Gamaschenulkus

Gamaschenulkus

Ein Gamaschenulkus ist ein großflächiges Ulcus cruris, was den Unterschenkel in Gänze zirkulär umfasst. Die Bezeichnung Gamaschenulkus kommt daher, weil die chronische Wunde den Bereich zwischen Knöchel und Unterschenkel ähnlich wie das Kleidungsstück, die Gamasche, vollständig umspannt.

Behandlung und Therapie

Der Gamaschenulkus ist eine chronische Wunde, die als Folge einer anhaltenden, fortgeschrittenen chronisch-venösen Insuffizienz (CVI) oder einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) entsteht. Dementsprechend besteht die Therapie aus der Behandlung der Grunderkrankung und der eigentlichen Wundversorgung.

Wundversorgung

Die Wundversorgung eines Gamaschenulkus erfolgt, ebenso wie die Therapie eines Ulcus cruris, idealfeucht und an die jeweilige Wundphase angepasst. Ebenso wichtig ist, dass der Therapieansatz die ursächliche Grunderkrankung (venös und/oder arteriell) berücksichtigt.

Zunächst wird die konservative Therapie angestrebt. Dies beinhaltet die vorsichtige Reinigung der Wunde und Wundumgebung unter Berücksichtigung von Schmerzaspekten sowie Schonung von Umgebungshaut und neu gebildeten Hautschichten. Die Wahl der geeigneten Wundauflage orientiert sich am Ausmaß und der Heilungsphase der Wunde. Um die feuchte Wundheilung zu ermöglichen, sollte die Wundauflage überschüssiges Exsudat aufnehmen können, ohne die Wunde auszutrocknen. 

Ob ggf. eine zusätzliche Kompressionstherapie notwendig ist, hängt von der vorliegenden Grunderkrankung ab. In den jeweiligen Fachartikeln finden Sie detaillierte Behandlungsschritte zur Wundversorgung (Ulcus cruris venosum, Ulcus cruris arteriosum, Ulcus cruris mixtum).

Gamaschenulcus
Gamaschenulkus, Beispiel 1
Tiefer Gamaschenulkus
Gamaschenulkus, Beispiel 2

Vakuumversiegelungstherapie

Spezielle Verbandtechniken wie die Vakuumversiegelung können die Wundheilung zusätzlich positiv beeinflussen.

Bei der Vakuumversiegelungstherapie wird die Wunde luftdicht verschlossen und durch eine Schlauchverbindung zu einer Pumpe ein Unterdruck erzeugt. Durch diesen Schlauch wird gleichzeitig überschüssiges Exsudat abgesaugt. Dadurch wird die Wunde gut durchblutet und bleibt feucht, ohne dass übermäßiges Exsudat auf der Wunde verbleibt.

Die Vakuumtherapie ist auch bekannt als Unterdruck-Wundtherapie oder Negative Pressure Wound Therapy (NPWT).

Vakuumtherapie

Nass-Trocken-Therapie nach Kammerlander

Die Technik der Nass-Trocken-Therapie ist die Abwechslung einer zeitlich begrenzenten Nassphase von 15 Minuten bis zu 6 Stunden, gefolgt von einer 5- bis 15-minütigen Trockenphase. Für die Nassphase werden nach der Entfernung des alten Verbands nasse Kompressen auf die Wunde und Wundumgebungshaut gelegt. Die Kompresse muss vollständig durchnässt sein. Dafür eignen sich Ringer- oder NaCl-Lösungen sowie betainhaltige Wundspüllösungen. Bei kritisch kolonisierten Wunden können auch Wundantiseptika-Lösungen verwendet werden. Wichtig ist, dass alle verwendeten Lösungen steril sind und Raumtemperatur haben. 

Auf die nassen Kompressen werden dann trockene Kompressen gelegt. Anschließend wird der Umschlag so fixiert, dass ohne übermäßigen Druck ein gleichmäßiger direkter Kontakt mit Wundgrund und Wundumgebungshaut gegeben ist. Bevor der Umschlag trocken wird, muss dieser entweder wieder durchnässt werden oder die Nassphase beendet werden. 

Nach der Entfernung der nassen Kompressen wird die Wunde vorsichtig gereinigt. Danach werden trockene Kompressen aufgelegt, fixiert und bis zu 15 Minuten auf der Wunde belassen. Die Trockenphase stellt die Stabilität der Umgebungshaut wieder her und beruhigt diese. Die Zeit muss so kurz gewählt werden, dass kein Austrocknen des Wundgrundes und keine Verklebung mit der Kompresse stattfinden kann. Anschließend wird die Wunde, den Prinzipien der idealfeuchten Wundbehandlung folgend, abgedeckt.

Ziele der Nass-Trocken-Therapie sind sanfte Reinigung und Beruhigung der Umgebungshaut. Durch das Aufbringen nasser Kompressen wird Detritus aufgeweicht und sammelt sich in der Kompresse. Gleichzeitig tritt ein kühlender und juckreizmindernder Effekt ein. Dadurch wird die Nass-Trocken-Therapie von Menschen mit Gamaschenulkus als wohltuend und lindernd empfunden.

