Wundversorgung: Angehörige Schritt für Schritt anleiten

Wundversorgung: Angehörige Schritt für Schritt anleiten

Wie schnell eine chronische Wunde heilt, hängt auch davon ab, wie die Betroffenen und Angehörigen bei der Therapie mitwirken. Eine gute Anleitung spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Ob im Krankenhaus oder zu Hause – für einen nachhaltigen Behandlungserfolg ist die Mitarbeit der erkrankten Person und ihrer Angehörigen zentral. Das gilt vor allem bei chronischen Erkrankungen, die oft langwierige Maßnahmen erfordern, wie Diäten, regelmäßige Injektionen oder auch Verbandwechsel. Um an der vereinbarten Behandlung mitzuwirken, müssen Betroffene sowie Angehörige die Erkrankung verstehen, sie akzeptieren und bewusst den Maßnahmen zustimmen – Stichwort Adhärenz.

Laut dem Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden1 gehört es zur Aufgabe der Pflege, das gesundheitsbezogene Selbstmanagement sowie das Wohlbefinden der Betroffenen zu fördern und zu erhalten. Schulungen des Patienten und seiner Angehörigen zur Wundversorgung sowie zum Umgang mit Einschränkungen, die durch die Wunde bzw. die Therapie entstehen können, spielen dabei eine wichtige Rolle.

Wenn man von Angehörigen spricht, sollte klar sein, dass diese Zielgruppe sehr heterogen ist. Sie reicht von der jungen Familienmutter, die sich um ihr herzkrankes Kind kümmert, bis zum 80-jährigen Ehemann, der seine Frau pflegt, die eine Demenz hat und aufgrund ihres Diabetes einen diabetischen Fußulcus entwickelt hat. Bei allen Schulungsmaßnahmen ist zu berücksichtigen, welchen Bildungshintergrund, welches Vorwissen, welche Erfahrungen und welche Motivation die zu schulende Person mitbringt. Anleitende Maßnahmen sollten zudem grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Person klar eine Lernbereitschaft signalisiert.

Anleitung individuell gestalten

Am Beispiel des Verbandwechsels soll aufgezeigt werden, wie eine Anleitung von Angehörigen im häuslichen Umfeld individuell geplant und durchgeführt werden kann. 

Schritt 1: Die individuelle Lebenswelt berücksichtigen

Bei Menschen mit chronischen Wunden und ihren Angehörigen steht nicht immer ein optimales Krankheitsmanagement im Vordergrund. Oftmals wird vorrangig „Normalität“ im Alltag angestrebt. Häufig haben die Betroffenen auch individuelle Vorstellungen dazu, wie die Wunde entstanden ist und wie sie erfolgreich behandelt werden sollte. Diese Perspektive gilt es wertschätzend und verstehend zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sollten edukative Maßnahmen wie Information, Schulung, Anleitung und Beratung immer auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt werden. Diese wünschen in der Regel kein verkleinertes Prof-Wissen, sondern vor allem praktisches Alltagswissen in Bezug auf die Erkrankung.
 

Schritt 2: Anleitung planen und Ziele besprechen

Die Anleitung zum Verbandwechsel bietet sich am ehesten im Rahmen einer Mikroschulung an. Mikroschulungen vermitteln jeweils eine bestimmte Intervention, Verhaltensweise oder Wissensportion an ein bis zwei Personen. Die Schulung sollte den aktuellen Wissenstand zum Thema umfassen, maximal eine halbe Stunde dauern und bei Bedarf wiederholt werden können.

Vor der Schulung sollten die Pflegefachkraft und die zu schulende Person gemeinsam realistische Lernziele der Schulung besprechen. Ein Lernziel könnte zum Beispiel sein, dass die Angehörige in der Lage ist, den Verbandwechsel bei Bedarf selbstständig in der häuslichen Umgebung durchzuführen.

Fallbeispiel: Ulcus cruris venosum
Ulcus cruris venosum Wunde

Die Patientin in diesem Fallbeispiel litt unter einer chronischen Wunde (Ulcus cruris venosum) am Bein. Ihr Sohn konnte die Wundversorgung und -heilung unterstützen, nachdem er in die Durchführung von Verbandswechsel und Kompressionsverband-Anlage eingewiesen wurde.

Fallbeispiel lesen

Schritt 3: Gute hygienische und räumliche Voraussetzungen schaffen

Die räumliche und hygienische Situation ist eine andere als im Krankenhaus oder Pflegeheim. Eine Anleitungssituation sollte deshalb bestmöglich vorbereitet und geplant werden. Alles, was an Materialien für den Verbandwechsel notwendig ist, von sterilen Handschuhen über Kompressen bis zur Wundspüllösung, muss für die Schulung mitgebracht werden.

Der Verbandwechsel sollte an einem Ort stattfinden, der ausreichend Platz für den Wundpatienten, aber auch für die Pflegefachkraft und die zu schulende Angehörige bietet. Zudem sollte eine ausreichende Stellfläche gewährleistet, auf dem die erforderlichen Materialien für den Verbandwechsel hygienisch vorbereitet werden können. Haustiere sollten vor dem Verbandwechsel den Raum verlassen, da sie Keime übertragen und manchmal auch unerwartet reagieren können. Oft sind sie für die Patienten und Angehörigen aber wichtige Begleiter, sodass dieses Thema behutsam anzusprechen ist.
 

