Fallbeispiel: Fersendekubitus

Während der operativen Versorgung eines Oberschenkelhalsbruchs kam es zu Komplikationen, sodass ein 81-jähriger Patient mit COPD und Herzinsuffizienz intensivmedizinisch behandelt werden musste. Aufgrund unzureichender Mobilisierung entstand hierbei ein Fersendekubitus der Kategorie 3. Wie konnte die Wunde geheilt werden? Welche Rolle spielten die Vorerkrankungen und Motivation des Patienten? Das erfahren Sie in unserem Fallbeispiel.

Geschlecht

Mann

Alter

81 Jahre

Führende Wundursache

Dekubitus der Kategorie 3 nach EPUAP

Diabetes mellitus

nein

Risikofaktoren

Immobilität, COPD, Herzinsuffizienz

Lokalisation der Wunde

Ferse links

Infizierte Wunde

nein

Wundart

chronisch

Wundgrund

Fibrinbeläge, Granulationsgewebe, Biofilm

Wundumgebung

trockene Haut

Wundrand

teilweise mazeriert

Exsudation

stark, schleimig-trüb, geruchlos

Abstrichentnahme

nein

Ausgangssituation

Infolge eines altersbedingten Sturzes zog sich der Patient Herr P. einen Oberschenkelhalsbruch zu, welcher mit einer Totalendoprothese (TEP) versorgt wurde. Aufgrund einer bereits bestehenden COPD sowie einer neu aufgetretenen Herzinsuffizienz kam es dabei zu Komplikationen, sodass Herr P. nach der Operation für etwa 1,5 Wochen intensivmedizinisch versorgt und beatmet werden musste. Im Anschluss wurde er für weitere 3 Wochen auf einer chirurgischen Station behandelt. Aufgrund der Schmerzsituation und des reduzierten Allgemeinzustands konnte im Krankenhaus keine ausreichende Mobilisierung erreicht werden, sodass bei Herrn P. ein Fersendekubitus an der linken Ferse entstand. Auf Wunsch des Patienten und seiner Ehefrau erfolgte dennoch eine Entlassung in die Häuslichkeit, wo Herr P. durch einen von seinen Kindern organisierten Pflegedienst versorgt und von seiner Familie unterstützt wurde.

Anamnese

Diagnose

Therapie

Totalendoprothese (TEP)

Unter einer Totalendoprothese versteht man einen künstlichen Gelenkersatz, bei dem das komplette Gelenk ersetzt wird. Die TEP umfasst sowohl den Gelenkkopf als auch die Gelenkpfanne und grenzt sich damit von Hemiendoprothesen (HEP) ab, welche nur einen Teil des Gelenks ersetzen.

Dokumentierter Wundverlauf

Bei der Übernahme von Herrn P. in die häusliche Versorgung waren er und seine Familie zunächst sehr erleichtert, dass er wieder zu Hause ist. Herr P. konnte sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vorstellen, sein Bett wieder zu verlassen, da er noch sehr geschwächt war. Nach der Lieferung eines Pflegerollstuhls konnte er jedoch zumindest wieder am Familienleben teilnehmen, was seine Motivation etwas steigerte.

Der Dekubitus an seiner linken Ferse wurde als Kategorie 3 nach EPUAP klassifiziert und wies eine Länge von 6,3 cm und eine Breite von 4 cm auf (Foto 1). Am Wundgrund zeigten sich Granulation, Fibrin und Biofilm. Der Wundrand war stellenweise mazeriert, die Wundumgebung trocken und teilweise schuppig. Zu diesem Zeitpunkt exsudierte die Wunde viel schleimig-trübes, geruchloses Exsudat. Herr P. litt unter starken Schmerzen (VAS 5), die bei Berührung der Wunde noch weiter zunahmen (VAS 7).

Die Wunde wurde zunächst mit einer Wundspüllösung und Kompressen vorsichtig gereinigt. Anschließend wurde ein selbstklebender Schaumverband angelegt, der alle 2 Tage gewechselt wurde. Es wurde zu diesem Zeitpunkt leider versäumt, eine adäquate Druckentlastung vorzunehmen. Zumindest seine COPD machte Herrn P. zu diesem Zeitpunkt aber kaum Beschwerden und auch die Herzinsuffizienz war medikamentös gut eingestellt, sodass die Vorerkrankungen die Wundheilung nicht beeinträchtigten.

Nach etwa 3,5 Wochen hatte sich die Wundsituation verbessert (Foto 2). Die Wunde war noch 5,1 cm lang und 2 cm breit. Der Wundgrund wies mehr Granulationsgewebe auf, Fibrinbelag und Biofilm waren rückläufig. Der Wundrand war in Teilen noch mazeriert, aber überwiegend intakt. Die Umgebungshaut war unverändert trocken und schuppig und die weiterhin schleimig-trübe, geruchlose Exsudation war schwächer geworden. Leider konnte ein geplanter Termin beim Schmerztherapeuten noch nicht realisiert werden, sodass weiterhin auf eine Bedarfsmedikation durch den Hausarzt gesetzt wurde. Diese konnte zu einer Schmerzreduktion führen (Dauerschmerz VAS 4, bei Berührung VAS 5). Eine Visite durch einen Schmerztherapeuten sollte telemedizinisch organisiert werden.

