Die Wundheilung ist durch komplexe Um- und Aufbauprozesse gekennzeichnet. Diese Prozesse gehen mit einem hohen Verbrauch an Energie und Zellbaumaterialien einher. Eine ausgewogene Ernährung liefert elementare Bausteine für eine optimale Wundheilung.
Eine gesunde Ernährung erhält die physische und psychische Gesundheit, fördert Leistung und Wohlbefinden.
Ziel einer gesunden, ausgewogenen Ernährung ist die Versorgung des Körpers mit allen lebensnotwendigen (essenziellen) Makro- und Mikronährstoffen sowie Flüssigkeit. Die vollwertige Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) beinhaltet eine ernährungsphysiologisch ausgewogene Kombination dieser Nährstoffe und kann an den individuellen Verbrauch angepasst werden (1).
Für Erwachsene im Alter von 25 bis 50 Jahren mit einem mittleren Body Mass Index von 22 wird eine tägliche Energiezufuhr von 2.300 kcal für Männer und 1.800 kcal für Frauen bei geringer körperlicher Aktivität empfohlen (1).
Der menschliche Körper verbraucht rund um die Uhr Energie, die über die Nahrung zugeführt werden muss. Die Höhe der Energiezufuhr und der Energiegehalt einzelner Lebensmittel wird in Kilokalorien (kcal) angegeben. Bei einem gesunden Erwachsenen beträgt der tägliche Grundumsatz (GU), definiert als Kalorienbedarf im Ruhezustand, etwa 24 kcal/kg Körpergewicht. Der Grundumsatz ist abhängig von Alter, Geschlecht und Klima, und unterliegt Schwankungen durch Einflussfaktoren wie Fieber, Schwangerschaft, Schilddrüsenerkrankungen oder Leistungssport (3).
Krankheiten und Symptome können den Grundumsatz erhöhen (3):
Ebenso erhöhen körperliche Aktivität und Stress die Stoffwechselleistung und erfordern eine Anpassung der Energiezufuhr zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Der Wert für die körperliche Aktivität wird auch PAL-Wert (Physical Activity Level = körperliches Aktvitätsniveau) bezeichnet. Der tägliche Gesamtenergiebedarf eines Erwachsenen ergibt sich der GU x PAL-Wert und/oder x Stressfaktor (s. Tabelle 1) (3).
Tabelle 1: Ermittlung des täglichen Gesamtenergiebedarfs in Abhängigkeit vom Aktivitäts- und Stressgrad (3)
Aktivitätsgrad | Aktivitätsfaktor (PAL-Wert) | Stressgrad | Stressfaktor |
---|---|---|---|
bettlägerig | GU x 1,2 | komplikationslos | GU x 1,0 |
geringe Aktivität | GU x 1,5 | Frakturen großer Knochen | GU x 1,15-1,3 |
mittlere Aktivität | GU x 1,75 | Kleine Operationen | GU x 1,2 |
schwere Aktivität | GU x 2,0 | Dekubitalulkus/Wunde < 50 cm2 | GU x 1,3-1,5 |
| Dekubitalulkus/Wunde > 50 cm2 | GU x 1,5-1,9 | |
Schwere Infektion/Trauma | GU x 1,1-1,3 | ||
Verbrennungen | GU x 1,2-2,0 |
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Auswahl an Leitlinien und Standards
Der Begriff Makronährstoffe umfasst die energieliefernden Nahrungsbestandteile Kohlenhydrate, Proteine und Fette.
Während der Wundheilung wird für das Zellwachstum sehr viel Energie benötigt. Makronährstoffe stellen die Energie für Wundheilungsprozesse bereit und liefern die notwendigen Bausteine für den Wiederaufbau von Gewebe und die Kollagenbildung. Dies ist natürlich auch bei Wunden, vor allem chronischen Wunden , von großer Bedeutung.
Kohlenhydrate stellen meist den Hauptanteil der benötigten Energie zur Verfügung und werden als Gerüstsubstanzen in Körperstrukturen eingebaut.
Kohlenhydrate sind die wichtigsten und schnellsten Energielieferanten des menschlichen Körpers. Eine ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten beugt einem Abbau von Proteinen und Fettreserven zur Energiegewinnung vor. Zusätzlich werden Kohlenhydrate als Gerüstsubstanzen in Körperstrukturen eingebaut und sind Bestandteil der Aminosäuresynthese.
