Varizen (Krampfadern)

Varizen (Krampfadern)

Das Krampfaderleiden ist eine weltweit verbreitete Volkskrankheit. Etwa 20% aller Erwachsenen leiden in Deutschland unter dauerhaft erweiterten Venen.

Von Varizen ist meistens das Venensystem der Beine betroffen. Krampfadern treten aber in anderen Körperregionen wie dem Gesicht, im Becken- und Genitalbereich oder in der Speiseröhre auf. Ihr Auftreten ist altersabhängig und nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Unbehandelt können Varikosen zu einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) oder Ulcus cruris führen.

Definition: Varizen

Krampfadern (Varizen) sind dauerhaft erweiterte Venen, die meist am oberflächlichen Venensystem der Beine auftreten.

Krampfadern (auch Varizen, Varikose, Varikosis genannt) sind unter der Haut liegende, geschlängelte, erweiterte Venen, in denen die Venenklappen nicht mehr funktionieren.  Durch den Funktionsverlust der Klappen kann das Blut nicht mehr schnell genug zum Herzen zurücktransportiert werden. In Folge bildet sich ein „Venenstau“. Das Blut fließt im Kreis im Bein, ohne sich zu erneuern.

Varizen können sehr klein sein (z.B. Besenreiser) oder ausgeprägte, dicke Venen bilden. Einige Patientinnen und Patienten beschreiben keine Beschwerden, andere Betroffene leiden an Schwellungen, Juckreiz oder Schmerzen.1

Grafik von zwei Venen-Querschnitten

Wie häufig treten Varizen auf?

Laut einer im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie durchgeführten „Bonner Venenstudie“ leiden jeder sechste Mann und jede fünfte Frau im Alter von 18 bis 79 Jahren unter einer chronischen Veneninsuffizienz mit Varizen und Beschwerden unterschiedlichen Schweregrades. Das Auftreten von Varikosen ist altersabhängig und nimmt mit steigendem Lebensalter zu.1

Ursachen der Varikose

Ätiopathogenetisch werden primäre Varikosen (etwa 70% der Fälle) und sekundäre Varikosen (etwa 30% der Fälle) unterschieden 2.

Primäre Varikose

Die primäre Varikose ist eine anlagebedingte Venenwanddegeneration. Die primäre Varikose ist meist durch eine familiäre Bindegewebsschwäche bedingt. Noch ist die genaue Ursache nicht abschließend geklärt, allerdings werden hämodynamische (das bedeutet die Strömungsmechanik des Blutes betreffende) Einflüsse diskutiert. Zu den Risikofaktoren gehören fehlende oder mangelnde Bewegung, Schwangerschaften, Alter, Nikotinkonsum, Einnahme oraler Kontrazeptiva oder Übergewicht.
 

Sekundäre Varikose

Die sekundäre Varikose ist eine nicht anlagebedingte Schwächung der Venenwand. Sie tritt häufig in Folge einer Insuffizienz der Gefäßwände und/oder Venenklappen oder einer Beinvenenthrombose (Phlebothrombose) auf.

Bei der sekundären Varikose ist der venöse Rückstrom des Blutes zum Herzen nur noch eingeschränkt möglich ist. Die vermehrte Blutmenge erhöht Druck- und Blutvolumen in den tiefen und oberflächlichen Venen. Dadurch überdehnt die Venenwand und die Venenklappen verlieren ihre Funktion. In Folge werden auch die Verbindungsvenen in die Tiefe (Venae perforantes) insuffizient.

Aus einer unzureichend behandelten Thrombose kann sich ein postthrombotisches Syndrom entwickeln. Das postthrombotische Syndrom ist eine schwere chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), die gegebenenfalls mit einem Ulcus cruris venosum einhergeht. Das Beinvenensystem der Betroffenen ist oft schlecht rekanalisiert und weist ausgeprägte Klappenschäden auf.

Krampfadertypen

Nach topographischen bzw. morphologischen Kriterien werden im Wesentlichen folgende Krampfadertypen unterschieden.3

  • Stammvarizen sind die häufigsten Varizen. Stammvarizen treten an den Venen der unteren Extremitäten auf (Vena saphena magna und Vena saphena parva).
  • Seitenastvarizen treten in den Seitenästen der Venen in den unteren Extremitäten auf.
  • Perforansvarizen betreffen die Perforansvenen, welche die oberflächlichen mit den tiefen Venen verbinden. Bei einer krankhaften Erweiterung können sich Perforansvenen im Stehen wie eine Beule hervorwölben. Im Liegen lässt sich an dieser Stelle ein Loch in der Muskelfaszie mit den Fingern ertasten.
  • Pelvine Varizen befinden sich vor allem im linksseitigen Beckenbereich. Krampfadern am äußeren Genitale, am Gesäß oder den Oberschenkeln sind ein möglicher Hinweis auf das Beckenvenensyndrom.
  • Retikuläre Varizen sind sehr kleine Krampfadern der Beine mit einem Durchmesser von 2 – 4 mm Durchmesser bezeichnet. Sie bilden häufig ein netzartiges Venengeflecht, vor allem an der Außenseite der Ober- und Unterschenkel und in der Kniekehle.
  • Besenreiservarizen sind mit einem Durchmesser von weniger als 1 mm bis 3 mm die kleinsten Varizentypen. Sie liegen meistens an der Rückseite des Oberschenkels und stellen überwiegend ein kosmetisches Problem dar.
Krampfadern - Varikose am Oberschenkel
Krampfadern - Varikose am Oberschenkel

Sind Varizen nur in den Beinen lokalisiert?

