterhin die Anwendung einer Filztechnik, die Hautpflege mit ureahaltiger Creme und eine moderate Kompression. Das Versorgungsintervall wurde auf 4 Tage festgelegt. 

Herr W. plante in den kommenden Tagen den Besuch eines Sanitätshauses, um sich Kompressionsstrümpfe anmessen zu lassen. Er wurde außerdem darauf hingewiesen, weiter auf die Entlastung seines Fußes zu achten, da die zurückgekehrten Hyperkeratosen darauf hindeuteten, dass er dies zuletzt vernachlässigt hatte.

Nach 2 Wochen war die Wunde zwar wieder etwas größer (Länge 0,5 cm, Breite 0,4 cm, Tiefe 0,3 cm), aber deutlich sauberer mit Granulationsgewebe, wenig Biofilm und nur noch schwacher Exsudation (Foto 7). Nachdem die wenigen Hyperkeratosen abgetragen waren, zeigten sich der Wundrand intakt und die Umgebungshaut unauffällig. Die Granulation schien voranzuschreiten und der Knochen war nicht mehr tastbar.

Um das fragile Granulationsgewebe nicht zu schädigen, erfolgte die Wundreinigung sehr vorsichtig. Danach erfolgte die Versorgung der Wunde weiterhin mit PU-Schaum und Fixiermull stretch. Anschließend wurden weiterhin die Filztechnik angewandt und Hautpflege durchgeführt. Die Anlage des Kompressionsverbands entfiel ab diesem Zeitpunkt, da Herr W. nun Kompressionsstrümpfe trug. 

Die psychische Situation von Herrn W. schien sich wieder verschlechtert zu haben. Er äußerte seine Frustration über die nur langsam voranschreitende Wundheilung. Ein weiteres Beratungsgespräch konnte ihn jedoch etwas beruhigen, indem ihm erneut die Zusammenhänge von Druck, Bewegung, eingeschränkter Muskel-Venen-Pumpe und Wundheilung erklärt wurden. Das bessere Verständnis unterstützte Herrn W. dabei, mehr Geduld und Gelassenheit aufzubringen. Er wollte dieses Thema zudem auch mit seinem Psychotherapeuten aufgreifen.

6 Wochen später, mehr als ein Jahr nach Beginn der Krankheitsgeschichte, war eine fast abgeschlossene Wundheilung erkennbar (Foto 8). Die Wunde war nun noch 0,3 cm lang und breit sowie 0,2 cm tief. Die Granulation schritt weiter voran, außerdem war eine deutlich vorangeschrittene Epithelisierung zu erkennen. Es war nur noch eine sehr schwache Exsudation vorhanden. Nachdem die wenigen Hyperkeratosen abgetragen wurden, zeigte sich ein intakter Wundrand und eine unauffällige Umgebungshaut.

Die Wundversorgung wurde wie bisher beibehalten, allerdings mit einem verlängerten Verbandwechselintervall von 6 Tagen. Herr W. glaubte inzwischen an einen baldigen Abschluss der Wundheilung. Mit ihm wurde besprochen, die Kompressionsstrümpfe nach Abheilung der Wunde noch eine Weile zu tragen und regelmäßig eine podologische Praxis aufzusuchen, um entstehende Hyperkeratosen zu entfernen und den Nagel zu glätten. 

Weitere 2 Wochen später war die vollständige Wundheilung erreicht. Der langersehnte Wiedereintritt ins Arbeitsleben erfolgte für Herrn W. trotz dauerhafter leichter Einschränkungen seiner Mobilität nach weiteren 3 Monaten. 

Foto 1: Ausgangssituation (Tag 1)
Foto 2: 3 Wochen nach der Nekrosenentfernung (Tag 23)
Foto 3: Verkleinerte Wunde mit reduzierter Mazeration des Wundrandes (Tag 70)
Foto 4: Wundsituation nach etwa 12 Wochen (Tag 86)
Foto 5: Wunde nach vorgenommener Knochenglättung (Tag 128)
Foto 6: Deutlich verkleinerte Wunde (Tag 160)
Foto 7: Erneut vergrößerte Wunde (Tag 174)
Foto 8: Fast vollständig verheilte Wunde (Tag 220)

Das Online-Seminar zum Fallbeispiel

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Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.