Biofilm

Biofilm

Oft stellen sich Patienten und medizinische Fachkräfte die Frage: Warum heilt eine Wunde nicht und das trotz leitliniengerechter Wundversorgung? 

In der Regel ist es der häufig unsichtbare Biofilm, der in ca. 75% aller Fälle chronische Wunden stagnieren lässt. Mit den hier vorgestellten gezielten Methoden kann Abhilfe geschaffen werden.

Was ist ein Biofilm?

Biofilme in Wunden sind Lebensgemeinschaften, die sich aus unterschiedlichen Bakterien zusammensetzen können.

Diese heften sich an die Oberfläche der Wunde und vermehren sich schnell in einem feucht-warmen Milieu.

Mikroorganismen sind außerdem in der Lage, eine Schleimschicht aufzubauen, die sogenannte Matrix. Die Matrix besteht in der Regel aus Schichten von Polysacchariden, Proteinen, Lipiden und Bakterien-DNA. Über chemische Signale locken die bereits im Biofilm angesiedelten Erreger neue Erreger an. Dadurch wächst die Matrix, dehnt sich aus und passt sich schnell an jede beliebige Umgebung an.

Debridementarten Biofilm
Fallbeispiel: Ulcus cruris arteriosum
Ulcus cruris arteriosum

In diesem Fallbeispiel können Sie nachlesen, wie eine stark mit Biofilm belegte Wunde geheilt werden konnte.

Fallbeispiel lesen

Wie bilden sich Biofilme?

Mikroorganismen in Biofilmen vermehren sich sehr schnell und heften sich in kurzer Zeit immer fester an die besiedelte Oberfläche. Sie verändern ständig ihre genetischen Muster, um besser und länger überleben zu können. Spezies wie Pseudomonas aeruginosa und Escherichia coli gehen bevorzugt eine Verbindung mit Proteinstrukturen ein. Darüber hinaus stärken sie sich gegenseitig und können sicheren Schutz vor Umwelteinflüssen chemikalischer und physikalischer Art bieten. Desinfektionsmittel oder Sonnenlicht können einem Biofilm nichts anhaben. Nur eine sehr frühe Unterbindung des beginnenden Wachstums stört das Heranwachsen der Mikroorganismen nachhaltig.

Wo sind Biofilme zu finden?

Biofilme hat jeder zu Hause, z. B. in Abflussrohren, in Wischlappen oder auch in den Verteilungssystemen unseres Trinkwassers. Selbst in unserem eigenen Körper sind sie zu finden: unter anderem im Zahnbelag, wo sie Hauptverursacher von Paradontitis und Gingivitis sind.

Biofilme bilden sich nach dem Prinzip der Grenzflächenhaftung. Das bedeutet: Die Mikroorganismen bilden sich erst in einem wässrigen System an der Grenzfläche (Flüssigphase), um dann in die feste Phase überzugehen.

Biofilme sind außerdem auf Fremdmaterialien zu finden, die gezielt in den Körper eingebracht werden, wie Hüftprothesen, Implantate, Blasenkatheter, Herzschrittmacher, Dialyse-Shunts, künstliche Herzklappen etc.. Chronische Infektionen können die Folge sein. In der Regel setzt der Arzt bei bakteriellen Infektionen Antibiotika ein. Bei Biofilmen sind diese Medikamente aber wirkungslos. Die oben erwähnte Matrix der Biofilme lässt ein Eindringen von Antibiotika nicht zu.

Wie schnell bilden sich Biofilme?

Laboruntersuchungen zeigen, dass z. B. Staphylococcus, Streptococcus, Pseudomonas und Escherichia coli sich innerhalb von wenigen Minuten an eine Oberfläche anheften.

Nach 2 bis 4 Stunden ist eine starke Anheftung vorhanden. Innerhalb von 2 bis 4 Tagen wachsen die Mikroorganismen – je nach Wachstumsbedingungen – zu einem vollausgereiften Biofilm heran.

Sie erholen sich rasch von mechanischer Zerstörung wie dem Wunddebridement. Innerhalb von 24 Stunden können sie wieder einen reifen Biofilm erzeugen.

