Lipödem: Diagnose, Krankheitsbild, Therapie

Lipödem: Diagnose, Krankheitsbild, Therapie

Das Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung an den Beinen und Armen.

Betroffene – meistens Frauen – leiden unter geschwollenen Beinen, einer erhöhten Druckschmerzhaftigkeit und der Neigung zu blauen Flecken. Bewegung, Kompressionstherapie, Lymphdrainage und eine ausgewogene Ernährung können die Lebensqualität der Patientinnen verbessern. Jedoch ist eine dauerhafte Fettgewebsreduktion an den betroffenen Körperregionen nur durch eine Fettabsaugung, der sogenannten Liposuktion, möglich.

Definition: Lipödem

Das Lipödem ist eine chronische und progressive Erkrankung, die durch eine Fettverteilungsstörung mit einem deutlichen Missverhältnis zwischen Körperstamm und Extremitäten gekennzeichnet ist.

Im Krankheitsverlauf kommt es insbesondere an den Beinen und zuweilen auch an den Armen zu einer örtlich begrenzten, symmetrischen Unterhautfettgewebsvermehrung. Ödeme, die durch langes Stehen (auch Orthostase genannt) verstärkt werden, eine Hämatomneigung sowie eine gesteigerte Druckschmerzhaftigkeit sind weitere Charakteristika der Erkrankung 1.

Die Krankheit betrifft beinahe ausschließlich Frauen. Etwa 10% der erwachsenen Frauen in Deutschland erhalten in ihrem Leben die Diagnose „Lipidödem“. Zudem gehen Expertinnen und Experten von einer hohen Dunkelziffer bzw. Zahl der Fehldiagnosen aus. Noch immer wird das Lipidödem schnell übersehen oder Betroffene suchen keine Hilfe, da sie sich selbst als adipös einstufen.

Entstehung und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für den Beginn bzw. das Fortschreiten der Lipidödems sind bis heute nicht hinreichend geklärt.

Hormonelle Einflüsse werden jedoch als wesentliche auslösende Faktoren betrachtet. Krankheitsausbrüche oder Progressionen gehen häufig mit Phasen hormoneller Umstellungen, wie der Pubertät, Schwangerschaft oder den Wechseljahren, einher. Eine genetische Prädisposition, also die erblich bedingte Anlage, spielt eine weitere wichtige Rolle. In einigen Familien sind gehäuft Frauen betroffen 2. Bei Männern tritt ein Lipödem nur selten bei Vorliegen einer ausgeprägten hormonellen Störung auf.

Die genaue Ursache des Lipödems ist unbekannt. Hormonelle Umstellungen gelten aber als eine der bedeutendsten auslösenden Faktoren.

Symptome

Zu den akuten Symptomen eines Lipidödems gehören geschwollene und schwere Beine, eine erhöhte Druckempfindlich- und Druckschmerzhaftigkeit der Haut und eine Neigung zu blauen Flecken.

Für die krankheitstypische Vermehrung des Unterhautfettgewebes ist eine Hypertrophie (Zunahme des Zellvolumens) und Hyperplasie (Zunahme der Anzahl an Fettzellen) verantwortlich. Außerdem sind Veränderungen des Bindegewebes zu beobachten. Die Durchlässigkeit der Kapillaren nimmt in den betroffenen Regionen zu. Dadurch dringt vermehrt Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem in das umliegende Gewebe und die Hämatomneigung steigt. Zusätzlich bilden sich Ödeme, wenn die Wasseransammlungen nicht mehr ausreichend abtransportiert werden können. Folge sind Spannungsgefühle, Schmerzen und eine gesteigerte Druckempfindlichkeit. Das Aneinanderreiben von Hautfalten erhöht das Risiko einer Intertrigo, auch Hautwolf genannt, oder Dermatitis. In den Hautfalten kann zudem eine Pilzinfektion entstehen. Als Langzeitfolge kann ein Lipödem zu einem veränderten Gangbild, zu Fehlstellungen der Gelenke und zu vorzeitigem Gelenkverschleiß führen. Sehr häufig entwickelt sich eine schmerzhafte Kniearthrose.

Diagnose

Die Diagnostik des Lipödems gestaltet sich im klinischen Alltag schwierig, da oft Mischbilder mit anderen Erkrankungen vorliegen (z.B. Lipödem und Adipositas, Lipödem und Lymphödem), deren differentialdiagnostische Abgrenzung uneindeutig sein kann.

