Ulcus cruris

Ulcus cruris

Das Ulcus cruris ist eine chronische Wunde und tritt am Unterschenkel auf, weshalb sie auch umgangssprachlich als  “offenes Bein” oder Unterschenkelgeschwür bezeichnet wird. Ursache ist in der Regel eine Erkrankung der Blutgefäße (Veneninsuffizienz oder Arteriosklerose). Ein Ulcus cruris kann mit starken Schmerzen und Mobilitätseinschränkungen einhergehen.

Alleine in Deutschland leiden etwa eine Million Menschen unter einer der drei Formen des Unterschenkelgeschwürs. Ein Ulcus cruris heilt ohne adäquate Behandlung meist schlecht oder gar nicht ab. Die Behandlung eines Ulcus cruris umfasst eine Therapie der jeweiligen Grunderkrankung sowie eine phasengerechte, moderne Wundversorgung.

Welche Arten von Ulcus cruris gibt es?

Ulcus Cruris Venosum Ausschnitt

Ulcus cruris venosum

Venös bedingter Ulcus cruris (Ulcus cruris venosum): Bei einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) kommt es zu einer Rückflussstörung des venösen Blutes. Der dabei entstehende Druck auf das umliegende Gewebe im Bereich der Knöchel kann dann zur Entstehung eines Ulcus cruris venosum führen.

Ulcus Cruris Arteriosum am Unterschenkel

Ulcus cruris arteriosum

Arteriell bedingter Ulcus cruris (Ulcus cruris arteriosum): Eine Störung der arteriellen Durchblutung, z.B. durch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), führt zu einer Mangeldurchblutung des Gewebes und damit zum Entstehen eines Ulcus cruris arteriosum.

Ulcus cruris mixtum haarlos Sklerose

Ulcus cruris mixtum

Mischformen (Ulcus cruris mixtum): Liegt eine Mischform vor, d.h. es gibt sowohl arterielle als auch venöse Störungen, spricht man von einem Ulcus cruris mixtum.

Behandlung

Der „Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) beinhaltet folgende Empfehlungen: 

Wundtherapie

Die Wahl der geeigneten Wundauflage sollte unter Berücksichtigung der jeweiligen Wundheilungsphase erfolgen. Dabei orientiert sich die phasengerechte Wundtherapie an der Stoffwechsellage der Wunde, am Prinzip der feuchten Wundbehandlung und an hygienischen Kriterien.

Umfasst ein großflächiges Ulcus cruris den Unterschenkel zirkulär in Gänze, spricht man von einem Gamaschenulkus.

Kompressionstherapie bei Ulcus cruris venosum und Ulcus cruris mixtum

Für die Therapie des Ulcus cruris venosum und ggf. auch des Ulcus cruris mixtum sind Kompressionsverbände weitere wesentliche Maßnahmen. Dabei ist die Qualität der Kompression sowie ein dauerhaftes Tragen von besonderer Bedeutung. Nur geschulte Fachkräfte sollten Kompressionsverbände anlegen.

Patientenedukation

Patientenedukation spielt eine entscheidende Rolle, um die Therapieadhärenz beim Ulcus cruris, umgangssprachlich häufig „offenes Bein“ genannt, zu fördern. 

Im Folgenden sind die wichtigsten Punkte, die bei der Aufklärung der Patientin oder des Patienten berücksichtigt werden sollten, aufgeführt:

Grundlegendes Verständnis für den Ulcus cruris schaffen

Einige Patientinnen oder Patienten wissen nicht, an welcher Form des Ulcus cruris sie leiden bzw. gehen davon aus, dass sie lediglich ein „offenes Bein“ oder „Raucherbein“ haben. Ein bedeutender Aspekt in der Betreuung von Patienten besteht deshalb darin, ihnen bewusst zu machen, dass sie nicht nur eine „offene Wunde am Bein“ haben, sondern dass dieses „offene Bein“ ein Symptom einer Grunderkrankung ist. Daneben sollte auf die verschiedenen Formen des Ulcus cruris und die unterschiedlichen, zugrundeliegenden Ursachen (venös bedingt, arteriell bedingt, Mischform) hingewiesen werden. Tabelle 1 fasst die verschiedenen Formen des Ulcus cruris mit ihren spezifischen Behandlungsmaßnahmen kurz zusammen.

Individueller Behandlungsplan

Betonen Sie, dass der Behandlungsplan individuell auf die vorliegende Form des Ulcus cruris und die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Person zugeschnitten ist. Nicht selten unterscheidet sich deshalb der Behandlungsplan eines Patienten mit Ulcus cruris von dem eines anderen Patienten mit derselben Diagnose. Dies kann dazu führen, dass die Patientin oder der Patient Zweifel an der Therapie hat. Erklären Sie, dass die Behandlung je nach Ursache und Schweregrad der Erkrankung variieren kann. Einige Patienten benötigen möglicherweise eine Kompressionstherapie (Ulcus cruris venosum), während andere eine interventionelle Behandlung wie eine Angioplastie oder eine Operation benötigen (Ulcus cruris arteriosum).

