Bei Patienten, die unter fortgeschrittenen Tumorerkrankungen leiden, können in ca. fünf bis zehn Prozent der Fälle sogenannte „exulzerierende Wunden“ entstehen. Diese Wunden treten in der Regel im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung auf und betreffen häufig den gesamten Körper.
Im Folgenden erfahren Sie unter anderem, was genau man unter exulzerierenden Tumoren versteht, welche Symptome auftreten können, welche Bedeutung diese Wunden haben, welche Maßnahmen Ihnen bei der Behandlung und Therapie zur Verfügung stehen, wie der Heilungsverlauf im Normalfall aussieht und welche Komplikationen auftreten können.
Folgen und Begleiterscheinungen von Chemo- und Strahlentherapie sowie die Versorgung resultierender Wunden werden unter dem Artikel zu onkologischen Wunden behandelt.
In der Medizin gibt es zwei verschiedene Arten von Tumoren:
Tumore können sich, zum Beispiel bei einer Krebserkrankung, an allen lebenden Körpergeweben entwickeln. Die Neubildung von Gewebe (Neoplasie) entsteht dabei durch eine fehlgeschaltete Regulation des Zellwachstums. Grundsätzlich ist ein Tumor eine Schwellung. Eine Schwellung nimmt Raum ein, wie zum Beispiel eine Zyste, ein Ödem oder eine Geschwulst. Selbst bei einer Entzündung kann man daher den Begriff Tumor verwenden. Nicht jeder Tumor ist gleich ein Hinweis auf eine bösartige Veränderung.
Unter einem gutartigen Tumor versteht man solche Gewebeneubildungen, die nur lokal sind und nicht metastasieren, das heißt sich über die Lymphknoten in andere Gewebe ausbreiten. Gutartige Tumore grenzen sich vom umliegenden Gewebe deutlich ab, wachsen in der Regel recht langsam und befallen keine benachbarten Organe. Anders ist es bei bösartigen Tumoren: sie wachsen in gesundes Gewebe und bleiben oft lange Zeit unbemerkt. Gutartige Tumore sind zum Beispiel Leberflecken, Lipome, Fibrome, Feuermale, Hämangiome, Atherome oder Keloide.
Ein gutartiger Tumor kann im Laufe seines Wachstums fließend zu einem entarteten Tumor übergehen. In Tumorwunden können somit benigne und maligne Zellen zur gleichen Zeit nachgewiesen werden.
Metastasen und auch primäre Tumore haben die Eigenschaft schnell zu wuchern. Eine großflächige Geschwürbildung (Ulzeration) entsteht. Hypertrophes Gewebe mit stark nässenden Wunden tritt meist im präfinalen oder finalen Krankheitsstadium auf. Den größeren Anteil der bösartigen Tumorwunden machen dabei primäre Hauttumore oder Hautmetastasen eines anderen Primärtumors aus. Besonders häufig treten Hauttumore bei Mamma-, Lungen- und Speicheldrüsenkarzinomen auf. Bedingt durch ungehemmtes Zellwachstum und dem völligen Zusammenbruch der tumoreigenen Blutversorgung wird das Gewebe umfangreich zerstört. Diesen Vorgang beschreibt man in der Medizin auch als „exulzerierend“.
Eine exulzerierende Wunde ist laut der British Columbia Cancer Agency definiert als eine „Maligne Läsion der Haut, verursacht durch einen primären Hauttumor, eine Hautmetastase eines anderen primären Tumors oder den Durchbruch eines Tumors aus untenliegenden Gewebeschichten“. (Quelle: Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Exulzerierende Tumorwunden, 2014, S. 3.)
Exulzerierende Tumorwunden werden in drei Gruppen eingeteilt:
Maligne Tumorwunden entstehen durch das Eindringen von krebsartigen Zellen in die Haut sowie die versorgenden Blut- und Lymphgefäße und führen so zu einer massiven Zerstörung des umliegenden Gewebes. Dies begünstigten das Wachstum und die Vermehrung von Keimen. Durch eine Kolonisation bzw. Infektion der Wunde treten häufig die folgenden Symptome auf:
Weiteres Tumorwachstum kann zudem zu einer erneuten Vergrößerung der Wunde führen.
Wie man diese Symptome bei der Wundversorgung berücksichtigt, erfahren Sie im Abschnitt Behandlung & Therapie.
Für alle Beteiligten – Patient, Angehörige und Pflegende – ist eine exulzerierende Tumorwunde eine hohe Belastung. Da der Tumor die Körperhülle durchbricht, wird die Erkrankung offensichtlich. Das Körpergefühl und vor allem das Körperbild verändern sich schlagartig. Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl können verlorengehen, Niedergeschlagenheit, Depressionen und auch die Machtlosigkeit über den eigenen Körper, beeinträchtigen das Leben der meisten Patienten sehr.
Die Symptome, wie starke Exsudation und Geruchsbildung, werden gerade von den Betroffenen als unangenehm, beschämend und sehr belastend empfunden. Durch diese Extrembelastung können Hilflosigkeit und Depressionen zu sozialem Rückzug führen. Der Tumor ist ständig präsent. Das Ziel ist es, die Betroffenen mit ihren Ängsten und Gefühlen aufzufangen und den Alltag so normal wie möglich zu gestalten.