Die AWMF S1-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Phlebologie zur Behandlung des Lipödems beschreibt das Vorliegen der folgenden Symptome als charakteristisch für ein Lipödem 1:

  • Beginn mit Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause
  • Disproportionale Fettgewebsvermehrung (Extremitäten-Stamm)
  • Kragen- oder Muffbildung im Bereich der Gelenkregionen - Hände und Füße nicht betroffen
  • Schwere- und Spannungsgefühl der betroffenen Extremitäten
  • Schmerzhaftigkeit bei Druck oder spontan im Tagesverlauf zunehmend
  • Ödeme – im Tagesverlauf zunehmend
  • Hämatomneigung
  • Stemmer-Zeichen negativ

Klassischerweise kann ein Lipödem anhand der Lokalisation und des Fettverteilungsmusters in drei „Typen“ eingeteilt werden:

Oberschenkel-Typ ("Reiterhosen"): Hüften und Oberschenkel sind betroffen.

Unterschenkel-Typ ("Bundhosen"): Hüften, Oberschenkel und zusätzlich Unterschenkel sind betroffen.

Knöchel-Typ ("Pumphosen"): Hüften, Oberschenkel und zusätzlich die Unterschenkel bis zu den Knöcheln sind betroffen. Typisch für den „Knöchel-Typ“ ist der sogenannte Kalibersprung zur angrenzenden gesunden Region. Dabei bilden sich Fettkragen, die am Knöchel herunterhängen.

Das Fettverteilungsmuster betroffener Arme gleicht üblicherweise dem der Beine.
 

Abgrenzung von anderen Erkrankungen

Andere Ursachen der Ödembildung, wie Adipositas, Lipohypertrophie oder Lymphödeme, sollten im Rahmen der Diagnostik ausgeschlossen werden (s. Tabelle 1). Das Lipödem kann beispielsweise diagnostisch von der Adipositas abgegrenzt werden, wenn eine Gewichtsabnahme nicht zu einer Volumenreduktion der betroffenen Extremitäten führt. Ein untrügliches, klinisches Zeichen für das Vorliegen eines Lymphödems ist das Stemmer-Zeichen. Wenn man die Haut am Rücken der 2. Zehe bzw. des Zeigefingers der betroffenen Extremität nicht mit Daumen und Zeigefinger abheben kann, ist das Stemmer-Zeichen positiv.

Lipödem, Lipidödem am Oberschenkel
Lipödem am Oberschenkel, kein Übergewicht am Bauch
Tabelle 1: Klinische Merkmale zur Abgrenzung von Lipödem, Lipohypertrophie, Adipositas und Lymphödem (1, 2)
+ bis +++ vorhanden, (+) möglich, - nicht vorhanden
 LipödemLipohypertrophieAdipositasLymphödem
Fettvermehrung+++++++++(+)
Disproportion++++++(+)+
Ödem+++-(+)+++
Druckschmerz+++---
Hämatomneigung+++(+)--
Beteiligung der Füße und Hände---+

Verlauf

Das Lipödem ist eine chronische fortschreitende Erkrankung, deren Verlauf nur schwer vorhersehbar und individuell unterschiedlich ist. Generell lassen sich drei morphologische Stadien des Lipödems abgrenzen 1:

Stadium 1: Die Fettgewebsvermehrung ist gleichmäßig verteilt. Kleinknotige Fettgewebsvermehrung verdicken das Unterhautfettgewebe, wobei die Hautoberfläche dennoch glatt bleibt.

Stadium 2: Die Knotenbildungen im Fettgewebe gewinnt an Größe. Dadurch entsteht eine unebene Hautoberfläche, die auch als Orangenhaut oder Cellulitis bezeichnet wird.

Stadium 3: Die Fettgewebsvermehrung ist in einem besonderen Maße ausgeprägt. Fettlappen und Fettwülsten haben sich an den Hüften, Oberschenkeln und Knieinnenseiten oberhalb und unterhalb der Kniegelenke gebildet. Die Bewegungsfreiheit der Betroffenen ist eingeschränkt.

Eine Verschlechterung der Symptomatik ist u.a. abhängig durch Begleiterkrankungen und die Lebensweise (z.B. Bewegungsmangel oder Übergewicht). Eine frühe Diagnose und eine begleitende Therapie mildern hingegen den Krankheitsverlauf.

Behandlung und Therapie

Lipödeme sind grundsätzlich nicht heilbar. Ebenso ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich, da die Ätiologie des Lipödems bislang nicht vollständig geklärt ist.

Allerdings kann eine konsequente Therapie, die besonders auf dem Selbstmanagement der betroffenen Personen beruht, die Symptomschwere reduzieren und die Lebensqualität deutlich verbessern.

Liposuktion, Fettabsaugung am Oberarm, Vorher-Nachher-Bild
Fettabsaugung am Oberarm: Zustand vor OP (Liposuktion)
Liposuktion, Fettabsaugung am Oberarm, Vorher-Nachher-Bild
Liposuktion am Oberarm: Zustand nach Fettabsaugung

Konservative Therapie

Die konservative Behandlung des Lipödems basiert auf der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE). Ziele der KPE sind die Mobilisierung von im Gewebe gestauter Flüssigkeit, deren Abtransport über das Lymphgefäßsystem und die Lockerung von verhärtetem Gewebe. Dafür kommt eine Kombination aus Lymphdrainage, Kompressionstherapie, entstauender Bewegungs- und Atemtherapie, Hautpflege und Hautsanierung zum Einsatz. Besonders erfolgversprechend ist die KPE, wenn zusätzlich zu einer Fettverteilungsstörung auch ein Lymphödem vorliegt.