Meistens befinden sich Varizen im Bereich der Beine. Generell können sie am gesamten Körper auftreten.

Nicht selten treten Krampfadern an den Hoden auf ("Krampfaderbruch", auch "Varikozele"). Sofern keine spezielle Ursache vorliegt, bilden sie sich meist wieder zurück. Dennoch sollten Betroffene einen Urologen konsultieren, weil Beschwerden bis hin zur Unfruchtbarkeit nicht ausgeschlossen werden können.

Die sogenannten Ösophagusvarizen sind Krampfadern unter der Schleimhaut der Speiseröhre. Sie können sich bei erhöhtem Druck in der Pfortader (Vena portae) entwickeln. Einige Lebererkrankungen wie die Leberzirrhose erhöhen den Venendruck.

Krampfadern der Venen im kleinen Becken und um die inneren Geschlechtsorgane betreffen vor allem Frauen. Bei ihnen führt das Venenleiden zu chronischen Unterleibsschmerzen mit teils langwierigen Krankheitsverläufen. Das Symptombild wird unter dem Begriff Beckenvenensyndrom zusammengefasst. Beschwerden treten häufig zusammen mit der Menstruation, dem Geschlechtsverkehr, Wasserlassen oder nach längerem Stehen und vor allem abends auf. Zusätzlich können sich sichtbare Krampfadern im Genitalbereich, auf Gesäß und Oberschenkel bilden.4

Diagnose und Klassifikation

Im Rahmen der Diagnostik werden eine körperliche Untersuchung der Beine sowie ein bildgebendes Verfahren eingesetzt.

Der Gold-Standard ist die auf Ultraschallwellen basierende farbkodierte Duplexsonographie. Die Methode ist nicht-invasiv und liefert Informationen zur Durchgängigkeit und Insuffizienz des tiefen Venensystems, zum Vorhandensein von Thrombosen oder anatomische Varianten. Ergänzend kann eine Venenfunktionsmessung beispielsweise die Photoplethysmographie durchgeführt werden. Sie ermöglicht eine Beurteilung, wie gut Blut bei Beinbewegungen aus den Venen abgepumpt wird.3

Die Diagnose der Varikose umfasst eine körperliche Untersuchung der betroffenen Körperregionen und ein bildgebendes Verfahren (z.B. die farbkodierte Duplexsonographie oder Photoplethysmographie).

CEAP Klassifikation

Die CEAP-Klassifikation ist eine Einteilung für den Schweregrad der chronischen venösen Insuffizienz (CVI). Die Klassifikation beruht auf einer Beschreibung der klinischen Veränderungen (C), der Ätiologie (E), der betroffenen Venen (A) und der Pathophysiologie (P ). Die Varikose kann demnach mit oder ohne Beschwerden vorkommen (C2) oder mit Ödem und / oder Hautveränderungen im Rahmen der CVI auftreten (C3-C6) (Tabelle 1).

KlasseKlinische Zeichen
C0keine sichtbaren oder tastbaren Zeichen einer venösen Insuffizienz
C1Besenreiser und / oder retikuläre Varizen
C2Varikose
C3Varikose mit Ödem
C4aVarikose mit Pigmentierung, Ekzem
C4bVarikose mit Atrophie blanche, Dermatoliposklerose
C5Varikose mit abgeheiltem Ulcus cruris venosum
C6Varikose mit floridem Ulcus cruris venosum
 ätiologische Klassifizierung
Ecangeboren
Epprimär
Essekundär
Enkeine venöse Ursache nachweisbar
 anatomische Klassifikation
Asoberflächliche Venen
ApPerforansvenen
Adtiefe Venen
Ankeine venösen Veränderungen nachweisbar
 Pathophysiologie
PrReflux
PoObstruktion
Pr/oReflux und Obstruktion
Pnkeine venöse Pathophysiologie nachweisbar

Schweregrade

Rein deskriptiv können nach Widmer im klinischen Alltag vier Schweregrade vorliegen. Dabei sind die Grenzen zum Symptombild der CVI fließend (Tabelle 2).5

