Amputationen: Basiswissen und Unterstützungsmöglichkeiten

Amputationen: Basiswissen und Unterstützungsmöglichkeiten

Eine Amputation ist ein gravierender Eingriff. Neben der psychischen Belastung kommt es nach der Operation häufig zu Problemen in der Wundheilung. Was können Pflegekräfte tun, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen?

Muss ein Zeh, ein Teil des Fußes oder gar ein ganzes Bein amputiert werden, stellt das für das behandelnde Team eine schwere Entscheidung dar. Denn eine Amputation ist nicht rückgängig zu machen und wirkt sich massiv auf Mobilität, Lebensqualität und Lebenserwartung aus. Die psychische Belastung der Betroffenen ist extrem hoch. Nicht selten haben gerade ältere Patienten eher den Wunsch zu sterben, als eine größere Amputation zu erleiden.

Die häufigsten Gründe für eine Amputation

Arterielle Durchblutungsstörungen sind die häufigste Ursache für eine Amputation. Sie kommen besonders häufig bei Diabetes mellitus vor. Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gehen etwa zwei Drittel aller Amputationen in Deutschland auf das Diabetische Fußsyndrom (DFS) zurück. Ein dauerhaft erhöhter Blutzucker schädigt Blutgefäße und Nerven im gesamten Körper und vor allem in den Füßen. Mikroverletzungen oder Wunden werden häufig zu spät erkannt, da das Schmerz- und Temperaturempfinden reduziert ist. Weitere Gründe, die zu einer Amputation führen können, sind Verletzungen, Infektionen oder bösartige Tumore.

Minor- und Majoramputationen

Ist eine chirurgische Amputation unumgänglich, wird die Amputationshöhe so weit distal – also vom Körperstamm weg – wie möglich gewählt. Damit sollen Restfunktionen bestmöglich erhalten bleiben. Gerade bei jungen und rehabilitationsfähigen Patienten achtet man besonders darauf, dass der Amputationsstumpf möglichst distal liegt, schmerzfrei und mechanisch belastbar ist. Dies wirkt sich positiv nach Heilung des Stumpfes auf eine spätere Prothesenanpassung aus. Besteht das Risiko einer fortschreitenden Infektion, muss schnell gehandelt werden. Sonst riskiert man eine Sepsis und damit eine vitale Bedrohung.

Amputationen werden grundsätzlich in Minor- und Majoramputationen unterschieden.

  • Minoramputation: Hierbei handelt es sich um das Abtrennen von kleineren Körperteilen, z. B. Zehen oder Finger. Beim Fuß liegt die Grenze bei einer Minoramputation unterhalb des Sprunggelenks. 
  • Majoramputation: Hierbei handelt es sich um „große Amputationen“, bei denen größere Körperteile oder sogar vollständige Extremitäten betroffen sind. Beim Fuß spricht man von einer Majoramputation, wenn die Grenze oberhalb des Sprunggelenks liegt. 

Laut der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) ist die Lebenserwartung nach einer Amputation stark begrenzt. Nur ein Viertel der Diabetespatienten überlebt eine Majoramputation länger als 5 Jahre. Bei einer Minoramputation unterhalb des Knöchels liegt die 5 Jahres-Überlebensrate bei 80 Prozent. Die Vermeidung solcher Amputationen ist daher für die DGG oberstes Gebot in der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms und anderen Erkrankungen der Extremitäten.

Postoperative Pflege nach einer Amputation

Direkt nach der Amputation übernimmt die Pflege eine wichtige Rolle, um eine gute Wundheilung zu begünstigen und Komplikationen zu vermeiden.  

Beobachtung nach der OP: Wegen der großen Nachblutungsgefahr sollten Pflegekräfte in den ersten 24 bis 48 Stunden nach der OP häufig Vitalzeichen, Verbände, sowie die Drainagen kontrollieren. Auch sollten sie regelmäßig die Schmerzen des Patienten erfassen und die Wirksamkeit der gegebenen Schmerzmittel überprüfen. Der erste Verbandwechsel erfolgt 48 Stunden nach der OP unter aseptischen Bedingungen.

Lagerung und Mobilisation: Nach einer Amputation sollte in der Regel erst am ersten postoperativen Tag langsam mit der Mobilisation begonnen werden, möglichst mit 2 Personen. Bei Minoramputationen sollte die Amputationsstelle in den ersten Tagen nicht belastet werden. Handelt es sich um eine Zehen- und Vorfußamputation, sollte ein Verbandsschuh mit Waben-Weichbettungseinlegesohle angefertigt werden. Patienten und Angehörige sollten umfassend über die Notwendigkeit der Druckentlastung informiert werden, damit sie dieses Hilfsmittel auch zu Hause verwenden. 