Kohlenhydrate bestehen aus Zuckermolekülen und kommen in der Nahrung als Monosaccharide (Einfachzucker), Disaccharide (Zweifachzucker) oder Polysaccharide (Mehrfachzucker) vor. Einfache Kohlenhydrate sind meist süß und gelangen direkt aus dem Darm in die Blutbahn. Die Zuckermoleküle werden durch das Hormon Insulin zu den Zellen des Körpers transportiert und zu Energie umgewandelt. Der Blutzuckerspiegel steigt nach Speisen mit Monosacchariden schnell an, fällt allerdings auch schnell wieder ab. Die Aufnahme komplexer Kohlenhydrate erhöht den Blutzuckerspiegel nur langsam. Zusätzlich enthalten Mehrfachzucker Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe.
1g Kohlenhydrate liefert etwa 4kcal an Energie. Rund 50% der täglichen Nahrung sollte aus Kohlenhydraten bestehen (1). Idealerweise decken komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, Reis, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte den Bedarf.
Proteine stellen den Grundbaustein aller menschlichen Zellen dar. Der Mensch besteht zu etwa 15% aus Proteinen, der Großteil davon befindet sich in den Muskeln. Während der Wundheilung sind Proteine erforderlich für das Zellwachstum, die Neubildung von Blutgefäßen, die Kollagen-Synthese sowie die Produktion und Funktion von Leukozyten.
Proteine setzen sich aus langen, gefalteten Aminosäureketten zusammen. Insgesamt existieren 21 verschiedene Aminosäuren. Davon sind neun Aminosäuren für den erwachsenen Menschen essentiell, da sie vom Körper nicht eigenständig synthetisiert werden können. Über die Nahrung müssen insbesondere die essentiellen Aminosäuren in einer ausreichenden Menge aufgenommen werden. Nicht jedes Lebensmittelprotein liefert alle Aminosäuren, sodass man zwischen Proteinen unterschiedlicher Qualität unterscheiden kann.
Spezifische Aminosäuren wie Arginin und Glutamin spielen eine besondere Rolle in der Wundheilung. Arginin stimuliert die Neubildung von Blutgefäßen, die sogenannte Angiogenese, sowie die Zellteilung und das Zellwachstum. Zu den argininreichen Lebensmitteln zählen Kerne, Nüsse und Samen.
Glutamin ist eine wichtige Energiequelle für Immunzellen, aber auch für Fibroblasten und Epithelzellen. Zudem induziert Glutamin die Freisetzung von Wachstumshormonen. Nahrungsmittel mit einem hohen Glutamin-Gehalt sind Hülsenfrüchte, Erdnüsse, Getreide, Käse und Fleisch.
Bei einem gesunden Erwachsenen und nierengesunden Diabetiker beträgt der tägliche Eiweißbedarf 0,8g pro kg Körpergewicht. Dies entspricht 10 bis 15% der täglichen Gesamtenergie. Für Senioren ab dem 65. Lebensjahr empfiehlt die DGE einen erhöhter Proteinbedarf von 1g pro kg Körpergewicht pro Tag (1). Auch Infektionen oder Operationen erfordern eine erhöhte Proteinzufuhr. Je nach Exsudation gehen über eine Wunde bis zu 50g Protein am Tag verloren. Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden sollten deshalb mit 1 bis 1,5 g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag versorgt werden.
Fette dienen bei hohem Energiebedarf, wie bei der Wundheilung, als wichtige Energielieferanten.
Fette besitzen doppelt so viele Kalorien wie die gleiche Menge Kohlenhydrate oder Protein und sind damit wahre Energielieferanten. Sie setzen sich aus einer Kombination von verschiedenen Fettsäuren zusammen. Neben der Energieversorgung erfüllen Fette weitere Aufgaben. Sie liefern wichtige Bausteine wie Cholesterin oder Phospholipide für die Zellmembranen von neugebildeten Zellen. Zusätzlich sind sie Träger der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K. Ohne Fette kann der menschliche Körper diese Vitamine nicht aufnehmen oder verwerten.
Eine besondere Bedeutung haben die Fettsäuren, die vom Organismus nicht selbst synthetisiert werden können. Zu den essentiellen Fettsäuren gehören Linolsäure, α-Linolensäure, Omega-6-Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren.
Der menschliche Körper kann gesättigte Fette aus Proteinen und Kohlenhydraten eigenständig herstellen. Da sich gesättigte Fettsäuren ungünstig auf die Blutfettwerte auswirken können, sollten sie nur in Maßen verzehrt werden.
