Keime in der Wundheilung

Keime in der Wundheilung

Keime in der Wundheilung sind meist bakterielle Erreger, die sich in der Wunde und deren Umgebung unkontrolliert vermehren.

Bakterien, die eine Wundinfektion auslösen, können aus unterschiedlichen Reservoiren in die Wunde gelangen. Einige Bakterienarten sind in der Umwelt zu finden, z.B. im Boden, in Pfützen, tierischen Ausscheidungen oder auf Pflanzen und Tieren. Andere Bakterienarten besiedeln den menschlichen Körper auf Haut oder Schleimhäuten. Auch in vielen Wunden können Bakterien gefunden werden, ohne dass diese Probleme verursachen.

Welche Bakterien können die Wundheilung beeinflussen?

Viele verschiedene Bakterienarten aus unterschiedlichen Familien sind in der Lage, eine Wunde zu besiedeln.

Die meisten Vertreter vermehren sich in der warmen und feuchten Wundumgebung unkontrolliert. Die Wundheilung wird häufig durch Bakterien beeinträchtigt, die bei intakter Haut und normalem Immunstatus nicht in den Körper eindringen können. Außerdem sind Bakterien problematisch, die physiologisch nicht auf einem menschlichen Wirt vorkommen. Andere Bakterien bereiten Probleme, indem sie Toxine oder Biofilme produzieren und dadurch die Wundheilung verzögern.

Wie können Bakterien klassifiziert werden?

Bakterien können auf unterschiedliche Weise klassifiziert werden. Die drei wichtigsten Klassifizierungsmerkmale sind Gram-Färbung, Sauerstoffbedarf sowie Form und Anordnung (Morphologie).
 

Gram-Färbung

Die Gram-Färbung ermöglicht die Zuordnung von Bakterien in die zwei Hauptgruppen der gram-positiven und der gram-negativen Bakterien.

Durch die sogenannte Gram-Färbung stellt sich die bakterielle Zellwand abhängig von ihrer Struktur unterschiedlich farbig dar. Das Färbeprinzip beruht auf der Verwendung eines basischen Farbstoffs, der durch die Zellwand oder Membran in die Bakterienzelle eindringen kann. Durch Anwendung einer Jod-Kaliumiodid-Lösung bildet der Farbstoff in der Zelle Komplexe. Im anschließenden Entfärbe-Schritt wird Alkohol verwendet, um den Farbstoff wieder aus der Zelle zu waschen.

Gram-negative Bakterien haben eine innere und eine äußere Zellmembran sowie eine dünne Zellwand. Bei der Gram-Färbung kann der Farbstoffkomplex mit Alkohol wieder aus der Zelle entfernt werden. Durch eine Gegenfärbung mit dem roten Farbstoff Fuchsin oder einer Safranin-Lösung sehen gram-negative Bakterien nach der Färbung rot aus.

Gram-positive Bakterien haben eine dicke Zellwand sowie eine innere Zellmembran. Im Gegensatz zu den gram-negativen Bakterien verfügen sie über keine äußere Zellmembran. Durch die dicke Zellwand kann der violette Farbstoff mit Alkohol nicht mehr aus der Zelle extrahiert werden. Deshalb stellen sich gram-positive Bakterien nach der Gram-Färbung blau dar.

Einige Bakterienarten haben allerdings besondere Zellwandstrukturen, so dass eine Gram-Färbung nicht gelingt. Dazu gehören z.B. Tuberkulose- sowie Lepra-Erreger Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium leprae. Außerdem können auch zellwandlose Bakterien, wie Mycoplasma pneumoniae, nicht mittels Gram-Färbung dargestellt werden.
 

Sauerstoffbedarf

Bakterien besiedeln verschiedenartige Lebensräume. Dementsprechend unterscheidet sich auch ihr Sauerstoffbedarf.

