Expertenstandard Förderung der Hautintegrität

Expertenstandard Förderung der Hautintegrität

Der Expertenstandard "Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege" ist ein qualitätsorientiertes Rahmenwerk, das darauf abzielt, die Hautgesundheit und -pflege in der professionellen Pflegepraxis zu optimieren.

Die Reinigung und Pflege der Haut gehören zum Kerngeschäft von Pflegekräften. Was empfiehlt der neue Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege“?

Hautprobleme – viele Menschen sind betroffen

Ob juckende oder schuppende Haut, wunde Stellen oder häufige Blutergüsse – Probleme der Haut können mit Schmerzen einhergehen und das Wohlbefinden einschränken. Ältere, pflegebedürftige Menschen sind dabei besonders häufig von Hautproblemen betroffen. Das zeigt eine aktuelle Studie,1 an der 17 deutsche Pflegeheime beteiligt waren. Die Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner litt unter Hauttrockenheit (Xerosis cutis), gefolgt von Intertrigo (35,0 %), Inkontinenz-assoziierter Dermatitis (21,0 %), Hautrissen (10,5 %) und Druckgeschwüren (8,0 %). Insgesamt waren mehr als die Hälfte der Pflegeheimbewohner von zwei oder mehr Hauterkrankungen gleichzeitig betroffen.1

Hautprobleme können unabhängig vom Alter auftreten.2 Es gibt aber Menschen, die ein besonderes Risiko für hautbezogene Risiken und Probleme haben. Dazu gehören laut dem neuen Expertenstandard z. B.:

Eine gute Hautpflege gehört zu den Kernaufgaben von Pflegekräften. Sie tragen Verantwortung dafür, dass Risiken und Probleme der Haut korrekt eingeschätzt und die richtigen Hautpflegemaßnahmen durchgeführt werden. Damit tragen sie dazu bei, pflegerelevante Hautprobleme zu verhindern und das Wohlbefinden und die Lebensqualität zu steigern.2 

Ziel des neuen Expertenstandards

Der „Expertenstandard zur Erhaltung und Förderung der Hautintegrität in der Pflege“ soll Pflegefachkräfte in ihrem fachlichen Handeln unterstützen. Er wurde im Juli 2023 vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung (DNQP) veröffentlicht. Das Besondere an diesem Expertenstandard: Er bündelt verschiedene hautbezogene Risiken und Probleme in einem Dokument. Denn viele pflegebedürftige Menschen sind von mehreren Risiken und Problemen der Haut gleichzeitig betroffen. Und nicht nur die Risikoprofile ähneln sich, auch die Interventionen überschneiden sich vielfach.

Ziel des neuen Expertenstandards ist, dass jeder Mensch mit einem pflegerischen Unterstützungsbedarf und einem hautbezogenen Risiko oder Problem pflegerische Interventionen erhält, die die Hautintegrität erhalten und fördern2. Da das Thema sehr komplex ist, hat die Expertenarbeitsgruppe den Standard auf folgende Bereiche eingegrenzt: Xerosis cutis (trockene Haut), Inkontinenz-assoziierte Dermatitis (IAD), Windeldermatitis (WD), Intertrigo und Skin Tears. Denn auf diese Risiken und Probleme hat die berufliche Pflege einen besonderen Einfluss und daher können viele Menschen in professionellen Pflegesituationen davon profitieren.

Zielgruppe des neues Expertenstandards sind Menschen jeden Alters von Neugeborenen bis Hochaltrigen, bei denen eines oder mehrere der oben beschriebenen Hautrisiken und -probleme bestehen.2

Definitionen 

Xerosis cutis: trockene Haut, die sich durch leichte bis starke Schuppung, Juckreiz und Entzündungen (Austrocknungsekzem) bemerkbar macht. 

Inkontinenz-assoziierte Dermatitis: Entzündung der Haut, die durch längeren Kontakt der Haut mit Urin und/oder Stuhl als Folge einer Inkontinenz entsteht (Begriff bezieht sich auf ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene).

Windeldermatitis: Form der irritativen Kontaktdermatitis, die durch den längeren Kontakt mit Urin und/oder Stuhl entsteht (Begriff bezieht sich auf Säuglinge und Kleinkinder).

Intertrigo: Form der irritativen Kontaktdermatitis, die in Hautfalten vor allem durch kontinuierliche Reibung in Verbindung mit Hautfalten entsteht (z. B. unter der Brust oder in Leisten).

