Außergewöhnliche Wundsituationen in der Beratung

Außergewöhnliche Wundsituationen in der Beratung

Die Wundberatung erfordert viel Wissen und Fingerspitzengefühl. Denn einerseits fällt es vielen Kunden und Kundinnen schwer, über dieses Thema zu sprechen, andererseits ist eine kompetente Beratung nur möglich, wenn ausreichend Informationen vorliegen. 

Wunden können eine enorme psychische und physische Belastung für die Betroffenen sein. Je besser Sie über bestimmte Wundsituationen, deren Behandlung, Folge- und Grunderkrankung informiert sind, desto leichter kann Ihnen die Beratung fallen. Eine sachliche Herangehensweise kann dabei helfen, Hemmungen abzubauen, denn eine kompetente Beratung ist notwendig, um eine gute Selbstversorgung zu gewährleisten. 

Beratung bei chronischen Wunden

Chronische Wunden, die also nicht innerhalb von vier bis zwölf Wochen heilen, können Betroffene in ihrem Alltag physisch und psychisch stark einschränken. Solche Wunden entstehen besonders häufig am Fuß oder Unterschenkel. Wenn die Betroffenen nicht bereits in ärztlicher Behandlung sind, versuchen sie mitunter, die Wunde zu verbergen – sie befürchten negative Reaktionen des Umfelds, oder es ist ihnen unangenehm, wie die Wunde aussieht und riecht. Das kann eine Behandlung verzögern und die Situation erschweren. Vor allem bei Stammkunden mit bekannten Grunderkrankungen (vor allem Diabetes) gibt es ggf. Anzeichen, auf die Sie achten können. Es benötigt Fingerspitzengefühl auf diese Kunden und Kundinnen einzugehen.

Mögliche Wundsituationen bei Stammkunden erkennen

Bei Menschen, die regelmäßig in die Apotheke kommen, ist besondere Aufmerksamkeit gefragt. Das gilt vor allem dann, wenn sich aus den regelmäßig eingenommenen Medikamenten ablesen lässt, dass es sich um Diabetiker und Diabetikerinnen handelt. Bei ihnen ist das Risiko für chronische Wunden erheblich erhöht, während die Schmerz- und Druckempfindlichkeit sinkt. Gleichzeitig fehlt ihnen meist die Gelenkigkeit, die Füße im Detail zu kontrollieren. Und nicht alle Betroffenen nehmen regelmäßige Kontrolltermine beim Diabetologen, Hausarzt oder Podologen wahr. Dadurch können Wunden am Fuß über längere Zeit unbemerkt bleiben mit zum Teil erheblichen Folgen: Die Wunde wird größer, entzündet sich und breitet sich in tiefere Haut- und Gewebeschichten aus – manchmal sogar bis zum Knochen oder Gelenk. 

Im Idealfall sollten Sie sich daher im Gespräch nach entsprechenden Anzeichen erkundigen. Das gilt besonders dann, wenn die Kunden und Kundinnen nach Produkten zur Wundversorgung fragen. Denn womöglich schätzen Sie den Zustand der Wunde falsch ein.

Typische Merkmale für einen diabetischen Fuß sind unter anderem:

  • taube oder kribbelnde Füße
  • Rötungen, Einblutungen oder Druckstellen 
  • trockene Haut
  • Schwellungen und eine Überwärmung der Haut
  • starke Hornhautbildung
  • verminderte Durchblutung (blasse oder bläuliche Haut)
  • kühle Haut

Bei entsprechenden Beschwerden sollten Sie den Fuß nach Möglichkeit begutachten und den Kunden oder die Kundin dazu motivieren, einen Arzttermin zu vereinbaren.

Umgang mit Scham in der Wundversorgung

Wenn Ihnen die oben genannten Symptome bei Kunden oder Kundinnen auffallen oder von den Betroffenen selbst genannt werden, ist der erste Schritt gemacht. Nun ist es Aufgabe des Fachpersonals, den Betroffenen die Scheu zu nehmen, über das Thema zu sprechen. Das gelingt am besten durch eine sehr sachliche Herangehensweise. Erläutern Sie zunächst die Notwendigkeit der regelmäßigen Wundversorgung. So wird deutlich, dass es sich um sich eine herkömmliche Erkrankung handelt, von der viele Menschen betroffen sind und für die sich niemand schämen muss. Dieses professionelle Verhalten stellt Vertrauen her.

Wichtig: Da Sie keine Diagnose stellen, sondern lediglich eine erste Einschätzung geben können, ist es wichtig im folgenden Gespräch die Wichtigkeit eines Arztbesuchs klar zumachen. Vielleicht befindet sich ein entsprechender Arzt in der Nähe Ihrer Apotheke. 

Echtes FallbeispielScham nehmen, Wundversorgung begleiten

Am Unterschenkel entwickelte sich eine große Wunde. Die ältere Dame wollte ihrem Umfeld nicht zur Last fallen und je länger sie niemandem von Ihrer Situation erzählte, desto mehr schämte Sie sich für ihr langes Schweigen.

