Fallbeispiel: Wund-Dehiszenz und Stomaanlage nach Blasentumor-OP

Geschlecht

Frau

Alter

67 Jahre

Führende Wundursache

Nahtdehiszenz nach Tumoroperation

Diabetes mellitus

ja

Risikofaktoren

eingeschränkte Mobilität, Adipositas Grad 3

Lokalisation der Wunde

Bauch

Infizierte Wunde?

nein

Wundart

chronisch

Wundgrund

Granulation

Wundumgebung

zunächst unauffällig, später trocken und gereizt

Wundrand

unauffällig, Epithelgewebe

Exsudation

stark

Abstrichentnahme

nein

Bauchwunde mit Stomaanlagen – Nach 35 Wochen

Ausgangssituation

Frau L. ist eine verwitwete 67-jährige Frau mit Adipositas Grad III und Diabetes mellitus (noch nicht insulinpflichtig), die an einem muskelinvasiven Plattenepithelkarzinom der Harnblase erkrankt war. Im Februar 2017 erfolgte die radikale Zystektomie (Entfernung der kompletten Harnblase) mit Anlage eines beidseitigen transkutanen Urostoma. In der Folge entwickelte sich eine Dehiszenz der OP-Naht bis zur Faszie mit kleineren Abszessen.

Nach erfolgtem Débridement und Anlage eines Vakuumverbandes (siehe “Therapie”), der die erste Zeit unter Narkose gewechselt wurde, begann die Wundheilung voranzuschreiten und 2,5 Monate nach der OP konnte Frau L. nach Beantragung des Pflegegrad 2 in die häusliche Versorgung entlassen werden. Dort wird sie von ihrer Tochter unterstützt, die mit ihr im gleichen Haus wohnt. Die Wundversorgung wird ab der Entlassung aus der Klinik durch einen erfahrenen Pflegedienst sichergestellt. Da keine Metastasen vorlagen und auch die Lymphknoten nicht befallen waren, entschied Frau L. sich gegen die empfohlene adjuvante (unterstützende) Chemotherapie, diese soll nach einer Operation oder Bestrahlung mögliche Tumorreste bekämpfen.

Frau L. ist durch die Operation und den Krankenhausaufenthalt noch geschwächt und eingeschränkt mobil. Da ihre Wohnung ebenerdig liegt und keine Treppen zu bewältigen sind, wird ein Rollator eingesetzt, damit sie sich im Haus selbständig bewegen kann. Die Grundpflege übernimmt seitdem die Tochter, wobei Frau L. nach und nach ihre Selbständigkeit wieder erlangte.

Diagnose

Therapie

Dokumentierter Wundverlauf

Beim ersten Besuch des pflegerischen Fachexperten stellte sich die Wunde mit gut durchblutetem Granulationsgewebe dar. Die Wunde war 13,8 cm breit, 11,5 cm lang und 0,02 cm tief. Vom glatten unauffälligen Wundrand war die voranschreitende Epithelisierung gut zu erkennen. Die Exsudation war stark, klar, serös und geruchlos. Die Umgebungshaut wie auch die Stomaanlagen waren soweit unauffällig. Frau L. hatte keine Schmerzen beim Verbandwechsel (Foto 1). Die Wundreinigung erfolgte mit einer sterilen Wundspüllösung und aufgrund der starken Exsudation wurde die Wunde mit einem Superabsorber verbunden, der mit einem Fixiervlies fixiert und alle zwei bis drei Tage gewechselt wurde.

Nach 14 Tagen hatte sich die Wunde zwar verkleinert (11 cm breit, 8,8 cm lang und 0,02 cm tief), allerdings war der Wundgrund vollständig mit Biofilm belegt. Die Exsudation hatte deutlich zugenommen,  war inzwischen gelblich trüb und immer noch geruchlos. Der Wundrand war weiterhin unauffällig, die Umgebungshaut war feucht und wies Exsudatrückstände auf. Bei 10:00 – 12:00 Uhr waren gerötete Hautstellen zu sehen (Foto 2).