1g Fett liefert etwa 9kcal an Energie. Laut DGE liegt der Richtwert für die Zufuhr von Fett für gesunde Erwachsene bei 30% der täglichen Energiezufuhr, für Diabetiker, Schwangere und Stillende bei maximal 35% (1). Dabei sollte etwa 4% der Gesamtenergie bei Gesunden und 8% bei Patientinnen und Patienten mit Wundheilungsstörungen durch essentielle Fettsäuren gedeckt werden (5). Gesättigte Fettsäuren sollten unter 10% der täglichen Gesamtenergiezufuhr ausmachen. Eine zu hohe Gesamtfettaufnahme steht im Zusammenhang mit Adipositas, erhöhten Blutfettwerten, Bluthochdruck oder Herzerkrankungen. Frittierte oder stark verarbeitete Produkte, Fertiggerichte und gehärtete Fette und Öle sollten nur gelegentlich verzehrt werden.
Die Gruppe der Mikronährstoffe beinhaltet Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Der Körper benötigt sie lediglich in geringen Mengen.
Mikronährstoffe führen dem Körper zwar kaum oder keine Energie zu, dennoch sind sie von großer Bedeutung für den Organismus, da sie vor Krankheiten schützen und viele Vorgänge im Körper regulieren. Fast alle Nahrungsmittel enthalten in unterschiedlicher Zusammensetzung Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.
Vitamine sind essentielle Stoffe, die der Körper bis auf wenige Ausnahmen nicht selbst herstellen kann.
Wasserlösliche Vitamine werden meist über die Nieren ausgeschieden und nicht gespeichert. Deshalb kann eine unzureichende Zufuhr zu einem Mangel führen. Zu den für die Wundheilung wichtigsten Vitaminen gehören:
Der Körper speichert über die Nahrung aufgenommene fettlösliche Vitamine. Bei zu hoher Einnahme können sie sich anreichern und gesundheitsschädigend wirken. Alle vier essentiellen, fettlöslichen Vitamine sind an der Wundheilung direkt oder indirekt beteiligt:
Mineralstoffe sind an lebensnotwendigen biologischen Funktionen beteiligt und müssen wie Vitamine mit der Nahrung zugeführt werden. Anders als einige Vitamine sind sie jedoch temperaturbeständiger.
Die meisten Mineralstoffe werden bei einer einigermaßen ausgewogenen Ernährung ausreichend zugeführt. Ein für die Wundheilung bedeutsamer Mineralstoff ist Zink.
Das Spurenelement Zink fördert die Zellbildung, die Zellteilung und den Zellstoffwechsel. Mit diesen wichtigen Eigenschaften hat Zink einen elementaren Einfluss auf die Hautgesundheit und das Hautwachstum und somit auf die Wundheilung. Zink gehört zu den essenziellen Spurenelementen. Um einen Zinkmangel vorzubeugen, muss das Spurenelement deshalb regelmäßig über die Nahrung zugefügt werden. Die DGE empfiehlt für Frauen ab 19 Jahren eine Zufuhr von 7 bis 10mg Zink pro Tag. Für Männer liegen die Werte bei 11 bis 16mg. Zu den Zinklieferanten pflanzlicher Herkunft gehören Nüsse, Weizen- und Roggenkeimlinge. Tierische Zinklieferanten sind Rind- und Schweinefleisch, Käse, Milch und Eier.
Speisesalz ist die Hauptzufuhrquelle für die Mineralstoffe Natrium und Chlorid. Die beiden Mineralstoffe spielen eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung des Flüssigkeitshaushalts der Zellen und der Regulation des Blutdrucks. In Deutschland liegt die Speisesalzzufuhr bei einem großen Anteil der Bevölkerung deutlich über dem Referenzwert der DGE. Diese empfiehlt, eine maximale Gesamtmenge von bis zu 6g pro Tag nicht zu überschreiten.
Blasen, Ödeme und stark exsudierende Wunden gehen oftmals mit hohen Flüssigkeitsverlust einher.
Ein gesunder Mensch benötigt etwa 30 bis 40 ml/kg Körpergewicht pro Tag. Bei ausgedehnten Wunden, wie beispielsweise großflächigen Verbrennungen, verliert der Körper große Mengen an Gewebsflüssigkeiten und dadurch auch Proteine und Mineralstoffe. Der Flüssigkeitsverlust sollte unverzüglich ausgeglichen werden, da sonst ein Kreislauf-Schock droht.
Neben der fachgerechten Wundversorgung ist die adäquate Ernährung eine Grundvoraussetzung für die Heilung von chronischen Wunden. Eine Fehl- oder Mangelernährung, auch Malnutration genannt, verhindert oder verzögert den natürlichen Wundheilungsprozess.