Jetzt Fallbeispiel zu Scham in der Wundversorgung lesen

Die Ursache für Schmerzen in der Wundversorgung aufspüren

Schmerzen in der Wundversorgung können entweder durch den Verbandwechsel und/oder durch die Grunderkrankung selbst verursacht werden. Dabei können die Schmerzen unter anderem akut oder chronisch, oberflächlich oder tief wahrgenommen werden. Klagen Betroffene über Schmerzen beim Verbandwechsel, sollte Sie gemeinsam nach dem Auslöser für den Schmerz suchen. Infrage kommen unter anderem:

  • aufgeplatzte Nähte
  • angetrocknete oder verklebte Kompressen
  • zu rasches Abziehen der Wundauflage 
  • falsches Abziehen von Folienverbänden 
  • zu heftiges Reiben bei der Reinigung
  • ausgetrocknete Wunden 

Schmerzen können auch entstehen, wenn die Wunde längere Zeit unbedeckt an der Luft liegt oder der Kompressionsverband falsch angelegt ist. 

Die Schmerzen können sich von Verbandwechsel zu Verbandwechsel steigern, sodass Betroffene die Wundversorgung schließlich ablehnen. Unter Umständen können Sie mit einfachen Tipps den Verbandwechsel unterstützen oder aber als Vermittler mit dem Pflegedienst oder der versorgenden Arztpraxis in Kontakt treten. 

Steht die Grunderkrankung im Verdacht, die Schmerzen auszulösen, ist es ebenfalls sinnvoll, auf den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin zu verweisen. Machen Sie dabei die Bedeutung einer guten Wundversorgung deutlich – es ist wichtig, rechtzeitig weitere Fachleute hinzuzuziehen, um eine Verschlechterung der Situation zu vermeiden.

Beratung bei sichtbaren Wunden und Narben

Ob sich eine Narbe bildet, hängt davon ab, wie tief eine Verletzung ist. Wurde die Epidermis (Oberhaut) verletzt, heilt die Wunde meist ohne Narben ab. Ist jedoch auch die Dermis (Lederhaut) beteiligt, bildet sich in den meisten Fällen eine Narbe. Dieses Gewebe unterscheidet sich sehr vom gesunden Gewebe: Es ist weniger elastisch und enthält keine Haare, Nägel, Pigmente sowie Talg- und Schweißdrüsen. Betroffene klagen oft über ein Spannungsgefühl, Jucken oder Brennen. Manche Narben können zu funktionellen Störungen, beispielsweise zu einer schlechteren Beweglichkeit im Bereich der Narbe führen. Außerdem gibt es Betroffene, die eine Narbe auch optisch stört, sodass sie sich weniger attraktiv fühlen. Es gibt verschiedene Arten von Narben. Dazu zählen unter anderem:

  • Harte Narben, Schrumpfnarben: Das Bindegewebe wuchert unter der Hautoberfläche und zieht die Narbe ein. Diese Narben sind hart und starr und schränken die Beweglichkeit stark ein. 
  • Instabile Narben: Sie zeigen immer wieder Einrisse und können selbst nach mehr als einem Jahr nicht richtig belastet werden.
  • Geweitete Narben: Es handelt sich um geweitete Operationsnarben, die vor allem am Rücken, den Oberschenkeln und am Bauch auftreten. 
  • Atrophe Narbe: Der Körper bildet zu wenig Bindegewebe, um die Wunde auszufüllen. Sie sind blass bis weißlich. Typische atrophe Narben sind Akne-Narben.

Kompakte Tipps zur Narbenpflege

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Beratung der Angehörigen von Palliativpatienten

In der palliativen Wundversorgung ist besonderes Einfühlungsvermögen gefragt. Durch Hauttumore, Metastasen oder durchgebrochene Tumore aus tieferen Gewebeschichten können sogenannte maligne Wunden entstehen. Diese können neben Schmerzen auch Juckreiz, Wundgeruch, die Neigung zu Blutungen und Wundflüssigkeit verursachen. In der Regel sind es nicht die Betroffenen, die sich in der Apotheke beraten lassen, sondern ihre Angehörigen.

Für das Beratungsgespräch sollten Sie sich bewusst machen, dass die Angehörigen sich in einer emotional sehr belastenden Situation befinden. Versuchen Sie daher, lösungsorientiert zu handeln und sich entsprechend auszudrücken: „Das können wir verbessern.“ Dadurch stärken Sie das Selbstmanagement der Kunden und Kundinnen. Ziel ist in diesem Fall eine möglichst hohe Lebensqualität in der aktuellen Situation. Achten Sie darauf, sich einfach auszudrücken und haken Sie nach, wenn Sie den Eindruck haben, dass die Kunden und Kundinnen nicht jedes Detail verstanden haben. Auch hier ist es wichtig die Hintergründe dieser speziellen Wundsituationen zu kennen. Informieren Sie sich in unseren Artikeln und unserem Fallbeispiel darüber, was bei der Versorgung von Wunden in der palliativen Medizin zu beachten ist.

Echtes Fallbeispiel mit WunddokumentationPalliative Versorgung eines exulzerierenden Tumors

Das Fallbeispiel behandelt die palliative Versorgung einer Patientin mit Schwerpunkten auf Belastungsminimierung durch eine chronische Wunde und Linderung der Schmerzen.

Fallbeispiel lesen - Leid lindern in der palliativen Versorgung

Literatur