Angehörige von Patienten mit einer exulzerierenden Tumorwunde sind oft mit der Situation völlig überfordert. Der Anblick einer Tumorwunde kann das Gefühl des Ekels hervorrufen und somit zu einer Distanzierung von einem sonst sehr nahestehenden Menschen führen. Hier ist das Ziel, die Menschen mit ihren Ängsten und Gefühlen nicht allein zu lassen. In der Palliativmedizin sieht man hier Umgangsstrategien vor, die Angehörigen vermittelt werden, um besser mit der schwierigen Situation umgehen zu können. Um die Isolation der Betroffenen soweit wie möglich zu verringern, sollte man die Angehörigen also miteinbeziehen.
Für Pflegekräfte bedeutet die Versorgung einer exulzerierenden Tumorwunde eine hohe Herausforderung. Das Einfühlungsvermögen, die Überwindung von Berührungsängsten sowie ein hohes Maß an Fachwissen sind erforderlich, um diese Wunden zu versorgen. Das Leiden der Patienten zu lindern, steht im Vordergrund. Patienten haben die Möglichkeit bei den Pflegenden ihre Ängste und Verzweiflung anzusprechen. Sie erfahren den nötigen Respekt in einem geschützten Raum. Pflegende Fachkräfte wissen um ihre Belastungsgrenzen und können bei einer Überbelastung externe Hilfe in Anspruch nehmen.
Zur Behandlung und Therapie exulzerierender Tumore sind die folgenden Maßnahmen zur Wundversorgung zu berücksichtigen.
Bei Patienten mit exulzerierenden Tumorwunden werden im Rahmen der Anamnese diejenigen Parameter erfasst, die zum Erhalt und/oder der Verbesserung der Lebensqualität dienen.
Zu diesen Parametern gehören unter anderem der Geruch der Wunde, das Exsudataufkommen, der Sitz des Verbandes, die Auswahl der Kleidung und auch die Auswirkung der Wunden auf den Schlaf.
Ziel ist es, dem Betroffenen einen weitgehend normalen Lebensalltag zu ermöglichen. Zu berücksichtigen ist, dass die subjektive Wahrnehmung des Patienten und dessen Einschätzung der Wunde im Fokus stehen sollte. Nur der Patient selbst erlebt die Auswirkungen seiner Erkrankung auf seinen Alltag und sein soziales Umfeld. Wünsche, Probleme und Bedürfnisse können im Rahmen eines vertrauten Patientengesprächs sensibel diskutiert werden.
Quelle: Tabelle Wundanamnese: Mögliche Einschränkungen für den Patienten (Uebach, Kern, 2010, S.25)
Eine gute, ausführliche Wundanalyse ist die Voraussetzung für eine dem Betroffenen angepasste Wundversorgung sowie für die Verlaufskontrolle und der Beurteilung der Wirkung der getroffenen Maßnahmen. Die Wundanalyse erfolgt nach Spülung der Wunde.
Die wesentlichsten Kriterien für ein gutes Wundmanagement sind:
(Quelle: Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Exulzerierende Wunden, 2014, S.10-14)
Das Hauptaugenmerk liegt auf der Linderung der Symptome bei gleichzeitiger Erhaltung der Lebensqualität. Verbandwechsel bedeutet für den Patienten grundsätzlich Stress.
Bei Betroffenen mit exulzerierenden Tumorwunden liegt das Hauptaugenmerk auf der Linderung der Symptome bei gleichzeitiger Erhaltung der Lebensqualität. Veränderungen sollten gut beurteilt und dokumentiert werden, um das richtige Wundmanagement für den Patienten auswählen zu können. Der Verbandwechsel bedeutet für den Patienten grundsätzlich Stress. Oftmals ist die Umgebungshaut sehr schmerzempfindlich, so dass bereits kleinste Berührungen starke Schmerzen verursachen können. Ein regelmäßiges Schmerzassessment vor, während und nach dem Verbandswechsel ist daher unerlässlich.
Auch eine begleitende, adäquate Schmerztherapie ist sinnvoll. Eine rechtzeitige Verabreichung der Schmerzmedikation vor dem Verbandwechsel sowie eine mit dem Patienten abgesprochene Vorgehensweise sollten im Vordergrund stehen.
Das Ablösen der Wundauflage sollte möglichst schonend erfolgen. Ein vorheriges Anfeuchten der Auflage mit angewärmter Ringerlösung oder isotonischer Kochsalzlösung ist empfehlenswert.
Das Reinigen der Wunde erfolgt sanft durch Spülung oder Auflegen getränkter Kompressen und anschließend trockener Kompressen. Die Verwendung von Pinzetten oder Gazen zum Abwischen der Wundoberfläche ist zu vermeiden. Die Wundspüllösung auf körperwarme Temperatur zu bringen, kann ebenso hilfreich sein, wie die bequeme Lagerung des Patienten und das Auswählen einer Wundauflagen ohne Kleberand (z. B. Hydrofaser, Hydrogel, Wunddistanzgitter und Alginate).