Herr P. trug zu diesem Zeitpunkt seit einer Woche zusätzlich zur bisherigen Therapie sowohl tagsüber als auch nachts einen druckentlastenden Fersenschuh. Außerdem hatte er vor wenigen Tagen eine Physiotherapie begonnen. Auch war seine Stimmung inzwischen deutlich aufgehellt. Eine Mobilisierung in den Pflegerollstuhl erfolgte zweimal täglich. Aufgrund des bisher positiven Heilungsverlaufs wurde die Versorgung von Herrn P. unverändert weitergeführt.

Nach weiteren 2 Wochen war die Wundheilung weiter vorangeschritten (Foto 3). Die Wunde wies nun eine Länge von 3,6 cm und eine Breite von 1,3 cm auf. Ein großer Teil der Wunde war inzwischen mit Epithelgewebe überzogen, sodass nur noch zwei kleinere Wunden zu erkennen waren. Der Wundgrund bestand mehrheitlich aus Granulationsgewebe, Fibrin war nur noch vereinzelt zu erkennen. Der Wundrand war jetzt vollständig intakt, die Umgebungshaut weiterhin trocken und schuppig. Die mäßige Exsudation war weiter schleimig-trüb und geruchlos. Zudem war inzwischen eine angepasste Schmerzmedikation durch einen Schmerztherapeuten veranlasst worden, sodass der empfundene Dauerschmerz (VAS 2) und Berührungsschmerz (VAS 3) weiter abgenommen hatten. Die Schmerzen wurden inzwischen gut toleriert.

Visuelle Analogskala (VAS)

Die Visuelle Analogskala dient der Messung subjektiver Empfindungsstärken, z.B. für Schmerzen oder Juckreiz. In diesem Fallbeispiel dient sie der Schmerzeinschätzung. Ein Wert von 0 entspricht dabei keinem empfundenen Schmerz, während 10 die stärkste vorstellbare Schmerzempfindung darstellt.

Die Wundversorgung wurde daraufhin mit einem auf 3 Tage verlängerten Verbandswechselintervall weitergeführt. Da Herr P. die Transfers in den Pflegerollstuhl inzwischen gut unterstützen konnte, war die Mobilisation für alle Beteiligten deutlich einfacher geworden. Die pflegerische Fachexpertin führte eine ausgiebige Edukation zur Hautpflege durch, woraufhin seine Ehefrau und sein Sohn darauf achten wollten, die Füße von Herrn P. häufiger einzucremen.

Weitere 2 Wochen später hatte sich die Wunde weiter verkleinert und war nun 1,1 cm lang und 0,8 cm breit (Foto 4). Am Wundgrund waren deutlich Granulations- und teilweise Epithelgewebe erkennbar. Eine der beiden kleineren Wunden war inzwischen vollständig geschlossen. Die Exsudation hatte inzwischen deutlich abgenommen und es gab nur noch wenig bis gar kein Exsudatsaufkommen. Am intakten Wundrand und auf der trocken-schuppigen Wundumgebung waren aufgrund einer gestiegenen Belastung der Ferse teilweise leichte Hyperkeratosen erkennbar. Schmerzen gab Herr P. aufgrund der gut eingestellten Medikation nicht mehr an.

Die Versorgung wurde unter Verlängerung des Verbandswechselintervalls auf 4 Tage beibehalten. Sowohl Herr P. als auch seine Angehörigen beschrieben ihre Lebensqualität inzwischen als deutlich verbessert, auch abseits der Wundsituation. Mit Unterstützung waren Herrn P. nun auch Transfers auf die Toilette sowie die Teilnahme am Alltag möglich, auch wenn er weiterhin auf den Pflegerollstuhl angewiesen war. Von der pflegerischen Fachexpertin wurde Herr P. darauf hingewiesen, seine Füße im Sitzen und Liegen möglichst wenig Druck auszusetzen. Insbesondere war hier wichtig, mithilfe des Fersenschuhs für eine nächtliche Druckentlastung an der Ferse zu sorgen.

Die vollständige Heilung der Wunde konnte weitere 12 Tage später erreicht werden (Foto 5). Die Haut wirkte gepflegt, auch wenn noch einige wenige Hyperkeratosen und gerötete Hautstellen erkennbar waren. Die pflegerische Fachexpertin riet nun zur regelmäßigen Behandlung durch einen Podologen. Dabei sollten möglichst die Hautpflegeprodukte weiterverwendet werden, die Herr P. bisher gut vertragen hatte.

Dekubitus-Klassifikation

Die Dekubitus-Klassifikation nach EPUAP sieht 4 Kategorien vor. Dabei entspricht Kategorie 1 dem niedrigsten (Rötung bei intakter Haut) und Kategorie 4 dem höchsten Schweregrad (totaler Gewebsverlust). Kategorie 3 bedeutet, dass es sich um einen Dekubitus mit vollständigem Verlust der Haut handelt. Mehr zur Dekubitus-Klassifikation lesen Sie in unserem Artikel.

Artikel: Dekubitus-Klassifikation
Foto 1: Ausgangssituation (Tag 1)
Foto 2: Wundsituation nach 3,5 Wochen (Tag 24)
Foto 3: Deutlich verkleinerte Wunde (Tag 38)
Foto 4: Wunde mit Epithelgewebe (Tag 52)
Foto 5: Vollständig verheilte Wunde (Tag 64)

Das Online-Seminar zum Fallbeispiel

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Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt.