Phlebödem: Das häufigste Beinödem im Überblick

Phlebödem: Das häufigste Beinödem im Überblick

Phlebödeme (auch venöse Ödeme) treten häufig aufgrund einer chronisch-venösen Insuffizienz auf. Sie können mit Komplikationen wie einem Phlebolymphödem oder Ulcus cruris venosum einhergehen. Wichtig ist daher eine rechtzeitige Behandlung – nicht nur wegen der Optik.

Was ist ein Phlebödem?

Beim Phlebödem (venöses Ödem) handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung im Gewebe (Stauungsödem) aufgrund einer Erkrankung des Venensystems, wie z. B. bei einer chronisch-venösen Insuffizienz (CVI).1,2 Letztere kann beispielsweise auf ein postthrombotisches Syndrom nach einer tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose zurückgehen. Eine andere häufige Ursache der CVI, und damit des Phlebödems, ist die Varikose („Krampfadern“).1

Das Phlebödem findet sich meistens an den unteren Extremitäten und nur sehr selten an den Armen (beispielsweise nach einer Axillar- oder Subclaviathrombose).2,4 Es ist das häufigste Beinödem.

Grafik von zwei Venen-Querschnitten
Abb. 1: Venenklappeninsuffizienz (r.) als eine Ursache des Phlebödems

Pathophysiologie: So entsteht ein Phlebödem

Ausschlaggebend für die Entstehung einer CVI ist ein anhaltend erhöhter Druck in den Beinvenen (Hypertonus). Dieser kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen:1,5,6

  • Durch Reflux (Rückfluss) bei insuffizient schließenden Venenklappen, wie bei einer Varikose. 
  • Durch Obstruktion (Verschluss / Einengung) der Vene wie zum Beispiel bei einer Thrombose bzw. einem Postthrombotischen Syndrom.6

Außerdem kann bei immobilisierten Patienten oder bei versteiften Gelenken die Muskel- beziehungsweise Gelenkpumpe gestört sein.5 Durch den hohen Druck in den Venen werden diese geweitet und die Fließgeschwindigkeit des Blutes wird herabgesetzt, was die CVI-assoziierten Entzündung der Gefäßwände unterstützt. Der venöse Hypertonus betrifft das gesamte venöse System der unteren Extremitäten, einschließlich der Kapillaren. Dort führt der Druckanstieg zu einer verstärkten Filtration und verminderten Reabsorption interstitieller Flüssigkeit. Wenn das Lymphsystem die größere Flüssigkeitsmenge nicht mehr abtransportieren kann, bildet sich ein Phlebödem (Abb. 1). Daraus können sich im weiteren Verlauf Hautveränderungen wie eine Stauungsdermatitis und schließlich ein Ulcus cruris entwickeln.2

Wesentliche Risikofaktoren der CVI und damit des Phlebödems sind:5

  • Fortgeschrittenes Alter
  • Adipositas
  • Positive Familienanamnese
Varizen - Besenreiser am Oberschenkel

Der Beitrag „Venenerkrankungen“ erläutert unter anderem weitere pathologische Hintergründe und stellt verschiedene Erkrankungsformen vor.

Therapie: Kompression und Venenchirurgie

Die Behandlung des Phlebödems zielt darauf ab, die venöse Hypertonie zu senken. Dazu stehen mehrere Optionen zur Verfügung:5,7,8

  • Kompressionstherapie als Basisbehandlung

Die Kompressionstherapie verengt die pathologisch erweiterten Venen. Sie vermindert den venösen Rückfluss, beschleunigt die Strömungsgeschwindigkeit des venösen Blutes. Dadurch senkt sie den Druck in den Beinvenen und verstärkt die Leistung der Muskelpumpe. Außerdem erhöht die Kompression den Gewebedruck, wodurch die transkapilläre Filtration sinkt. Dazu können medizinische Kompressionsverbände und -strümpfe sowie die intermittierende pneumatische Kompression – einzeln oder in Kombination – eingesetzt werden.5,7,8

  • Venenchirurgie als Kausaltherapie

In einigen Fällen kann eine operative Therapie (Venenchirurgie) der betroffenen Venenabschnitte infrage kommen. Dabei werden klassischerweise die insuffizienten Bereiche der oberflächlichen Venen entfernt („Stripping“). In den letzten Jahren haben sich alternative OP-Methoden, wie die Radiofrequenzablation oder die endovenöse Laserkoagulation, etabliert. Allerdings sind bei allen operativen Verfahren Rezidive möglich.5,7,8

  • Venenpharmaka als Ergänzung

In manchen Situationen wie in den Sommermonaten kann eine ergänzende medikamentöse Therapie mit verschiedenen Venenpharmaka die Kompressionsbehandlung unterstützen – aber nicht ersetzen.8

Muskelwadenpumpe unterstützt die Venenfunktion

Detaillierte Informationen und Therapieempfehlungen finden Sie im Beitrag „Chronisch venöse Insuffizienz (CVI).

