Fallbeispiel: Diabetisches Fußulcus mit freiliegender Faszie

Geschlecht

Mann

Alter

79 Jahre

Führende Wundursache

Diabetisches Fußulcus

Diabetes mellitus

ja

Risikofaktoren

zeitweise Entgleisung des Diabetes mellitus, periphere Neuropathie (sensorisch und autonom)

Lokalisation der Wunde

Fuß links, plantar

Infizierte Wunde?

nein

Wundart

chronisch

Wundgrund

Faszie, Granulationsgewebe

Wundumgebung

nach Abtragen von Hyperkeratosen unauffällig

Wundrand

wulstig, eingekerbt

Exsudation

viel

Abstrichentnahme

nein

Ausgangssituation

Da sich seine Wunde in den drei Monaten seit Bestehen immer weiter vergrößert hat, stellt sich Herr M. auf Drängen seines Bruders (Allgemeinmediziner) vor.

Diabetisches Fußulcus, ca. 5 cm breit, 4,5 cm lang und ca. 1,5 cm tief
Diabetisches Fußsyndrom

Fußwunden sind ein häufig auftretendes Problem bei Diabetikern und können ernste Konsequenzen bis hin zu Amputationen haben. Hier lesen Sie mehr zum Diabetischen Fußsyndrom.

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Anamnese

  • Herr M. (79) leidet seit über 15 Jahren an einem Diabetes mellitus Typ 2.
  • HbA1c-Wert ist deutlich zu hoch, da er immer wieder Phasen hat, in denen er die Krankheit nicht so ernst nimmt.
  • Es gibt Phasen, in denen er sich sehr diszipliniert um Ernährung und Bewegung kümmert.
  • Inzwischen leidet er unter einer deutlichen peripheren Neuropathie ohne Schmerzen, aber mit sehr eingeschränkter Sensomotorik in beiden Füßen.
  • Herr M. war vor seiner Berentung Bauingenieur.
  • Er lebt schon immer allein, hat aber eine enge Bindung an seinen etwas jüngeren Bruder (Allgemeinmediziner mit eigener Praxis), der ihn auch in gesundheitlichen Belangen unterstützt.
  • Herr M. hat sich bei einer Wanderung vor 3 Monaten vermutlich durch einen nicht bemerkten Stein im Schuh unter der Fußsohle verletzt.
  • Die Wunde wurde mit sterilen Verbandstoffen versorgt und hat sich bisher nicht infiziert. Da allerdings keine ausreichende Druckentlastung erfolgte, hat sich die Wunde insgesamt vergrößert und reicht inzwischen bis zur sichtbaren Faszie.

Diagnose/Verdachtsdiagnose

  • Diabetisches Fußulcus, links plantar, Wagner-Armstrong 2 A

Therapie

  • Neben der weiterhin fortgeführten Wundversorgung mittels PU-Schaum ist hier die Druckentlastung der wichtigste Faktor in der Therapie.
  • Aufgrund der Größe und Ausdehnung der Wunde (ca. 5 cm breit, 4,5 cm lang und ca. 1,5 cm tief bis zur Faszie; Bild 1) wird mit Herrn M. die Anpassung eines TCC (Total Contact Cast) besprochen.
  • Nachdem Herr M. sich auch mit seinem Bruder (Allgemeinmediziner) beraten hat, war er einverstanden, diese Therapie durchzuführen.
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Dokumentierter Wundverlauf

Bis zur Anlage des TCC (Total Contact Cast), neun Tage nach der Erstvorstellung (Bild 1), wird Herr M. gebeten, ab sofort mit Unterarmgehstützen zu laufen und so wenig wie möglich aufzutreten. Die Wunde stellt sich dann bei Anlage des TCC im Grunde unverändert dar (Bild 2). Die Faszie ist weiterhin deutlich zu sehen, daneben ist wenig Granulationsgewebe erkennbar, es gibt mäßig klare Exsudation.

Der Wundrand ist weiterhin etwas wulstig und leicht eingekerbt, die Wundumgebung ist nach Abtragen der vorhandenen Hyperkeratosen unauffällig. Die Haut insgesamt ist etwas trocken und vor allem an den Hornhautstellen leicht rissig. Die Wundversorgung erfolgt weiterhin mit einem PU-Schaum. Die Umgebungshaut wird mit einem ureahaltigen Schaum gepflegt. Auch das Verbandwechselintervall von 3 Tagen wird beibehalten.