Operative Therapie

Lipödeme lassen sich chirurgisch mit einer Fettabsaugung, der sogenannten Liposuktion, behandeln. Der Eingriff führt über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu einer ausgeprägten Verbesserung der Symptomatik. Gemäß der S1-Leitlinie werden risikoarme, gewebs- und lymphgefäßschonende Techniken empfohlen: die Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) und die Wasserstrahl-assistierte Liposuktion (WAL).

Eine individuelle Behandlung aus physiotherapeutischen Maßnahmen, Sport und Ernährungsanpassung mildern der Krankheitsverlauf. Die dauerhafte Entfernung des krankhaften Unterhautfettgewebes kann nur durch eine Liposektion erzielt werden.

Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA)

Wasserstrahl-assistierte Liposuktion (WAL)

Werden die Kosten einer Liposektion von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet?

Ab Januar 2020 werden in schweren Fällen des Lipödems (Stadium III) die Kosten für die ambulante oder stationäre Fettabsaugung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Dabei gilt grundsätzlich, dass eine Fettabsaugung des Lipödems im Stadium III erst dann durchgeführt werden kann, wenn zuvor eine konservative Therapie nicht zur Linderung der Beschwerden geführt hat. Die konservative Therapie muss mindestens sechs Monate lang durchgeführt worden sein und zum Beispiel Lymphdrainage, Kompression und Bewegungstherapie umfassen 3. Zusätzlich muss der BMI unter 35 sein. Daran scheitert es bei den meisten betroffenen Frauen im Stadium 3 leider.
 

Ernährung bei Lipödem

Eine spezielle Diät für das Lipödem gibt es nicht. Da ein hoher Insulinspiegel den Fettaufbau fördert, scheint eine Ernährung sinnvoll, bei der Blutzuckerspitzen umgangen und ausreichende Pausen zwischen den Mahlzeiten eingelegt werden 1. Eine bedarfsangepasste und vollwertige Ernährung dient zudem der Prävention bzw. Therapie von Übergewicht. Das Lipödem ist zwar nicht durch eine Gewichtsreduktion zu beseitigen, dennoch sollte das Normalgewicht angestrebt werden, da Übergewicht und Adipositas zur Verstärkung der Ödemkomponente beitragen.

Viele Ärztinnen und Ärzte empfehlen auch eine Low-Carb oder ketogene Ernährung. Diese wird auch von vielen Betroffenen empfohlen, die angeben damit deutlich weniger Schmerzen zu haben.
 

Sport bei Lipödem

Viele Patientinnen meiden aufgrund von Schmerzen jegliche körperliche Aktivität. Dennoch kann Sport das Beschwerdebild lindern und das Wohlbefinden steigern. Bei der Wahl der Sportart sollte darauf geachtet werden, dass sie mit gleichmäßigen, weichen Bewegungen verbunden ist, ein geringes Verletzungsrisiko besteht und die Gelenke geschont werden. Geeignete Sportarten sind Schwimmen, Nordic-Walking, Wandern, Radfahren und Aquagymnastik. Auch das Schwingen auf einem Trampolin fördert den Lymphfluss. Sofern möglich, sollte der Sport in Kompression gemacht werden.
 

Psychotherapie bei Lipödem

Betroffene können so stark unter dem vermeintlich optischen Makel der starken Umfangsvermehrung und den Symptomen der Erkrankung leiden, dass sie in Folge Ängste, Depressionen oder Essstörungen entwickeln. Eine psychotherapeutische Unterstützung ist deshalb ein weiterer möglicher Bestandteil der Therapie. Vielen Betroffenen hilft aber auch schon der Austausch in Selbsthilfegruppen.
 

Schmerzen lindern

Schmerzmedikamente bei Lipödem führen zu einer kurzfristigen Linderung der Schmerzsymptomatik. Eine langfristige Hilfe ist sind diese jedoch nicht. Vielmehr sollten Betroffene ihren Lebensstil der Erkrankung anpassen und konservative oder ggf. operative Therapien in Anspruch nehmen. Da die Schmerzen vom Ausmaß der Wassereinlagerungen im Fettgewebe abhängen, sollten ödembildende Faktoren gemieden werden. Dazu gehören Übergewicht, langes Stehen oder Sitzen, Bewegungsmangel oder salzreiche Mahlzeiten.

Video: Lipödem richtig erkennen und behandeln

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Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.