Therapie bei Verdacht auf infizierten Gamaschenulkus

Während lokale Antiseptika bei unkritisch kolonisierten Wunden nicht oder nur kurzzeitig eingesetzt werden sollten, wird bei klinisch relevanten bakteriellen Infektionen eine antimikrobielle Therapie empfohlen. Die systemische Gabe von Antibiotika ist ausschließlich bei Infektionsanzeichen sowie klinisch relevanter bakterieller Kolonisation angezeigt. Daher sollte bei Verdacht auf eine bakterielle Wundinfektion nach der Wundreinigung ein bakteriologischer Wundabstrich entnommen werden. Dadurch kann der Kolonisationsgrad sowie der Infektionserreger ermittelt werden. Bei Wundinfektionen mit multiresistenten Erregern müssen zusätzlich spezielle Hygienemaßnahmen bis hin zur Isolierung der Betroffenen eingehalten werden.

Operative Behandlung

Bei einem Gamaschenulkus, der innerhalb von drei Monaten nach Einleitung der optimalen Therapie keine Heilungstendenz zeigt oder nach 12 Monaten nicht abgeheilt ist, ist eine operative Behandlung indiziert. Man spricht dann von einem therapieresistenten Gamaschenulkus.

Gemäß abgelaufener S3-Leitlinie “Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum” ist die operative Therapie der Wahl bei einem therapieresistenten Ulcus cruris venosum die sogenannte Shave-Therapie. Die Fertigstellung der derzeit in Überarbeitung befindlichen Leitlinie ist für den 31. Dezember 2023 geplant. Der aktuelle Status kann unter AWMF online nachgelesen werden. 

Bei der Shave-Therapie werden Fibrosen und Nekrosen abgetragen und die Wunde nach der Wundreinigung mit körpereigenem Gewebe abgedeckt. Letzteres erfolgt meist im Rahmen einer Spalthaut-Transplantation. Zusätzlich kann es notwendig sein, bestehende Gefäßverengungen operativ zu erweitern.

Bei einem kleineren Ulcus cruris ohne ausgeprägte Tiefenausdehnung kann die operative Behandlung ggf. unter lokaler Betäubung erfolgen. Operationen an sehr ausgedehnten, tiefreichenden Ulzera, die weitreichende Maßnahmen erfordern, erfolgen immer unter Vollnarkose. Eine entsprechende begleitende Schmerztherapie muss sowohl vor der Operation als auch danach erfolgen.

Begleittherapie bei venöser Ursache

Da langjährige chronisch venöse Insuffizienzen (CVI) häufig Lymphabflussstörungen verursachen, besteht bei einem Ulcus cruris venosum häufig eine (mitunter sehr starke) Schwellung der Beine. Daher stellt bei einem Gamaschenulkus mit venöser Ursache eine Entstauungstherapie in vielen Fällen eine sinnvolle Begleittherapie dar. Sowohl die manuelle Lymphdrainage als auch die intermittierende pneumatische Kompression fördern die Wundheilung als Zusatztherapie zur Kompressionstherapie.

Die Grundlage nicht-invasiver Maßnahmen für die Abheilung, die Risikoreduktion eines Rezidivs sowie für die Vorbeugung eines Gamaschenulkus mit venöser Ursache ist die Kompressionstherapie, z.B. das Tragen von Kompressionsstrümpfen und Bewegung. Dadurch wird die Muskelpumpe aktiviert, die den Rückfluss des Blutes zum Herzen gewährleistet. Menschen mit stark schmerzenden Ulcerationen profitieren von einer moderaten Kompression in Begleitung einer manuellen Lymphdrainage. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen wäre viel zu schmerzhaft und sollte erst in der Abheilungsphase des Gamaschenulkus begonnen werden.

Sehr wichtig bei der Erwägung einer Kompressionstherapie ist die Beachtung der Grunderkrankung.

  • Kompression darf nur bei venöser Ursache eingesetzt werden.
  • Bei einer zugrunde liegenden pAVK ist die Kompressionstherapie eine Kontraindikation.

Ursachen

Ein Gamaschenulkus entsteht durch anhaltende Minderdurchblutung von Gewebearealen am Unterschenkel. 

Die verminderte Durchblutung, z. B. durch eine CVI, pAVK oder Anteile aus beiden, führt zu einer Unterversorgung des Gewebes, einschließlich der Haut. Dadurch verhärten sich Unterhautgewebe und die Haut bis zur schmerzhaften Dermatoliposklerose. Anhaltende Entzündungsprozesse und die hochgradig unelastische Haut führen schließlich zu Ulzera, auch als „offenes Bein“ bezeichnet. Oft weicht die danebenliegende Haut auf, wodurch es zu Infektionen durch Keimbesiedelung kommen kann. Wird die Wunde über einen längeren Zeitraum nicht adäquat behandelt, kann die Flächenausdehnung die Innen- und Außenknöchelregionen erreichen und dann zu einem Gamaschenulkus führen.

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.