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der S2-Leitlinie „Rehabilitation nach Majoramputation an der unteren Extremität (proximal des Fußes)" (Stand 2019)

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Bei Majoramputationen werden die Lymph- und Blutgefäße durchtrennt, sodass es nach der OP oftmals zu einer Schwellung des Oberschenkel-/Unterschenkelstumpfes kommt. Das vermindert die Durchblutung und verschlechtert die Wundheilung. Um einem Ödem vorzubeugen, ist eine Hochlagerung des Stumpfes mittels Kissen empfohlen. Nach einer Amputation des Oberschenkels sollte das Hüftgelenk im Liegen überwiegend in Streckung positioniert werden. Denn die Beugemuskulatur ist stärker als die Streckmuskulatur. Daher neigt die amputierte Extremität zur Entwicklung einer Beugekontraktur.

Bei einer Unterschenkelamputation wird eine zusätzliche Streckung des Stumpfes durch Auflegen eines Sandsäckchens angestrebt.

Stumpfversorgung: Bei größeren Amputationen kann mittels Bandagierung des Stumpfes der lymphatische und venöse Rückfluss gefördert werden. Eine Bandagierung wirkt auch der Schwellung (Ödeme) und Hämatombildung entgegen. Dabei sollte mit elastischen Binden gearbeitet und der Stumpf kegelförmig (konisch) geformt werden, um eine spätere Prothesenanpassung zu erleichtern.

Liegen Sensibilitätsstörungen vor, z. B. bei Diabetes mellitus, ist auf einen nicht zu festen Zug zu achten, um Durchblutungsminderungen zu vermeiden. Diese Patienten können Schmerzen oft gar nicht oder nur bedingt wahrnehmen.

Hautpflege: Auf eine gute Hautpflege sollte auch nach Abschluss der Wundheilung geachtet werden. Im Bereich des Amputationsstumpfes ist die Haut sehr empfindlich und wird bei einer Prothese stark beansprucht. Die Haut sollte täglich kurz und gründlich gewaschen werden (wichtig: Haut nicht aufweichen) und mittels Luft, Sonne und weichen Bürstungen abgehärtet werden. Auch kann die Haut mit unparfümierten Lotionen gepflegt werden. Viele Patienten nutzen unter der Prothese einen Stumpf- oder Trikotschlauch. 

Weitere Versorgung planen: Wenn die Patienten entlassen werden, muss die weitere Versorgung der Wunde gewährleistet sein. Übernehmen die Angehörigen den Verbandwechsel, sollten sie schon im Krankenhaus entsprechend angeleitet werden. Andernfalls muss die Wundversorgung über einen ambulanten Pflegedienst in die Wege geleitet werden. Ist eine Prothese erforderlich, sollte diese rechtzeitig bestellt und eine Prothesenschulung des Patienten geplant werden.

In den ersten Tagen nach der OP wird der Oberschenkelstumpf konisch gewickelt.

Abbildung: Kompressionverband wird in Achtertouren gewickelt.

Komplikationen vermeiden

Hauptkomplikationen nach einer Amputation sind Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen. Vor allem bei Patienten mit peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen (pAVK) ist die Wundheilung oft verzögert, zum Beispiel aufgrund eines Diabetes. Um eine bestmögliche Wundheilung zu erreichen, ist es entscheidend, Risikofaktoren zu minimieren. Dabei haben die bestmögliche Einstellung eines Diabetes und die Rauchentwöhnung das größte Gewicht. Es ist wichtig, die Patienten und Angehörigen über mögliche Komplikationen und ihre Ursachen aufzuklären. 

Eine kontinuierliche Wundbeobachtung, auch nach dem Klinikaufenthalt, ist in jedem Fall erforderlich. Nur so können Infektionszeichen frühzeitig erkannt und eine Verschlechterung des Wundzustandes verhindert werden. Falls die Angehörigen die Wundversorgung nach der Entlassung übernehmen, benötigen sie eine fachgerechte Schulung. Es ist notwendig, dass Angehörige um die Ursachen und Risiken einer möglichen Wundinfektion wissen und sie diese frühzeitig erkennen können. Besteht hier Unsicherheit, sollte besser ein ambulanter Pflegedienst eingebunden werden. 

Weitere wichtige Aspekte, um möglichst optimale Bedingungen für die Wundheilung zu schaffen, sind:

  • Bei Diabetes: Einstellung des Patienten auf einen HbA1c-Wert unter 7 %
  • Lebensstilveränderung, ggf. mit Ernährungsumstellung und -beratung
  • Schulung von Patienten und Angehörigen zu den diabetesbedingten Maßnahmen wie Blutzuckerkontrollen, Insulin spritzen etc.
  • Verzicht auf bzw. reduzieren von Rauchen und Alkoholkonsum
  • Medikamentenüberprüfung, da viele Arzneimittel, z. B. Diuretika oder Immunsuppressiva, sich auf die Wundheilung auswirken
  • Anstreben einer ausgewogenen Ernährung, da diese die Wundheilung positiv beeinflusst. Eiweiß, Zink, Vitamin A und C, Eisen und ausreichend Flüssigkeit spielen dabei eine wichtige Rolle.