Zwei Wochen nach Anlage des TCC hat sich die Wunde schon deutlich verändert (Bild 3). Länge und Breite betragen inzwischen nur noch etwa 2,5 cm, die Tiefe wird mit 0,5 cm angegeben. Über der Faszie ist teilweise Granulationsgewebe sichtbar. Die Exsudation hat etwas zugenommen, ist aber weiterhin klar und serös. Der Wundrand ist dadurch an einigen Stellen etwas mazeriert. Es ist deutlich zu sehen, dass keine Hyperkeratosen mehr entstanden sind. Die Wundversorgung wird bei Verkürzung des Intervalls auf alle 2 Tage beibehalten. Neben der Hautpflege erfolgt nun auch ein spezieller Wundrandschutz mit einem atmungsaktiven Hautschutzfilm.

Im Laufe der nächsten 1,5 Monate verkleinert sich die Wunde erheblich (Bild 4). Sie wird nun mit 1,5 cm in Länge und Breite und ohne Tiefe angegeben. Das Granulationsgewebe bedeckt die Faszie vollständig und vom unauffälligen Wundrand ist die Epithelisierung deutlich erkennbar. Eine Exsudation ist kaum vorhanden. Der TCC muss nicht mehr getragen werden, allerdings erfolgt bis zum vollständigen Wundverschluss ein druckentlastendes Filzen der Fußsohle. Die Wundversorgung findet weiterhin mit einem PU-Schaum statt und es wird umgestellt auf ein Verbandwechselintervall von 3 Tagen.

Nach etwa 2,5 Monaten ist nur noch ein sehr kleiner oberflächlicher Defekt von 1 cm Länge und 0,8 cm Breite zu sehen. Der Wundgrund besteht aus Granulationsgewebe, die Epithelisierung schreitet weiter voran (Bild 5). Die Therapie wird fortgeführt und das Verbandwechselintervall wird auf 5 Tage verlängert. Außerdem wird die Anpassung von speziellen diabetesadaptierten Einlagen veranlasst.

Unter dieser angepassten Therapie ist die Wundheilung einen weiteren Monat später abgeschlossen (Bild 6). Herr M. hat im Behandlungszeitraum erneut sehr motiviert an Diabetesschulungen zu Ernährung, Fußgesundheit und Bewegung teilgenommen. Sein Diabetes ist aktuell optimal eingestellt, er wird regelmäßig podologische Komplexbehandlungen in Anspruch nehmen und ist darüber informiert, wie er sich vor einem Rezidiv schützen kann.

Diabetisches Fußulcus, ca. 5 cm breit, 4,5 cm lang und ca. 1,5 cm tief
24.11.2020: ca. 5 cm breit, 4,5 cm lang und ca. 1,5 cm tief bis zur Faszie
Diabetisches Fußulcus – wenig Granulationsgewebe
03.12.2020: wenig Granulationsgewebe, mäßig klare Exsudation, wulstiger Wundrand, unauffällige Wundumgebung
 Diabetisches Fußulcus mit Granulationsgewebe
17.12.2020: ca. 2,5 cm lang und breit, ca. 0,5 cm tief; über der Faszie ist teilweise Granulationsgewebe sichtbar
Diabetisches Fußulcus mit Epithelisierung
09.02.2021: Wunde ist 1,5 cm lang und breit; Tiefe ist nicht angegeben; Granulationsgewebe bedeckt Faszie vollständig, Epithelisierung ist deutlich erkennbar und kaum Exsudation vorhanden
Diabetisches Fußulcus – Epithelisierung schreitet weiter voran
27.04.2021: kleiner oberflächlicher Defekt von 1 cm Länge und 0,8 cm Breite; Wundgrund besteht aus Granulationsgewebe, die Epithelisierung schreitet weiter voran
Diabetisches Fußulcus – Wundheilung ist abgeschlossen
18.05.2021: Wundheilung ist abgeschlossen, Diabetes ist optimal eingestellt

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt und nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.