Bakterien, die z.B. die Haut besiedeln sind meist streng (obligat) aerobe Bakterien. Obligate Aerobier wachsen ausschließlich in Anwesenheit von Sauerstoff. Darmbakterien hingegen gehören zu den anaeroben Bakterien. Anaerobier wachsen in Abwesenheit von Sauerstoff. Sie werden weiter unterteilt in obligat und fakultativ anaerobe Bakterien:

  • Obligat anaerobe Bakterien wachsen ausschließlich ohne Sauerstoff. Durch das Fehlen von Enzymen sterben obligate Anaerobier bei einer Exposition mit Sauerstoff.
  • Fakultativ anaerobe Bakterien können mit und ohne Sauerstoff wachsen.
     

Morphologie

Die häufigsten Grundformen von bakteriellen Erregern sind Kokken und Stäbchen.

Kokken sind kugelförmige Bakterien. Die Anordnung der kugelförmigen Einzelzellen erlaubt eine weitere Konkretisierung der Bakteriengattung. Bakterien aus der Gattung der Staphylokokken sind traubenförmig angeordnet und Streptokokken liegen in einer Kette aneinandergereiht vor. Daneben gibt es aber auch Kokken, die einzeln vorkommen oder paarweise als Diplokokken vorliegen.

Wie die Bezeichnung „Stäbchen“ bereits erahnen lässt, sind derartige Bakterien tatsächlich stäbchenförmig. Zu den stäbchenförmigen Bakterien gehört z.B. das Darmbakterium E. coli. Ansonsten können Bakterien als gebogene Stäbchen komma- oder schraubenförmig vorkommen.

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Was sind die häufigsten bakteriellen Erreger?

Die folgende Liste gibt eine Übersicht über die häufigsten Bakterien, die in der Wundheilung eine Rolle spielen.

Die genannten Bakterien können die Wundheilung durch eine Infektion der Wunde beeinträchtigen. Außerdem können die Erreger die Wundheilung durch anders gelagerte Infektionen negativ beeinflussen.
 

Gram-positive Bakterien

Alle relevanten Vertreter der gram-positiven Bakterien liegen als Kokken vor. Gegen gram-positive Erreger können Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Chinolone oder Makrolid-Antibiotika eingesetzt werden. Glykopeptid-Antibiotika sind ebenfalls gegen gram-positive Bakterien wirksam und dürfen nur gegen multiresistente Keime eingesetzt werden.
 

Enterococcaceae

Vertreter der Familie der Enterococcaceae sind ein Teil der natürlichen Darmflora und haben positive Effekte auf die Verdauung. Außerhalb des Darms führt die Besiedlung des Körpers zu Infektionen. Eine große Rolle spielen E. faecalis und E. faeciumEnterokokken erwerben vor allem Resistenzen gegen Glykopeptid-Antibiotika. Die Vertreter werden dann als Glykopeptid-resistente Enterokokken (GRE) bzw. Vankomycin-resistente Enterokokken (VRE) bezeichnet.
 

Staphylococcaceae

Bakterien aus der Familie der Staphylococcaceae besiedeln natürlicherweise Haut und Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum sowie Magen-Darm-Trakt. Als Keime in der Wundheilung sind vor allem S. aureus und S. epidermidis relevant. Unter den S. aureus-Stämmen sind häufig Vertreter mit Resistenzen gegen das Antibiotikum Methicillin bzw. Oxacillin aus der Klasse der Beta-Laktam-Antibiotika anzutreffen. Derartige Stämme heißen Methicillin-resistenter S. aureus (MRSA) bzw. Oxacillin-resistenter S. aureus (ORSA).
 

Streptococcaceae

Streptococcaceae kommen auf der menschlichen Haut sowie Schleimhäuten, vor allem im Nasen-Rachen-Raum vor und sind Teil der physiologischen Bakterienflora. Als infektiöse Keime spielen vor allem S. pyogenesS. agalactiaeS. pneumoniae sowie Viridans-Streptokokken eine Rolle. Antibiotikaresistenzen kommen eher selten vor. Wenn Resistenzen auftreten, sind diese gegen Penicilline und Makrolide gerichtet.

Gram-positive Bakterien
Abb. 1 Gram-positive Bakterien, Familien und Arten

Gram-negative Bakterien

Eine Vielzahl gram-negativer Bakterien kann Wunden oder ihre Umgebung besiedeln. Als Auslöser nosokomialer Infektionen spielen gram-negative Bakterien ebenfalls eine große Rolle.

