Fallbeispiel: Venöses Ulcus cruris

Ein Ulcus cruris venosum ist mehr als nur eine offene Wunde – es erzählt auch die Geschichte von Begleiterkrankungen und alltäglichen Herausforderungen. Im Fall von Frau D., einer resoluten 76-jährigen Rentnerin, treffen Diabetes mellitus, Parkinson und Mobilitätseinschränkungen auf eine komplexe Wundsituation, die gezielte Pflege und viel Fingerspitzengefühl verlangt. In diesem Fallbeispiel begleiten wir Frau D. von den ersten Schritten der Wundversorgung bis zur erfolgreichen Abheilung.

Lesedauer: ca. 5 Minuten 

Geschlecht

weiblich

Alter

76 Jahre

Diabetes mellitus

ja

Risikofaktoren

eingeschränkte Mobilität durch Parkinsonerkrankung, Z. n. akutem Nierenversagen

Wundursache

chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)

Lokalisation

Unterschenkel rechts, ventral und lateral

Wundart

chronisch

Wundgrund

Fibrin, Biofilm

Wundumgebung

ödematös, trockene Haut

Wundrand

ödematös, stellenweise mazeriert

Exsudation

stark

Abstrichentnahme

ja, Enterobacter nachgewiesen

Ausgangssituation

Die 76-jährige Frau D. leidet seit einem halben Jahr zunehmend an geschwollenen Unterschenkeln, die zeitweise mit Diuretika behandelt wurden. Als sie aufgrund eines Harnwegsinfekts ein akutes Nierenversagen erlitt, fielen in der Klinik mehrere tiefe Wunden an ihrem rechten Unterschenkel auf. Da ein Abstrich Enterobacter nachweisen konnte, wurde Frau D. mit Antibiotika behandelt. Es erfolgte zudem eine gefäßmedizinische Diagnostik, die keine Anzeichen für eine Thrombose oder Durchblutungsstörung ergab. Als Ursache für die Ödembildung wurde die Veränderung des Gangbilds im Rahmen von Frau D.s Parkinsonerkrankung angenommen. Durch die eingeschränkte Bewegung wird die Muskelvenenpumpe nicht mehr ausreichend aktiviert. So hat sich ein eiweißreiches Inaktivitätsödem gebildet.

Neben der Wundversorgung wurde in der Klinik auch eine Entstauungstherapie begonnen. Nach zwei Wochen konnte Frau D. aus der Klinik entlassen werden. Auf ihren Wunsch hin werden die weitere Kompressionstherapie und Wundversorgung in Absprache mit der Klinik und dem Hausarzt in einer spezialisierten pflegerischen Einrichtung erfolgen. Die ersten Termine wurden bereits vor der Krankenhausentlassung vereinbart. In dieser Einrichtung wird Frau D. nun vorstellig.

Anamnese

Diagnose

Therapieüberblick

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Der Wundverlauf auf einen Blick

Foto 1: Ausgangssituation (04.09.2023)
Foto 2: Schon nach wenigen Tagen deutlich schlankerer Unterschenkel (08.09.2023)
Foto 3: Die Wundsituation ist zu diesem Zeitpunkt noch unverändert (08.09.2023)
Foto 4: Deutlich verkleinerte Wunden (09.10.2023)
Foto 5: Vollständig abgeheilte Wunden (06.12.2023)

Behandlungs- und Heilungsverlauf

Am 2. Tag nach ihrer Entlassung aus der Klinik stellt sich Frau D. erstmalig in der spezialisierten pflegerischen Einrichtung durch. Im Anschluss an das Erstgespräch werden die Beine von Frau D. begutachtet. Es zeigen sich beidseits geschwollene Unterschenkel:

  • Umfang rechte Wade: 400 mm
  • Umfang rechter Knöchel: 272 mm
  • Umfang rechter Vorfuß: 235 mm
  • Umfang linke Wade: 370 mm
  • Umfang linker Knöchel: 272 mm
  • Umfang linker Vorfuß: 235 mm

Am rechten Unterschenkel sind ventral drei nebeneinanderliegende Wunden erkennbar, die jeweils 2-3 cm lang und breit und bis zu 1,7 cm tief sind (Foto 1). Lateral ist eine weitere kleinere Wunde sichtbar, die ca. 1,1 cm lang und 0,8 cm breit ist. Alle vier Wunden sind mit Fibrin und Biofilm belegt. Die Wundränder sind etwas ödematös und teilweise leicht mazeriert. Die Umgebungshaut ist sehr trocken und teils schuppig. Das Wundexsudat ist serös und geruchlos. Schmerzen hat Frau D. nur bei der Wundreinigung (Visuelle Analogskala 2). 