Menschen mit chronischen Wunden haben einen erhöhten täglichen Energiebedarf, da die verschiedenen Wundheilungsprozesse viel Energie und Zellbaumaterial benötigen: In der Reinigungsphase findet der Prozess der katabolen Autolyse statt. Dabei werden Gewebsproteine abgebaut und aus der Wunde geschwemmt. Ist die Nährstoffversorgung in der Reinigungs- und Granulationsphase gewährleistet, beginnt die Epithelisierungsphase und letztendlich der Wundverschluss. Eine unausgewogene- oder mangelnde Ernährung kann die Wundheilung verzögern und erhöht das Risiko einer Chronifizierung der Wunde.
Zwischen 20 bis 50% aller stationär behandelten Patienten weisen Anzeichen von Mangelernährung auf (6).
Eine frühzeitige proteinreiche Ernährung mit Supplementation von Vitaminen und Mineralstoffen unterstützt die Wundheilung. Insbesondere für ältere oder kranke Menschen ist Nahrungsaufnahme aufgrund von Schwierigkeiten beim Schlucken oder Kauen allerdings nur schwer möglich. Betroffene leiden schnell unter Fehl- oder Mangelernährung („Malnutrition“).
Mangelernährung ist definiert als ein Zustand des Mangels an Energie, Protein oder anderen Nährstoffen, der mit messbaren Veränderungen von Körperfunktionen verbunden ist, einen ungünstigen Krankheitsverlauf zur Folge hat und durch Ernährungstherapie reversibel ist (6). Durch eine Mangelernährung reicht die spontane Protein- und Energiezufuhr nicht aus, um eventuelle Krankheitsrisiken wie ein Dekubitusrisiko zu minimieren oder die Wundheilung zu fördern.
Folgende Faktoren oder Anzeichen weisen auf eine Mangel- oder Fehlernährung hin (3):
Mehrere kleine Mahlzeiten, die Anreicherung von Speisen und Getränken mit gehaltvollen Lebensmitteln oder oral bilanzierten Diäten erhöhen die Zufuhr an benötigten Nährstoffen.
Häufig motivieren mehrere kleine Mahlzeiten eher zum Essen als drei größere Hauptmahlzeiten. Die Anreicherung von Speisen und Getränke mit gehaltvollen Lebensmitteln wie Sahne, Öl, Nüssen oder Vitamin- und Mineralstoffpräparaten erhöht die Zufuhr an benötigten Nährstoffen zusätzlich. Zudem können proteinreiche orale bilanzierte Diäten (OBD) angeboten werden. Die Auswahl an OBD ist vielfältig: Verzehrfertige Trinknahrung, Pulver zum Anrühren oder Riegel in verschiedenen Geschmacksrichtungen erleichtern eine ausgewogene Ernährung unter erschwerten Bedingungen. Gleichzeitig tragen OBD zur besseren Versorgung mit Flüssigkeit bei. OBD können vollbilanziert oder teilbilanziert sein. Bei der vollbilanzierten Diät dient die Trinknahrung als alleiniges Nahrungsmittel, das sämtliche lebensnotwendige Nährstoffe enthält. Teilbilanzierte OBD haben eine inkomplette oder unausgewogene Nährstoffzusammensetzung und eignen sich deshalb nicht als einzige Nahrungsquelle.
Eine Reduktionsdiät birgt schnell die Gefahr, den Körper unzureichend mit Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen zu versorgen. Eine medizinisch notwendige Gewichtsreduktion von Menschen mit chronischen Wunden muss fachgerecht geplant und betreut werden.
Für eine optimalen Wundheilung ist ausgewogene Ernährung elementar. Wunden verursachen eine größere Stoffwechselbelastung und verbrauchen während des Heilungsprozesses vermehrt Eiweiß und Energie. Eine Reduktionsdiät birgt schnell die Gefahr einer Mangelernährung. In Folge kann sich der Wundzustand verschlechtern. Insbesondere die sogenannten „Crash-Diäten“, die auf Gewichtsverlust durch eine drastische Reduktion der Nahrungszufuhr beruhen, führen schnell zu einer Unterversorgung. Außerdem verursachen sie zusätzlichen physiologischen Stress und verzögern die Wundheilung. Besteht bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden die medizinische Notwendigkeit, Körpergewicht zu reduzieren, sollte eine Reduktionsdiät nur unter fachlicher Betreuung durchgeführt werden.