Fortwährende Optimierung der Wundversorgung

Die Fixierung des Wundverbandes war durch die Bauchfalten und die Stomaanlagen erschwert und hielt nicht richtig. Beim Aufstehen und Herumgehen lösten sich immer mal wieder Ecken der Fixierung und es musste nachgeklebt werden.

Wegen der massiven Exsudation musste der Verbandwechsel alle 1-2 Tage erfolgen. Aufgrund der vorgefundenen Wundverhältnisse wurde die Versorgung weiter optimiert. Der Biofilm wurde nun durch eine gründliche mechanische Wundreinigung mit einem Antiseptikum manuell entfernt und die Umgebungshaut gründlich gesäubert. Anschließend wurde ein Wundrandschutz (reizfreie Flüssigkeit, die auf der Haut einen transparenten und atmungsaktiven Hautschutzfilm bildet) aufgetragen. Auf den Wundgrund wurde PHMB 0,04% Macrogol Creme aufgetragen, die Abdeckung erfolgte weiterhin mit einem Superabsorber, die Fixierung mit einem Fixiervlies. Der Verbandwechsel erfolgte eine Woche lang täglich, danach konnte das Intervall aufgrund der nachlassenden Exsudation auf alle 2 Tage verlängert werden.

Nach einem Monat wurde die Wundreinigung dann wieder mit einer Wundspüllösung durchgeführt und auf das Auftragen der PHMB 0,04% Macrogol Creme verzichtet, ansonsten funktionierte die Versorgung gut, auch wenn die Wundheilung sehr langsam fortschritt.

Wir benötigen Ihre UnterstützungFallbeispiele gesucht

Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige Informationen zu Wunden auf dunkler Haut. Auch Bilder von Wundsituationen, die zu einer besseren Aufklärung bei Fachpersonen beitragen können, sind schwer zu bekommen. Wenn Ihnen entsprechende Fälle in der Praxis begegnen und auch Ihre Patienten mit einer anonymisierten Wunddokumentation einverstanden sind, würden wir uns freuen, wenn Sie mit uns in Kontakt treten.

Email schreiben

Herausforderung - Fixierung der Wundversorgung bei zunehmender Mobilität

8 Wochen später war die Wunde 9,6 cm breit und ebenso lang, sowie 0,02 cm tief. Am Wundgrund war wieder Biofilm erkennbar und die weiterhin geruchlose, klare Exsudation hat wieder zugenommen. Die Umgebungshaut zeigte sich deutlich gerötet und an einigen Stellen in den Falten eingerissen (Foto 3). Dadurch, dass Frau L. stetig mobiler wurde, zeigten sich die Probleme bei der Fixierung an dieser Körperstelle mit den Bauchfalten und Stomaanlagen immer deutlicher. Zudem wurde die Haut durch die vielen Verbandwechsel empfindlicher.

Um die Dichtigkeit des Verbandes zu gewährleisten und damit Frau L. in ihrer Mobilität zu unterstützen, erhielt sie ein individuell angepasstes Mieder, in welches Stoma-Ausschnitte eingearbeitet wurden (Fotos 4+5). Nun wurde die Umgebungshaut gut gereinigt. Anschließend wurde sehr dünn eine pflegende Creme einmassiert. So konnte diese bis zum Ende des Verbandwechsels einziehen und die Fixierung trotzdem haften. Die gründliche Wundreinigung erfolgte nun wieder mit einem Antiseptikum. Der Wundrand wurde weiterhin mit einem Präparat zum Wundrandschutz versorgt. Erneut wurden eine PHMB 0,04% Macrogol Creme angewendet und ein Superabsorber und Fixierung mit Fixiervlies angelegt. Der Verbandswechsel sollte ab jetzt alle 2 Tage, später wenn möglich alle 3 Tage erfolgen. Der Einsatz des Mieders zeigte einen guten Erfolg bei der Stabilität des Verbandes. Das führte dazu, dass der Biofilm verschwand, sodass die Wundreinigung dauerhaft mit einer Wundspüllösung erfolgen konnte. Die Wundversorgung wurde, nach guter Hautpflege ohne PHMB 0,04% Macrogol Creme, dann mit einem Wundrandschutz, Superabsorber und Fixiervlies durchgeführt. Das Wechselintervall konnte zwischenzeitlich auf alle 4 Tage ausgedehnt werden.