Auch kann es zu Wunddehiszenzen kommen, d. h., dass Wunden nach einigen Tagen aufgrund einer zu hohen Nahtspannung aufklaffen (Nahtinsuffizienz). Gründe können zum Beispiel Hämatome, Serombildung (Flüssigkeitsansammlung in neu gebildeten Gewebehohlräumen), eine Wundinfektion oder eine schlechte Durchblutung sein. In diesem Fall ist eine mikrobiologische Abklärung erforderlich. Bei negativem Abstrich reicht eine konservative Therapie mit Produkten der klassischen und modernen Wundversorgung. Bei positivem Abstrich steht die Infektionsbekämpfung im Vordergrund.

Weitere mögliche Komplikationen nach einer Amputation sind Nachblutungen, Stumpfödem oder -hämatom, Hauterkrankungen im Stumpfgebiet, Kontrakturen, sowie Stumpf- und Phantomschmerzen. Während Stumpfschmerzen direkt im Stumpf lokalisiert werden können, werden Phantomschmerzen in dem nicht mehr vorhandenem Körperteil empfunden. Die Ursachen sind unklar, die Behandlung dieser Schmerzen ist oft schwierig. 

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Die Psyche im Blick haben

Eine Amputation ist ein gravierender Einschnitt für die Betroffenen, sowohl körperlich als auch psychisch. Besonders schwer kommen Menschen mit einer Amputation zurecht, wenn sie den Eingriff nicht akzeptieren. Diesen Betroffenen fällt es schwer, über ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Sie sind meist introvertiert und äußern ein eher pessimistisch gezeichnetes Lebensgefühl. Darüber hinaus kann das Fehlen einer Vertrauensperson ein Risikofaktor sein und die Anpassung an die Amputation erschweren. Das kann auch Menschen betreffen, die in einer Partnerschaft leben. Sie können sich allein fühlen, wenn es ihnen nicht gelingt, ihre innere Gefühlswelt dem Partner mitzuteilen oder sie sich von ihm nicht verstanden fühlen. 

Es ist daher sehr wichtig, die Psyche der Betroffenen im Blick zu haben und ein großes Verständnis für die emotionale Ausnahmesituation mitzubringen, in der sich Menschen nach einer Amputation befinden. Um die Akzeptanz der Situation zu fördern, können folgende Möglichkeiten der Selbsthilfe wichtig sein.

  • In der Akutklinik: Die Betroffenen sollten den Stumpf das erste Mal in Anwesenheit einer Vertrauensperson betrachten. Das kann der Partner sein, aber auch eine vertraute Pflegeperson, Physiotherapeut oder Seelsorger. Tränen und Traurigkeit sind in dieser Zeit ganz natürlich. Es geht um den Verlust eines Körperteils und der muss betrauert werden dürfen. In dieser Zeit ist es hilfreich, dass die Betroffenen durch ein interprofessionelles Team betreut werden, zu dem auch Psychologen und Seelsorger gehören.
  • In der Rehaklinik: Hilfreich kann der Kontakt zu anderen Betroffenen sein, vor allem zu solchen, die Mut machen und Hoffnung zulassen. Manche Reha-Kliniken haben besondere Angebote zur Krankheitsbewältigung für Menschen nach einer Amputation. Sinnvoll kann es sein, dass die Betroffenen sich konkrete und realistische Ziele setzen, aber auch Ziele, die in der Ferne liegen, z. B. „Im Sommer möchte ich mit meiner Frau wieder in Urlaub fahren können.“ Wenn Ängste, Trauer oder Wut hochkommen, sollten Menschen mit einer Amputation ermutigt werden, Kontakt zu einem Psychologen aufzunehmen.
  • In der häuslichen Umgebung: Zurück zu Hause sind die Betroffenen wieder auf sich allein gestellt. Wichtig ist es nun, wieder zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren. Das bedeutet gezielt bestimmte Aufgaben im Haushalt zu übernehmen und die erlernten Reha-Übungen fortzuführen. Gut für das Selbstbewusstsein ist zudem, alte Hobbys und Aktivitäten aufzunehmen oder auch für andere etwas zu tun, z. B. auf Enkelkinder aufzupassen. Über eine Selbsthilfegruppe kann Kontakt zu anderen Menschen mit einer Amputation aufgenommen werden. Wie offen die oder der Einzelne mit seiner Amputation umgeht, ist sehr abhängig von der Grundpersönlichkeit. Hier sollte jeder in seinem Tempo seinen ganz persönlichen Weg gehen.

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.