Skin Tears: traumatische Einrisse der Haut, vor allem an den distalen Extremitäten, bei der sich die Epidermis von der Dermis und ggf. auch vom darunter liegenden Gewebe löst; sie tritt vor allem bei fragiler, „dünner“ Altershaut auf.2 

Hautbezogene Risiken und Probleme identifizieren

Zu Beginn des pflegerischen Auftrags, z. B. bei Aufnahme in ein Pflegeheim, führt die Pflegefachkraft eine erste Einschätzung durch, um Menschen mit hautbezogenen Risiken und Problemen zu identifizieren. Die Expertenarbeitsgruppe empfiehlt dazu ein zweistufiges Vorgehen: 1. eine erste Einschätzung sowie 2. eine anschließende vertiefte Einschätzung, wenn Probleme und Risiken der Haut nicht ausgeschlossen werden können.2 

1. Die erste Einschätzung: Hier schätzt die Pflegefachkraft ein, ob die Person zu einer der oben genannten Risikogruppen für Risiken und Probleme der Haut gehört (s. o.). Auch fragt sie die Menschen mit Pflegebedarf bzw. die Angehörigen (u. a. bei Säuglingen), ob und welche Besonderheiten es im Hinblick auf die Haut gibt, zum Beispiel, 

  • ob es in der Vergangenheit Probleme mit der Haut gab oder aktuell Probleme vorliegen,
  • wie und mit welchen Produkten die Haut gereinigt und gepflegt wird,
  • ob sich die Haut in der letzten Zeit verändert hat,
  • ob die betreffende Person oft und sehr stark schwitzt,
  • ob es wunde Stellen oder Wunden auf der Haut gibt,
  • ob die Haut juckt oder vermehrt schuppt,
  • ob die Person häufig Blutergüsse hat oder die Haut leicht einreißt, etc.2

Hat die Pflegefachkraft ein hautbezogenes Risiko oder ein Hautproblem identifiziert, führt sie eine vertiefte Einschätzung durch. 

Eine wiederholte Einschätzung sollte anlassbezogen erfolgen, z. B. bei einer gesundheitlichen Veränderung, die sich auf die Haut auswirken kann oder – je nach Setting – in festzulegenden Zeitabständen.

2. Die vertiefte Einschätzung: Hierzu gehören sowohl detailliertere Fragen zur Einschätzung der Hautsituation als auch eine Hautinspektion. Bei den Fragen stehen sowohl die Einschätzung von Hautproblemen als auch mögliche Ursachen im Vordergrund. Dazu gehören zum Beispiel Fragen zur Körperpflege (Körperhygiene und Waschverhalten, verwendete Hautprodukte), zum pflegerischen Unterstützungsbedarf (z. B. bei Ausscheidungen oder beim Waschen) sowie zu den Ess- und Trinkgewohnheiten (Mangelernährung, Übergewicht, Trinkverhalten). Auch erfragt die Pflegefachkraft familiäre und berufliche Einflussfaktoren (Allergien, berufliche Disposition), die individuellen Ressourcen (Fähigkeit zur Selbstpflege, familiäre Ressourcen) sowie bestehende Einschränkungen der Lebensqualität (z. B. bei sozialen Kontakten, Schlafqualität).2

Die Hautinspektion umfasst grundsätzlich den ganzen Körper von Kopf bis Fuß inklusive Zehenzwischenräume und Nägel. Dabei wird auf klinische Zeichen geachtet wie Hautfarbe, Feuchtigkeit der Haut, erhabene Stellen (z. B. Papeln oder Bläschen), Schuppen, Erosionen, aber auch hautbezogene Symptome wie Jucken, Schmerzen, Brennen oder Spannungsgefühl. Ergänzend zur Beobachtung können auffällige Hautareale palpiert werden, um Verhärtungen, Ödeme oder Temperaturunterschiede festzustellen. Wichtig: Die Pflegefachkraft sollte das Vorgehen bei der Hautinspektion vorher mit dem Menschen besprechen.2

Hautinspektion bei der Körperpflege: Hand wird gewaschen
Abbildung: Durch eine bewusste Hautinspektion bei der Körperpflege können Hautveränderungen frühzeitig erkannt werden.
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Im Mittelpunkt: der individuelle Maßnahmenplan 

Die Pflegefachkraft plant gemeinsam mit dem Menschen und ggf. seinen Angehörigen, welche Maßnahmen zur Pflege und Reinigung der Haut sinnvoll sind. Dabei stehen persönliche Präferenzen, Wünsche, Gewohnheiten und Erfahrungen im Mittelpunkt. Bei vorliegenden Hautrisiken oder Hautproblemen wird ein individueller Maßnahmenplan erstellt. In diesem ist genau dokumentiert, welche Hautmittel zur Reinigung und Pflege empfohlen werden. Auch ist festgelegt, wie und in welcher Häufigkeit die Haut gereinigt und auf der Haut verbleibende Pflegemittel (z. B. lipophile Cremes) aufgetragen werden. Grundlage für den Maßnahmenplan sind die Informationen aus der pflegerischen Einschätzung sowie die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Person.2