Ulcus cruris Form

Ulcus cruris venosum

Ulcus cruris arteriosum

Ulcus cruris mixtum

Bezeichnung im Volksmund

„Offenes Bein/ offene Beine“

„Offenes Bein/ offene Beine“, Raucherbein

„Offenes Bein/ offene Beine“

Grunderkrankung

Chronisch venöse Insuffizienz (CVI) Stadium 3b

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

CVI, pAVK

Wichtigste Behandlungsmaßnahme

Kompressionstherapie

Verbesserung der arteriellen Durchblutung durch Medikamente oder operative Maßnahmen

Patientenindividuelle Behandlung in Abhängigkeit vom venösen oder arteriellen Krankheitsaspekt

Kompression

ja

nein

Beine Hochlagern

ja

nein

Bewegung

ja

pAVK Stadium 1+2: ja

pAVK Stadium 3+4: nein

Lokale Wundbehandlung

ja

ja

Interventionelle Verfahren zum Öffnen blockierter Gefäße

nein

ja

Tabelle 1: Übersicht über die verschiedenen Formen des Ulcus cruris und den spezifischen Behandlungsmaßnahmen

Betroffene kennen möglicherweise nicht die Form des Ulcus cruris, an der sie leiden und wissen nur, dass sie ein „offenes Bein“ oder „Raucherbein“ haben.

Der Behandlungsplan eines Patienten mit Ulcus cruris kann sich von dem eines anderen Patienten mit derselben Diagnose unterscheiden. Erklären Sie, dass die Behandlung je nach Ursache und Schweregrad der Erkrankung variieren kann.

Bedeutung der Wundpflege

Die Bedeutung einer regelmäßigen und korrekten Wundpflege bei allem Formen des Ulcus cruris sollte betont werden. Erklären Sie, dass die Wunde sauber gehalten werden muss, um Infektionen zu vermeiden. Zusätzlich sollte demonstriert werden, wie eine Wunde gereinigt und ein Verband gewechselt werden kann. 

Bedeutung der Kompressionstherapie

Erklären Sie Personen mit Ulcus cruris venosum den Zweck und die Vorteile der Kompressionstherapie. Erläutern Sie, wie die Kompression den Blutfluss verbessert, Schwellungen reduziert und die Wundheilung fördert. Demonstrieren Sie die richtige Anwendung von Kompressionsstrümpfen oder -bandagen. Zusätzlich sollte darauf hingewiesen werden, dass bei einem Ulcus cruris arteriosum die Kompressionstherapie kontraindiziert ist.

Lebensstiländerungen und Selbstpflege

Sprechen Sie mit der Patientin oder dem Patienten über die Bedeutung eines gesunden Lebensstils bei der Behandlung des Ulcus cruris. Ermutigen Sie die Person, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, regelmäßige körperliche Aktivität zu betreiben und schlechte Gewohnheiten wie Rauchen zu vermeiden. Erklären Sie, wie diese Lebensstiländerungen die Durchblutung verbessern und die allgemeine Gesundheit fördern können.

Das DRACO® Ulcus-cruris-Quiz

Bewegungsförderung bei Ulcus cruris venosum und Ulcus cruris mixtum

Bei Ulcus cruris venosum (UCV) und Ulcus cruris mixtum bestehen häufig Fehlfunktionen der Wadenmuskulatur und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten des Sprunggelenks.

Ein kontrolliertes Gehtraining, das Auf- und Abbewegen der Füße sowie das Rotieren der Fußgelenke unter Kompressionstherapie beugen Gelenkversteifungen vor und aktivieren die Wadenmuskelpumpe. Betroffenen wird ein tägliches Training von mindestens 30 Minuten empfohlen.

Das Hochlagern der Beine auf 10 bis 30 Grad über dem Herzen aktiviert zusätzlich die Hämodynamik (Blutfluss). Diese Therapiemaßnahme ist allerdings nur bei Betroffenen ohne Kompressionstherapie indiziert.

Prophylaxe

Beim Ulcus cruris venosum und ggf. Ulcus cruris mixtum kommen eine lebenslange Kompression, die Vermeidung von Verletzungen, Bewegungs- und Gehtraining sowie das Hochlegen der Beine als prophylaktische Maßnahmen in Frage.

Beim Ulcus cruris arteriosum dienen ebenfalls Bewegung sowie eine ausgewogene Ernährung als Prophylaxe. Zusätzlich sollte der Blutdruck optimal eingestellt und auf das Rauchen verzichtet werden.

Definition

  • Ulcus (Geschwür) bezeichnet einen Substanzverlust der Haut oder Schleimhaut, welcher bis tief in das Unterhautgewebe reichen kann.
  • Cruris bezeichnet die Lokalisation am Unterschenkel.
  • Ulcus cruris ist somit ein Sammelbegriff für Wunden, die im Bereich des Unterschenkels/Fußes lokalisiert sind.

Expertenstandard Ulcus cruris

Der „Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) berücksichtigt das Alltagsleben von Menschen mit chronischen Wunden, unter anderem dem Ulcus cruris.

Sowohl die Erkrankung als auch die Therapie verursachen Einschränkungen im Wohlbefinden und der Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen. „Der Expertenstandard beinhaltet deshalb Standardkriterien, die Aussagen zur Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden, zur Wiedererlangung von Unabhängigkeit, Lebensqualität und Wohlbefinden treffen“ 1.

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.