Gram-negative Bakterien

Eine Vielzahl gram-negativer Bakterien kann Wunden oder ihre Umgebung besiedeln. Als Auslöser nosokomialer Infektionen spielen gram-negative Bakterien ebenfalls eine große Rolle.

Für die Behandlung einer Infektion mit gram-negativen Erregern kommen z.B. Antibiotika aus der Gruppe der Cephalosporine, Carbapeneme oder Chinolone in Betracht. Daneben können Cotrimoxazol und Gentamicin in Kombinationstherapie wirksam sein. Gegen multiresistente gram-negative Erreger (MRGN) können Tigecyclin, Colistin oder Fosfomycin eingesetzt werden. Häufig kommen Vertreter folgender Familien vor:
 

Enterobacteriaceae

Viele Arten aus der Familie der Enterobacteriaceae sind ein natürlicher Teil der Darmflora, einige Arten kommen auch im Genitaltrakt vor. Außerhalb des Darms können sie insbesondere bei immungeschwächten Personen schwere Infektionen auslösen. Die Bakterienarten E. coliK. pneumoniaeK. oxytocaE. cloacaeE. aerogenes sowie C. freundii sind häufig als Erreger bakterieller Infektionen anzutreffen.

Viele Bakterienarten aus der Familie der Enterobacteriaceae sind MRGN gegen mehrere Antibiotikaklassen. Ein häufig anzutreffender Resistenzmechanismus ist insbesondere bei nosokomialen Keimen die Expression eines Enzyms, das den Beta-Laktam-Ring von Antibiotika spalten kann. Wenn das Enzym unterschiedliche Klassen der Beta-Laktam-Antibiotika unwirksam machen kann, spricht man von einer Extended-spectrum Beta-Laktamase (ESBL).
 

Moraxellaceae

Aus der Familie der Moraxellaceae ist vor allem A. baumannii als Keim in der Wundheilung relevant. Natürlicher Lebensraum dieser Bakterienart ist unsere Umwelt, vor allem im Boden und (Pfützen-) Wasser. Daher fühlt sich A. baumannii auch als Krankenhauskeim in Abflüssen oder Siphons ausgesprochen wohl. Derartige Vertreter sind meist den MRGN zuzuordnen. Sie produzieren häufig ESBL und verfügen über Resistenzmechanismen gegen viele weitere Antibiotika.
 

Morganellaceae

Arten aus der Familie der Morganellaceae besiedeln natürlicherweise den menschlichen Darm. Die Arten P. vulgarisP. mirabilisP. rettgeri und M. morganii spielen als Auslöser von Infektionen des Genitaltrakts, evtl. verursacht durch Urinkatheter, sowie bei postoperativen, nosokomialen Infektionen eine Rolle. Viele Morganellaceae sind resistent gegen Beta-Laktam-Antibiotika.
 

Pseudomonadaceae

Pseudomonadaceae kommen in der Umwelt vor und besiedeln Menschen, Tieren und Pflanzen. Aus der Familie der Pseudomonadaceae ist P. aeruginosa häufig als Keim bei Wundinfektionen oder Infektionen des Respirationstrakts anzutreffen. Die Wundheilung wird vor allem dadurch beeinträchtigt, dass P. aeruginosa ein Biofilmbildner ist. Vertreter der Pseudomonadaceae sind häufig MRGN. Betroffen durch verschiedene Resistenzmechanismen sind vor allem Beta-Laktam-Antibiotika aber auch viele weiter Antibiotika.
 

Xanthomonadaceae

Viele Arten aus der Familie der Xanthomonadaceae besiedeln das Erdreich und Pflanzen. Als Erreger ist S. maltophilia vor allem als Auslöser von Atemwegsinfektionen bedeutsam. Resistenzen kommen gehäuft gegen Beta-Laktam-Antibiotika vor, aber auch viele weitere Antibiotika sind betroffen.
 

Yersiniaceae

Aus der Familie der Yersiniaceae ist insbesondere S. marcescens als Keim für Infektionen des Genitaltrakts relevant. Resistenzen liegen hauptsächlich gegen Beta-Laktam-Antibiotika vor.

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.