Wundversorgung:

  • Dreimal wöchentlicher Verbandwechsel, zweimal mit manueller Lymphdrainage, einmal mit Einsatz eines Gerätes zur intermittierenden Kompression
  • Wundreinigung mit Wundspüllösung, sterilen Kompressen und Pinzette
  • Einmassieren von Zinkcreme in den Wundrand, Pflege der Umgebungshaut mit ureahaltiger Creme
  • Einlegen von Baumwollgaze mit 0,2 mg PHMB als Wundfüller, Abdeckung mit einem großen Superabsorber (20 x 40 cm), Fixierung mit einer Mullbinde
  • Anlegen eines Mehrkomponentenkompressionssystems an beiden Beinen 

Schon nach dem zweiten Verbandwechsel sind die Unterschenkel deutlich schlanker und die Umgebungshaut wirkt gepflegter (Foto 2 und 3):

  • Umfang rechte Wade: 375 mm
  • Umfang rechter Knöchel: 249 mm
  • Umfang rechter Vorfuß: 228 mm
  • Umfang linke Wade: 362 mm
  • Umfang linker Knöchel: 241 mm
  • Umfang linker Vorfuß: 225 mm

Es sind nun jedoch leichte Ödeme im Knie- und Oberschenkelbereich erkennbar. Neben der bisherigen Therapie, die fortgeführt wird, werden deshalb auch dort moderate Oberschenkelkompressionsverbände (Schlauchverband, Polsterwatte und eine unter leichtem Druck angelegte Fixierbinde) angelegt.

Frau D. erzählt, dass sie viel Zeit am Computer verbringt und dabei zuweilen im Sitzen einschläft. Daraufhin werden ihr die Zusammenhänge zwischen Lymphabfluss und Sitzposition noch einmal anschaulich erklärt. Es wird Frau P. empfohlen, ihre Computerzeiten vorübergehende einzuschränken sowie zwischenzeitig immer wieder aufzustehen und Fußgymnastik durchzuführen. Zudem wird ihr nahegelegt, Zeiten einzuplanen, in denen sie die Beine hochlegt, etwa in einem entsprechenden Sessel oder im Bett, wo auch das Einschlafen kein Problem wäre.

Einen Monat später ist ventral noch eine kleine Wunde von etwa 1 cm Länge und Breite und 0,3 cm Tiefe zu sehen. Aus den beiden anderen Wunden ist inzwischen eine Wunde geworden, die ca. 3 cm lang, 1,2 cm breit und 0,5 cm tief ist (Foto 4). Es ist überwiegend Granulationsgewebe mit Fibrinresten erkennbar. Die Wundränder sind unauffällig und es zeigt sich eine beginnende Epithelisierung. Die Umgebungshaut ist etwas trocken, aber gepflegt und die Exsudation ist leicht zurückgegangen.

Wundversorgung:

  • Der Wundrandschutz und Wundfüller werden nicht mehr benötigt
  • Die Wunden werden weiter mit einem Superabsorber versorgt, allerdings in 10 x 20 cm statt 20 x 40 cm
  • Fixierung und Kompressionstherapie werden unverändert beibehalten
  • Verbandwechsel und manuelle Lymphdrainage zweimal wöchentlich 

Insgesamt schreitet die Wundheilung eher langsam voran. Frau D. versucht zwar, sich zu disziplinieren, regelmäßig Fußgymnastik durchzuführen und ihre Computerzeiten einzuschränken, damit sie die Beine zwischenzeitig hochlegen kann, doch sie verbringt nach wie vor viel Zeit im Sitzen.

Etwa 6 Wochen später kann das Versorgungsintervall auf einmal wöchentlich verlängert werden. Da Frau D.s Beine inzwischen entstaut sind, wird auf die Oberschenkelkompression verzichtet. Zudem werden die notwendigen Ausmessungen für dauerhaft zu tragende Flachstrick-Kompressionsstrümpfe für die Kompression in der Erhaltungsphase durchgeführt.

Einige Wochen später, ungefähr 3 Monate nach Therapiebeginn, sind die Wunden vollständig abgeheilt (Foto 5). Frau D. erhält die Strümpfe zusammen mit einer Anziehhilfe und es erfolgt eine ausführliche Beratung zum An- und Ausziehen der Strümpfe, Hautpflege sowie zum Thema Bewegung und Sitzposition. Schließlich wird Frau D. darauf hingewiesen, sich mit einem Rezidiv jederzeit wieder vorstellen zu können. Sie ist bisher (ca. 1,5 Jahre seit Abheilung der Wunden) allerdings rezidivfrei.

Bitte beachten Sie, dass es sich hier um ein konkretes Fallbeispiel handelt, das nur eine mögliche Behandlungsoption darstellt. Beachten Sie zudem, dass wir nicht gewährleisten können, dass in den von uns dargestellten Fallbeispielen ausschließlich Produkte von DRACO® zur Anwendung gekommen sind.

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