IAD - Inkontinenz-assoziierte Dermatitis

IAD - Inkontinenz-assoziierte Dermatitis

Die Inkontinenz-assoziierte Dermatitis, kurz IAD, umfasst oberflächliche, lokale Entzündung und Läsionen, die durch den ständigen Kontakt der Haut mit Stuhl bzw. Harn entstehen.

Eine Herausforderung in der Praxis stellt die Differenzierung zwischen IAD und Dekubitus dar. Die Schwierigkeit liegt darin, dass das Erscheinungsbild der beginnenden bis mäßigen IAD stark dem ersten Grad des Dekubitus ähnelt. Um eine gute Prävention und Intervention in den pflegerischen Maßnahmen leisten zu können, ist es wichtig, eine IAD korrekt einschätzen zu können. (Quelle: Müller et al, 2016.)

Entstehung

Unsere Haut ist dem natürlichen Alterungsprozess ausgesetzt, sie verliert zunehmend ihre Elastizität und der Säureschutzmantel nimmt ab (i.d.R. liegt der pH-Wert bei 4,0 – 6,8).

Die Haut wird trockener, das Unterhautfettgewebe wird dünner, die Barrierefunktion ist stark beeinflusst.

Bei einer IAD wird Feuchtigkeit dauerhaft zugeführt, was zu einem Aufquellen der oberen Hautschicht (Stratum corneum) und zur Störung der Hautbarriere führt.

IAD: Definition

Die IAD, auch bekannt als Windeldermatitis, ist eine irritativ toxische Kontaktdermatitis. Es werden darunter lokale, oberflächliche Entzündungen und Läsionen verstanden, die durch den ständigen Kontakt der Haut mit Stuhl und/oder Harn entstehen. Diese Faktoren führen zur Schädigung der Hautbarriere und Irritation der Haut.

Ursachen, Einfluss- und Risikofaktoren

Begünstigt wird eine IAD durch Einflussfaktoren wie Verdauungsenzyme aus dem Stuhl bzw. Bakterien aus dem Urin sowie wiederholte mechanische Reizungen durch Reinigung der Haut.

Die obere Hautschicht quillt auf durch die dauerhaft zugeführte Feuchtigkeit (Hyperhydration), sei es durch Urin und/oder Stuhlausscheidungen. Die natürliche Hautbarriere wird in ihrem pH-Wert gestört, der in den alkalischen Bereich rutscht. Die Permeabilität wird erhöht. Das bedeutet, die Haut wird angreifbarer. Bakterien, Keime und Hefepilze kommen mit der aufgequollenen Hautoberfläche in Kontakt, eine Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD) kann sich entwickeln.

Auch unter einer Okklusionstherapie in der inkontinenten Versorgung hat die IAD ein leichtes Spiel, sich auszubreiten.

Risikofaktoren

  • Eingeschränkte sowie komplette Harn- und/oder Stuhlinkontinenz
  • Höheres Lebensalter
  • Pflegebedürftige Personen mit eingeschränkter Mobilität
  • Menschen mit eingeschränkter eigener Körperhygiene
  • Ernährungszustand (z.B. Dehydration)
  • Hautprobleme durch Medikation, z.B. unter Kortisontherapie
  • Menschen mit multimorbiden Grunderkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus, immunsupressive Patienten

Die IAD ist auch bekannt als

  • Windeldermatits
  • Windelausschlag
  • Irritative Dermatitis
  • Feuchtigkeitsläsionen
  • Perineale Dermatitis
  • Perinealer Ausschlag

Erscheinungsbild und Symptome

Die Lebensqualität der Betroffenen ist durch die IAD stark herabgesetzt. Die IAD grenzt sich in ein paar wesentlichen Punkten vom Erscheinungsbild eines Dekubitus ab.