Schritt 4: Pflegefachkraft demonstriert Inhalt

Sind die Umgebung sowie die Materialien vorbereitet, demonstriert die Pflegfachkraft den Verbandwechsel, ggf. mit Wundspülung. Hilfreich kann sein, wenn sie dabei vor der Angehörigen „laut denkt“ und genau erläutert, was sie macht, warum sie es macht und worauf sie dabei achtet. Das hilft der zu schulenden Person, die Handlung zu verstehen und konkrete Fragen zu stellen.

Wichtig ist bei der Anleitung, die Informationen in logischer (in der Regel chronologischer) Reihenfolge darzustellen und eine einfache, vertraute Sprache zu verwenden. Fach- und unbekannte Begriffe sollten immer erklärt werden. Auch sollte die zu schulende Person ermutigt werden, Fragen zu stellen.

Am Ende der Demonstration kann die anleitende Pflegekraft sich durch Fragen rückversichern, dass die Angehörige das Vorgehen verstanden hat und sich in der Lage fühlt, es selbst durchzuführen.

Bei einer Wundversorgung im häuslichen Umfeld:

Häusliche Wundversorgung

Schritt 5: Angehörige führt Handlung selbst durch

Der nächste Schritt wäre, dass die zu schulende Person die Handlung selbstständig unter Anleitung durchführt. Das sollte im besten Falle nicht am selben Tag, sondern beim nächsten Besuch erfolgen. Hier macht es Sinn, dass die Angehörige und die anleitende Pflegefachkraft den Verbandwechsel vor dem eigentlichen Üben nochmal theoretisch durchsprechen, bevor dieser praktisch von der Angehörigen durchgeführt wird. Aufkommende Fragen beim Verbandwechsel können dann direkt während der Durchführung besprochen werden. 


Schritt 6: Das Wichtigste zusammenfassen und Informationen ergänzen 

Nach der Übung sollten die wesentlichen Aspekte des Verbandwechsels noch einmal zusammengefasst werden. Hilfreich ist, wenn die anleitende Pflegefachkraft der Angehörigen schon bei der Demonstration zusätzliches Schulungsmaterial zum Nachlesen gibt, zum Beispiel in Form einer schriftlichen Zusammenfassung oder einem Merkblatt mit Fotos.

Am Ende der Mikroschulung sollte die angeleitete Person Rückmeldung geben, ob sie sich bei der Durchführung des Verbandwechsels sicher fühlt oder noch ein oder zwei zusätzliche Schulungseinheiten benötigt. Dieses Feedback ist wichtig, um die Schulung zu evaluieren und sicherzustellen, ob das Lernziel erreicht worden ist.

Einige Anregungen für die Anleitung

Eine Anleitung ist immer sehr individuell und sollte sich am Wissens- bzw. Verständnisniveau der anzuleitenden Person orientieren. Diese Dinge sollte die anleitende Pflegefachkraft vermeiden: 

  • Überforderung der zu schulenden Person: Alles, was die Person lernt, ist neu. Zu viele Wissensinhalte können sie leicht überfordern und verwirren. Pflegekräfte sollten deshalb bei den zu vermittelnden Inhalten Prioritäten setzen: Nicht alles ist gleich wichtig. Besser ist es auch, mehrere kleine als eine große Lerneinheit zu planen, damit sich das neue Wissen setzen kann. 
  • Überangebot an Informationen: Auch hier gilt – weniger ist mehr. Zusätzliches Schulungsmaterial ist zwar hilfreich. Pflegekräfte sollten die lernende Person aber nicht durch ein Überangebot an Informationsmaterialien verunsichern. 
  • Widersprüchliche Informationen: In jedem Fall sollte vermieden werden, dass die lernende Person von den Mitarbeitern des Gesundheitsteams unterschiedliche Informationen erhält. Bei Mikroschulungen wird deshalb empfohlen, dass ein schriftliches Konzept vorliegt, an dem sich die Durchführung orientiert.
     

Wichtig ist, dass die anleitende Person eine lernfördernde Umgebung schafft. Das kann zum Beispiel bedeuten:

  • Informationen wiederholen: Nicht jeder kann sich beim ersten Mal gleich alles merken. Sinnvoll ist es deshalb, dass die anleitende Person die wichtigsten Informationen wiederholt – lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. 
  • Inhalte ansprechend präsentieren: Werden die Informationen anschaulich präsentiert, kann die lernende Person sie besser verinnerlichen. Hilfreich ist, wenn Informationen visualisiert werden – das ist bei einer praktischen Demonstration automatisch gegeben. Auch Tipps zu guten Online-Videos können hilfreich sein, damit die lernende Person das Gelernte nochmal „nachschauen“ kann.
  • Lob und Feedback geben: Last but not least sollte die lernende Person eine direkte Rückmeldung erhalten, nachdem sie eine Handlung selbst durchgeführt hat. Was war gut? Was könnte noch verbessert werden? Lob motiviert und ermutigt, das Gelernte im Alltag auch tatsächlich anzuwenden. 

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.