Therapie der Risikofaktoren für die Wundheilung

Ein halbes Jahr später war die Wundsituation stabil bei einer Wundgröße von 9,1 cm Breite, 7,8 cm Länge und auf Hautniveau. Die Epithelisierung vom Wundrand schritt weiter langsam voran. Die Exsudation war wenig geworden. Die pflegerischen Maßnahmen an der Umgebungshaut zeigten Erfolg. Die Haut war reizlos und unauffällig mit Narbengewebe (Foto 6). Die Wundversorgung wurde beibehalten und Frau L. trug auch weiterhin das Mieder. Das langsame Voranschreiten der Wundheilung hing auch mit dem Diabetes mellitus zusammen. Da sich der Allgemeinzustand von Frau L. und die psychische Verfassung insgesamt deutlich verbessert hatten, wurde das Thema der Diabeteseinstellung und Ernährung nun angesprochen. Bei einem aktuellen HbA1c von 7,8 wurde Frau L. empfohlen, sich bei einer diabetischen Schwerpunktpraxis vorzustellen und dort auch eine Schulung in Anspruch zu nehmen und ihre Ernährung entsprechend anzupassen. 

Weitere sieben Monate später zeigte sich zwar eine Verbesserung der Diabeteswerte (HbA1c liegt bei 6,7), diese waren aber noch lange nicht optimal oder stabil und störten weiterhin die Wundheilung. Die Wunde hatte sich in dieser Zeit zwar stetig, aber nur wenig verkleinert auf eine Breite von 6,1 cm und Länge von 7,5 cm auf Hautniveau. Die Epithelisierung vom unauffälligen Wundrand war sehr deutlich zu erkennen. Die klare geruchlose Exsudation war weiterhin wenig vorhanden und die Hautverhältnisse waren unauffällig. 

Frau L. kommt mit der Situation inzwischen sehr gut zurecht und wird zunehmend selbständiger. Die regelmäßige Versorgung der Wunde durch den Pflegedienst ist ihr zwar nicht angenehm, sie weiß aber, dass die Wundheilung noch weitere Zeit in Anspruch nehmen wird und bleibt optimistisch, dass die Wunde irgendwann abheilt.

Neue PräsenzfortbildungWundversorgung für Fortgeschrittene

Sie wollen zusammen mit praxiserfahrenen Moderatorinnen und wunderfahrenen Kolleginnen tiefer in konkrete Fallbeispiele einsteigen? Dann besuchen Sie unsere neue Präsenzfortbildung und bringen Sie Ihr Wissen ein.

Jetzt anmelden!
Bauchwunde mit Stomaanlagen – Beginn der Behandlung
Bild 1: Beginn der Behandlung durch den ambulanten Pflegedienst (Tag 1)
Bauchwunde mit Stomaanlagen – nach 14 Tagen
Bild 2: Nach knapp 2 Wochen (Tag 13)
Bauchwunde mit Stomaanlagen – nach 10 Wochen
Bild 3: Nach etwa 10 Wochen (Tag 69)
Bauchwunde_mit_Stomaanlagen – Zusätzliche Fixierung mit speziellem Mieder
Bild 4: Zusätzliche Fixierung mit speziellem Mieder
Bauchwunde mit Stomaanlagen – Zusätzliche Fixierung mit speziellem Mieder
Bild 5: Zusätzliche Fixierung mit speziellem Mieder
Bauchwunde mit Stomaanlagen – Nach 35 Wochen
Bild 6: Nach 35 Wochen (Tag 282)

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.