Eine IAD beginnt von außen nach innen. Durch die Inkontinenz und den damit verbundenen dauerhaften Feuchtigkeitszustand ist die Hautoberfläche geschädigt. Ein Dekubitus beginnt von innen nach außen, infolge von Druck und Scherkräften auf Knochenvorsprüngen. Es können Rötungen, Schuppungen, Schwellungen, Bläschen oder Blasen, Pusteln und Papeln mit einhergehendem Juckreiz entstehen. Durch die ständige Feuchtigkeit auf der Haut kann es zu Mazerationen und in der Folge zu Infektionsherden, Schmerzen und Blutungen kommen. Hier ist dann die Dermis (Lederhaut) mitbetroffen.

Unterscheidungskriterien IAD vs. Dekubitus

Ein wichtiges Instrument in der Differenzierung der beiden Krankheitsbilder ist die Rötung.

Beim Dekubitus Grad I nach NPUAP ist diese nicht wegdrückbar. Ein weiterer Aspekt ist die Ausprägung der Wunde. Diese zeigt sich beim Dekubitus lokal begrenzt, beim Krankheitsbild der IAD diffus und oberflächlich.

Klassifikation nach Junkin

Die Risikoerfassung und Komplikationserkennung IADIT-D (Incontinence-Associated Dermatitis Intervention Tool) zeigt uns, wie IAD-Bereiche unterteilt sind.
 

Hochrisiko IAD

  • Keine Rötung der Haut
  • Keine Erwärmung vorhanden
  • Evtl. vorhandene Narben oder Hautverfärbungen (abgeheilte IAD und/oder Druckulzera)
  • Vorhandene Harn- und Stuhlinkontinenz (Stuhlinkontinenz mind. 3x/24h)
  • Keine adäquate Kommunikation möglich
  • Selbstpflegedefizit vorhanden
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Schweregrade

Beginnende IAD

  • Die mit Stuhl und/oder Harn in Kontakt kommende Haut ist trocken, intakt und weist keine Blasen auf
  • Hautfarbe ist rosa oder rot
  • Ränder sind unscharf begrenzt und oft regelmäßig
  • Bei dunklerer Hautfarbe besteht die Schwierigkeit, Farbveränderungen zu erkennen
  • Erwärmung der betroffenen Haut – im Vergleich zur nicht betroffenen
  • Patient mit Fähigkeit zur Kommunikation klagt über Schmerzen

Mäßige IAD

  • Betroffene Haut ist hell- oder hochrot
  • Bei dunklerer Hautfarbe kann diese weiß, gelb oder stark dunkelrot/violett wirken
  • Haut erscheint feucht und glänzend mit nässenden oder punktförmig blutenden Arealen
  • Evtl. können erhabene Areale oder kleine Blasen vorhanden sein
  • Kleine Areale mit Hautverlust von bis zu zwei cm Durchmesser möglich
  • Immer schmerzhaft, auch wenn die Personen zu keiner Schmerzäußerung fähig ist

Schwere IAD

  • Betroffene Hautareale sind rot mit Substanzverlust, welche nässen/bluten
  • Bei dunklerer Hautfarbe erscheinem diese möglicherweise, gelb oder stark dunkelrot/violett
  • Abgelöste Hautschichten können möglich sein, das ausgetretene Protein ist klebrig und haftet an jeder trockenen Oberfläche
  • Immer schmerzhaft, auch wenn die Person zu keiner Schmerzäußerung fähig ist

Komplikation

Pilzartig-erscheinender Ausschlag

  • Kann zusätzlich zu jedem Schweregrad der IAD auftreten
  • Punkte nahe den Rändern der geröteten Stellen
  • Pusteln oder flache, rote (weiße, gelbe) Punkte
  • Möglicherweise starker Juckreiz

Unterscheidungskriterien IAD vs. Dekubitus

 IADDekubitus
UrsacheHarn- und/oder StuhlinkontinenzDruck und/oder Scherkräfte
LokalisationGenital- und AnalbereichÜber Knochenvorsprüngen
FormDiffuse bis unregelmäßige RänderAusgeprägte Ränder und Begrenzung
TiefeOberflächlichOberflächlich bis tief
NekroseKeine NekroseNekrose möglich
FarbeDiffuse RötungAbgegrenzte Rötung
Inkontinenz-assoziierte Dermatitis am Gesäß
Mäßig bis schwere IAD
Dekubitus Kategorie III
Dekubitus Kategorie 3

Video: Inkontinenz assoziierte Dermatitis

IAD oder Dekubitus – Wie erkenne ich den Unterschied?