Wie häufig sind Phlebödeme?

Das Phlebödem gilt als das häufigste Beinödem.4 Die Suche nach konkreten Zahlen gestaltet sich jedoch schwierig. Denn je nach untersuchter Gruppe sowie Erhebungs- und Einteilungsmethode variieren die Literaturangaben zur Prävalenz der CVI und damit auch des Phlebödems zwischen 6,8 % und 39,7 % bei Männern und zwischen 24,6 % und 41,7 % bei Frauen. 

Grundsätzlich gilt, dass die Prävalenz der CVI mit dem Alter zunimmt.8 In der Bonner Venenstudie wies etwa jeder Dritte der 3.072 Teilnehmenden eine Beinschwellung auf (16,2 % der Männer und 42,1 % der Frauen). Außerdem fand man bei 13,4 % aller Probanden ein eindrückbares prätibiales Ödem.9

Welche klinischen Anzeichen deuten auf ein Phlebödem hin?

Neben der Schwellung sprechen weitere typische klinische Anzeichen für ein Phlebödem:2

  • Eindrückbarkeit / Dellbarkeit vor allem prätibial (vor dem Schienbein gelegen).
  • Häufig: erkennbare Varikosis
  • Mit der Zeit zunehmende Braunfärbung aufgrund einer Ablagerung von Hämosiderin, das durch den Hämoglobin-Abbau in den durch die Blutkapillare ausgetretenen (filtrierten) und zerfallenen Erythrozyten entsteht.

Phlebödeme richtig diagnostizieren

Die genannten klinischen Anzeichen liefern wichtige Anhaltspunkte für die Diagnose eines Phlebödems und der zugrundeliegenden CVI. Zur vollständigen Diagnostik gehören zudem eine sorgfältige Anamnese (inklusive Familienanamnese) und eine klinische Untersuchung (Inspektion und Palpation). Außerdem werden apparative Verfahren eingesetzt, um die Venenfunktion zu untersuchen. Der heutige Goldstandard ist die Duplexsonografie. Sie hat die früher verwendeten Diagnostikmethoden wie die Dopplersonografie und die Photoplethysmographie (PPG) nahezu abgelöst.5,8

Phlebödem oder nicht? – Wichtige Differentialdiagnosen

„Dicke“ Beine können neben einer CVI auch andere Ursachen haben. Die häufigsten Differentialdiagnosen des Phlebödems sind das Lymphödem und das Lipödem.2 Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Ursachen, sondern auch in ihrem klinischen Bild, wie z. B. Hautfärbungen und Stemmer-Zeichen (Tab. 1).

 PhlebödemLymphödemLipödem
Ursacheerhöhter Venendruckgeschädigte LymphgefäßeLipohypertrophie
Betroffenes Geschlechtbeidebeidenur Frauen
Betroffene ExtremitätenBeineBeineBeine, bei einem Drittel auch die Arme
Lokalisationein- oder beidseitigein- oder beidseitigbeidseitig und symmetrisch
Hautfärbungblau-braunnormalnormal
Varikosisjaneinnein
Fuß/Zehen betroffenjajanein
Stemmer-Zeichenanfangs neinjanein
Erysipel-Risikogeringjanein
Stauungsekzemnicht seltenseltennein
Ulzeranicht seltensehr seltennein
Ergebnis der phlebologischen Untersuchungpathologischnormalnormal
Ergebnis der Lymphszintigrafienormalpathologischnormal

Tab. 1: Abgrenzung von Phlebödem, Lymphödem und Lipödem2

Außerdem gibt es Ödem-Mischformen wie das Phlebolymphödem. Es entsteht, wenn ein Phlebödem das Lymphsystem schädigt und es so zu einer sekundären Lymphabflussstörung kommt.7

Prävention: Aktiv werden, bevor es zu einem Phlebödem kommt

Wer Phlebödeme vorbeugen möchte, konzentriert sich am besten auf die primäre Prävention der CVI mit unter anderem diesen Lebensstilveränderungen:8

  • Beeinflussbare Risikofaktoren meiden: zum Beispiel auf ein gesundes Gewicht achten und sich regelmäßig bewegen.
  • Bei langem Stehen oder Sitzen regelmäßig die Wadenmuskelpumpe aktivieren (Beingymnastik, Auf-und-Ab-Wippen).
  • Auf hohe Absätze und Kniestrümpfe mit einschneidenden Bündchen verzichten.

Wenn es bereits zu venösen Veränderungen gekommen ist, sind darüber hinaus weitere Maßnahmen im Sinne einer Sekundärprävention sinnvoll, zum Beispiel:

  • Kompressionsstrümpfe tragen.
  • Beine hochlagern.
  • Bettende hochstellen.
  • Kalte Wassergüsse am Morgen.

Allerdings können sie allein das Fortschreiten der CVI nicht verhindern, sondern sind lediglich eine Ergänzung zur indizierten Therapie.8

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.