Welche Rolle spielen Biofilme in der Wundheilung?

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Biofilme eine wesentliche Ursache für Wundheilungsstörungen sind. Dadurch kann eine verzögerte Wundheilung eintreten.

Oftmals sind chronische Wunden nur gering mit Bakterien belastet. Es gibt keine sichtbaren klinischen Symptome. Die sog. „kritische Kolonisation“ ist ein Hinweis auf einen gestörten Wundheilungsprozess, ohne dass sichtbare Infektionszeichen zu sehen sind. In der heutigen Zeit spricht man von einem vorkommenden Biofilm.

Woran erkennt man einen Biofilm in einer Wunde?

Unter einem Mikroskop sind Biofilme mit ihren bakteriellen Ansiedlungen gut zu erkennen. Sind Biofilme über einen längeren Zeitraum gewachsen, dann sind sie dick genug, um sie mit bloßem Auge erkennen zu können.

Biofilm auf einer chronischen Wunde am Unterschenkel
Biofilm auf einer chronischen Wunde am Unterschenkel

Wie unterscheidet sich der Biofilm vom Wundbelag?

Beim Biofilm entsteht durch die besondere Matrix eine gelartige Masse, die auf der Wunde glänzend erscheint. Wundbeläge sehen in der Regel eher gelblich-trübe aus. Bekannt ist, dass ein Fibrinbelag in einer chronischen Wunde ständig Entzündungsprozessen ausgesetzt ist. So ist es also möglich, dass sich der Biofilm auf einen bereits in der Wunde vorhandenen Fibrinbelag draufsetzt. Demnach kann ein Wundbelag ein Hinweis für das Vorhandensein eines Biofilms sein.

Ist die Bildung des Biofilms abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten?

Der Allgemeinzustand des Patienten spielt vor allem bei chronischen Wunden in der Regel eine große Rolle. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, unausgewogener Ernährung, Durchblutungsstörungen im Gewebe oder auch nekrotischen Gewebeanteilen kann das Wachstum eines Biofilms begünstig sein.

Videos: Entfernung von Biofilm und anderen Belägen

Bei Start des Videos werden Informationen an YouTube/Google übermittelt. Mehr hierzu unter: Google Datenschutzerklärung.

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Was ist die sicherste Methode, um einen Biofilm zu reduzieren?

Derzeit gibt es noch keine ärztliche Richtlinie für die Behandlung eines Biofilms in einer Wunde. Wichtigste Voraussetzung ist eine regelmäßige Wundreinigung und die dazugehörige leitliniengerechte Wundversorgung. Die Erfahrung zeigt, dass das Debridement durchaus radikal sein muss, das heißt ein lockeres Auswischen mit einer Kompresse reicht nicht aus. Zum Aufbrechen der Biofilm-Matrix ist ein gründliches mechanisches Debridement nötig.

Wie wird die erfolgreiche Beseitigung des Biofilms erkannt?

Im praktischen Alltag steht meist kein Mikroskop zur Verfügung, um zu sehen, ob nach der Wundbettpräparation noch ein Biofilm vorhanden ist. Es ist wichtig, die Wunde regelmäßig, am besten täglich, zu reinigen. Dies geschieht solange, bis die Wundheilung deutliche Fortschritte macht oder sich der Wundzustand verbessert.

Patienteninformation zum Biofilm

Patienten mit chronischen Wunden sollten darüber informiert werden, dass Biofilme auf einer Wunde nur durch folgende kontinuierliche Maßnahmen zu entfernen sind:

Werden diese Maßnahmen nicht täglich durchgeführt, kann es zu einer deutlichen Wundheilungsverzögerung kommen.

Die Autorin Regina Freitag
Abbildung MFA

Regina Freitag ist Pharmazeutisch Technische Assistentin (PTA), Praxis- und Wundmanagerin sowie Wundexpertin ICW. Seit 2016 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig und betreut Fortbildungen im Bereich der modernen Wundversorgung.