Wunden sollten im Allgemeinen nicht zu lange offengelassen werden, um eine Auskühlung und Austrocknung zu verhindern. Bei Bedarf sind Pausen beim Verbandswechsel einzulegen.
Wundgeruch kann durch eine bakterielle Infektion oder auch durch den Zellzerfall des Tumors entstehen. Faulige Gerüche belasten nicht nur den Betroffenen, sondern auch die Angehörigen und das Pflegepersonal.
Um Gerüche zu minimieren, können Wundauflagen mit Aktivkohle, kombinierte Wundauflagen (silber- und aktivkohlehaltig) sowie Alginate, Hydrofasern und Hydrogele für Wundhöhlen gewählt werden. Die Wundauflagen müssen die Wunde komplett abdecken, um das Entweichen von Geruch vermeiden zu können. Wenn die Wunde und der Zustand des Patienten zulassen kann ein Ausduschen der Wunde mit Leitungswasser Linderung schaffen. Die Verwendung eines Sterilfilters wird empfohlen.
Zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohlbefindens des Patienten, können das Zuführen von Frischluft sowie der tägliche Wechsel von Kleidung und Bettwäsche sein. Auch das Aufstellen von Lavendelsäckchen oder Duftstäbchen sowie das Abdecken der Wunde mit Klarsichtfolie, können für einen gewissen Zeitraum den Geruch überdecken.
Tumorwunden zeigen oftmals ein sehr hohes Exsudataufkommen – teilweise bis mehr als 1 Liter pro Tag.
Durch die starke Exsudation können der Wundrand und die Wundumgebungshaut stark mazerieren. Mazerierte Haut ist immer eine Eintrittspforte für Bakterien und Pilze. Eine gut gewählte Wundauflage nimmt das Wundexsudat auf und erhält das feuchtwarme Wundmilieu.
Alginate sind unter anderem durch den Calciumanteil als blutstillende Variante einsetzbar.
Durch die großen Exsudatmengen werden, wie bereits beschrieben, die Wundränder und die Umgebungshaut durch die Mazeration in Mitleidenschaft gezogen. Hier heißt es, die Umgebungshaut mit Polyacrylatprodukten (z. B. Cavilon®) oder auch zinkhaltigen Cremes, zu schützen. Auf Wundauflagen mit Haftrand sollte nach Möglichkeit verzichtet werden.
Der Juckreiz, auch genannt Pruritus, tritt häufig bei Patienten mit Mammakarzinomen auf. Zunächst sollte abgeklärt werden ob ggf. eine Unverträglichkeit gegen das Verbandsmaterial vorliegt.
Möglichkeiten der Juckreizminderung sind kühlende, harnstoffhaltige Lotionen, Lokalanästhetika in Gel- oder Cremeform sowie ätherische Öle. Auch Entspannungsverfahren oder Ablenkung können helfen. Der Patient sollte unbedingt davon abgehalten werden, dem Juckreiz nachzugeben, da so nur weitere Schmerzen oder sogar Blutungen entstehen können, was wiederum die Situation der Wunde verschlechtert.
Da Tumorwunden sehr empfindlich sind, kann es immer wieder zu Spontanblutungen kommen. Oftmals sind es Blutungen, die bei der Säuberung der Wunde oder durch äußere Einflüsse, wie beispielsweise zu enganliegender Kleidung, entstehen. Sind die Blutungen arterieller Natur, können sie mitunter auch unstillbar sein. Hier müssen ganz bestimmt Überlegungen angestellt werden, wie zum Beispiel ein Notfallplan oder eine Notfallbox mit Materialien für den Fall einer Blutung. In diesen Extremsituationen dürfen Patienten niemals alleingelassen werden. Bei Angst und Unruhezuständen kann die Tumorwunde auch mit dunklen Tüchern abdeckt werden.
Bei Tumorwunden liegt der Schwerpunkt nicht auf der Abheilung der Wunde. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Lebensqualität des Patienten und der Familienmitglieder.
Das Augenmerk sollte auf das Lindern des Leidens des Erkrankten gelegt werden. Eine frühzeitige Erkennung einer Tumorwunde, sowie die zeitnahe Behandlung der Schmerzen, sollten im Vordergrund stehen.
Leider zeigen sich Tumorwunden unschön an der Hautoberfläche. Der Patient hat seine Wunden und seinen damit erkrankten Zustand immer vor Augen. Eine fast tägliche Veränderung wird für ihn unmittelbar sichtbar. Seine lebensbedrohliche Erkrankung kann somit nicht verdrängt werden. Ihn auf seinem schweren Weg gut zu begleiten ist das Ziel.
Damit sich Bakterien erst gar nicht auf die Bedingungen in der Wunde einstellen können, ist eine regelmäßige alternierende Wundauflagenauswahl einzusetzen. Von chirurgischen Debridements ist wegen der hohen Blutungsgefahr abzusehen.
Mögliche auftretende Komplikationen sind stark vom einzelnen Patienten abhängig und müssen ebenso individuell und sorgsam berücksichtigt und dementsprechend behandelt werden.