Bei Start des Videos werden Informationen an YouTube/Google übermittelt. Mehr hierzu unter: Google Datenschutzerklärung.

Prävention und Therapie

Aufsaugende Inkontinenzprodukte sowie ein strukturierte Hautpflegetherapie sind das Wichtigste im Management einer IAD.

Zu vermeiden ist der Hautkontakt mit dem Stuhl und/oder dem Harn. Hier ist besonders auf die Wahl der Inkontinenzprodukte wie geschlossene Windelsysteme oder Netzhosen mit Einlagen zu achten. Der Einsatz von Fäkalkollektoren ist für immobile und schwerkranke Patientinnen und Patienten eine Alternative zu den saugenden Systemen. Urinal-Kondome und transurethrale Katheter können in schweren Fällen ebenfalls zum Einsatz kommen

Reinigung

Das Reinigen des betroffenen Hautareals sollte immer sehr sanft erfolgen. Grundsätzlich soll mit klarem, lauwarmen Wasser so schonend wie möglich gereinigt werden, da die Hautoberfläche bereits vorgeschädigt ist. Das Wasser ist sparsam zu verwenden, da man keine Aufweichung der Haut hervorrufen möchte. Bei der perinealen Reinigung können Seifen ausgewählt werden, die dem pH-Wert der Haut (pH 5,4-5,9) ähneln. Normale Seifen, die im Handel erhältlich sind, sind auf Grund ihres alkalischen Zustands zu vermeiden. Deren pH-Wert würde einer vorgeschädigten Haut weiter schaden. Außerdem ist darauf zu achten, dass Waschlappen aus Frottee oder anderen rauen Materialien wenig sinnvoll sind. Einmal-Waschlappen hingegen besitzen eine weiche Struktur, welche die bereits angegriffene Haut schützen kann. Der Einsatz von speziellen Inkontinenz-Hautpflegetüchern ist sinnvoll, da diese bereits rückfettende und hautschützende Substanzen enthalten.

Nachdem die grobe Reinigung mit lauwarmem Wasser oder Hautschutzpflegetüchern erfolgt ist, wird die Schutzbarriere der Haut mit duft- und konservierungsstofffreien Präparaten wiederaufgebaut. Bei bekannten Allergien der Patientin bzw. des Patienten muss ggf. auf diese Inhaltstoffe verzichtet werden. Nicht jede Hautpflege ist hilfreich. Sinnvoll hierbei ist es, für jede Patientin/jeden Patienten individuell herauszufinden, welches Produkt am besten geeignet ist.

Schutz und Pflege der Haut

Für den Hautschutz und zur Erhaltung einer intakten Hautbarriere gibt es auf dem Markt die unterschiedlichsten Cremes und Lotionen. Es bieten sich Acrylat-Terpolymer-Barriere Cremes, Langzeit-Hautschutz Cremes oder Dimeticon-Produkte, die auf Silikonbasis hergestellt werden, an. Pflegende Emulsionen sind bei trockener Haut zu empfehlen. Hier greift man gerne auf lipidhaltige Produkte zurück, die zusätzlich noch einen hydratisierenden Faktor beinhalten können, wie z.B. feuchtigkeitsspendenden Harnstoff oder auch Glycerin.

Bei herkömmlichen Methoden, wie dem Auftragen von Zinkoxidsalben oder Vaseline-Produkten als Feuchtigkeitsbarriere, ist darauf zu achten, dass diese sehr dünn aufgetragen werden. So kann sichergestellt werden, dass die Hautschicht unter der Creme im weiteren Verlauf sicher beurteilt wird und dass sich keine Okklusivschicht bildet.

Literatur

Die Autorin Regina Freitag
Abbildung MFA

Regina Freitag ist Pharmazeutisch Technische Assistentin (PTA), Praxis- und Wundmanagerin sowie Wundexpertin ICW. Seit 2016 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig und betreut Fortbildungen im Bereich der modernen Wundversorgung.