SchweregradKlinisches Bild
Grad I
  • Asymptomatische Varizen
  • Keine Komplikationen
Grad II
  • Dysästhesie (Empfindungsstörung), Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, Wadenkrämpfe, Schmerzen beim Stehen, Schwellungsneigung
  • Keine Komplikationen
Grad III
  • Wie Stadium II (evtl. stärker ausgeprägt)
  • Komplikationen: trophische Hautstörungen wie Ekzem, Pigmentierung, Atrophie, Induration (Verhärtung) und/oder Varikophlebitis (Venenentzündung)
Grad IV
  • Wie Stadium III
  • Komplikationen: wie Stadium III, florides Ulcus cruris venosum
Varizen - Besenreiser am Oberschenkel
Varikose, Besenreiser

Therapie

Zur Therapie von Varizen stehen konservative Maßnahmen wie Kompressionsstrümpfe und operative Verfahren wie Verödung, Hitzeverfahren oder Verkleben zur Verfügung.3

Konservative Maßnahmen

Die Grundtherapie bei Krampfaderleiden ist die Kompression. Kompressionstrümpfe, Verbände oder apparativer intermittierender Kompression lindern die Symptome und beugen ein Fortschreiten der Erkrankung vor. Manuelle Lymphdrainage, Gefäßsport oder Balneotherapie unterstützen die Kompressionsmaßnahmen.
 

Operative und endovenöse Verfahren

Bei einer ausgeprägten Krampfader, Hautveränderungen oder Beschwerden besteht die Notwendigkeit einer operativen oder endovenösen Therapie. Da Varizen eine chronische Erkrankung sind, können sie auch nach erfolgreicher Behandlung an anderen Venen erneut auftreten.
 

Krampfaderziehen – Venenstripping

„Stripping“ bezeichnet das operative Entfernen von Krampfadern. Je nach Ausmaß der Varikosis lassen sich Krampfadern in Teilen („Teilstripping“) oder komplett ziehen. Beim „Stripping“ setzt der Chirurg einen kleinen, minimal-invasiven Schnitt in der Leistengegend und einen weiteren am Varizenende. Anschließend wird die Vene an beiden Stellen abgebunden, durchtrennt und mit Hilfe einer Sonde herausgezogen.
 

Endovenöse thermische Verfahren

Endovenöse thermische Verfahren schließen die betroffenen Venen durch Hitze ab. Laser, Radiofrequenzen oder Heißdampf werden dabei als Wärmequelle eingesetzt. Die Eingriffe sind minimal-invasiv und gewebeschonend.
 

Endovenöse chemische Verfahren

Varizen können auch durch endovenös-chemischen Verfahren verödet werden. Cyanoacrylatkleber oder injizierte Sklerosierungsmittel werden hierfür eingesetzt.
 

Medikamentöse Therapie

Zur oralen medikamentösen Therapie stehen in Deutschland folgende Substanzen mit evidenzbasierter Wirksamkeit zur Verfügung: standardisierter Roter Weinlaubextrakt (AS 195), standardisierter Rosskastanienextrakt und Oxerutin. Eine Wirkung der Venenmedikamente tritt nach etwa 2-4 Wochen kontinuierlicher Einnahmezeit auf.

Worauf sollten Betroffene achten?

Das Tragen von Kompressionsstrümpfen hilft, Symptome von Beinvarizen zu lindern und Komplikationen zu verhindern.

Um den Blutfluss anzuregen und die Beinmuskulatur zu trainieren sollten Betroffene viel Ausdauersport wie Walken, leichtes Joggen, Schwimmen oder Radfahren betreiben. Ebenso sind Wechselbäder mit kaltem und warmem Wasser ein gutes Gefäßtraining. Während sich die venösen Gefäße bei warmen Temperaturen weiten, ziehen sie sich bei kaltem Wasser zusammen. Dadurch bleiben die Gefäße straff und elastisch.

Saunagänge, heiße Vollbäder oder Sonnenbaden sollten jedoch gemieden werden, da zu hohe Temperaturen die Venen stark erweitern.

Damit das venöse Blut leichter aufwärtsfließen kann, können Betroffene nachts die Beine leicht hochlagern. Bei der Kleiderwahl liegen weite Outfits vorn. Enge, abschnürende Kleidung und das Überschlagen der Beine behindern den Blutkreislauf.

Folgen und Komplikationen unbehandelter Krampfadern

Varizen sind nicht nur eine kosmetisches, sondern vor allem ein medizinisches Problem.

Im fortgeschrittenen Stadium spannen die Beine unangenehm oder schwellen im Tagesverlauf an. Es kann zu bleibenden Hautveränderungen, Venenentzündungen oder Geschwüren kommen. Manchmal ist auch eine Venenthrombose die Folge bzw. Ursache. Venenerkrankungen sollten unbedingt zeitnah von einer Ärztin oder einem Arzt behandelt werden, um eine Ausdehnung zu verhindern. Unbehandelt können Varikosen zu einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI) oder Ulcus cruris führen.

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.