Die Maßnahmen werden in individuell festgelegten Intervallen und anlassbezogen evaluiert. Dabei wird die Wirksamkeit der Maßnahmen durch eine vertiefte Einschätzung überprüft und Erreichtes anhand der individuell vereinbarten Ziele beurteilt (Wohlbefinden, Veränderung der Symptome etc.). So können die bisherigen Maßnahmen ggf. angepasst, verändert, beendet oder andere Maßnahmen eingeleitet werden. Bei der vertieften Einschätzung entscheidet die Pflegefachkraft, inwiefern eine zusätzliche Expertise mit einbezogen werden soll, z. B. eine hausärztliche oder dermatologische Beratung.

Hautpflegemaßnahmen zur Erhaltung der Hautintegrität: Pflegerin und Seniorin
Abbildung: Hautprobleme sind häufig – nicht nur im Alter. Die richtigen Hautpflegemaßnahmen helfen, die Haut zu schützen und damit das Wohlbefinden und die Lebensqualität zu steigern.

Allgemeine Hautreinigung und Hautpflege bei Erwachsenen

Der Expertenstandard unterscheidet Maßnahmen zur Hautreinigung und Hautpflege. Dabei bezieht sich Hautreinigung darauf, unerwünschte Substanzen wie Staub, Schweiß, organisches Material oder Reste von kosmetischen Produkten von der Haut zu entfernen. Die Hautpflege bezieht sich auf die Anwendung von Hautmitteln, die auf der Hautoberfläche verbleiben, z. B. Cremes oder Salben. 

Bei Erwachsenen, bei denen ein Risiko für Hautprobleme identifiziert wurde, nennt die Expertenarbeitsgruppe u. a. folgende präventive Maßnahmen, um die Hautintegrität zu erhalten. 

Allgemeine Empfehlungen zur Hautreinigung: 

  • Auf Vollbäder verzichten bzw. diese zeitlich limitieren (mit nicht zu heißem Wasser); besser lauwarm duschen als baden,
  • pH-hautneutrale bis saure Hautmittel verwenden (pH-Wert < 7), auf alkalische Seifen in Absprache mit den Patienten verzichten,
  • die Haut durch Abtupfen und nicht durch Reiben abtrocknen, dabei besonderen Augenmerk auf große Hautfalten und Zehenzwischenräume legen.

Manche Menschen benötigen, z. B. aufgrund von Inkontinenz oder starkem Schwitzen, sehr häufig eine Hautreinigung. Hier kann die Haut alternativ auch mit Wasch- bzw. Reinigungstüchern gereinigt werden (Verzicht auf Wasser). Wichtig ist, sich vorher mit der Person gut abzustimmen, da viele Menschen mit Pflegebedarf das klassische Waschen mit Wasser bevorzugen.2

Empfehlungen zur Hautpflege: Die Expertenarbeitsgruppe empfiehlt, bei Hautrisiken und Hautproblemen mindestens einmal täglich nach der Reinigung lipophile Hautmittel zum Verbleib auf der Haut aufzutragen (bei Skin Tears mindestens zweimal täglich). Dabei sollte die Pflegefachkraft prüfen, welche Hautmittel bereits verwendet werden und ob diese geeignet sind. Bei möglicherweise schädlichen Produkten besprechen sie sich mit dem Menschen und ggf. seinen Angehörigen.2

Welche Produkteigenschaften sind wichtig?

pH-hautneutral – Gesunde Haut weist einen pH-Wert von 5 bis 6,5 auf – damit ist sie leicht sauer. Hautprodukte mit einem pH-Wert in diesem Bereich werden als „hautneutral“ bezeichnet. Oft ist der pH-Wert auf Hautreinigungsprodukten angegeben.

lipophil oder hydrophil – Bezeichnungen wie lipophil ("fettliebend", d.h. in Fett löslich) oder hydrophil („wasserliebend“, d.h. in Wasser löslich) sind auf Hautpflegeprodukten meist nicht zu finden. Hier helfen allgemeine Hinweise des Herstellers: Bezeichnungen wie „Fettsalbe“ oder „Wasser-in-Öl-Gemisch“ deuten eher auf lipophile Produkte hin, während die Bezeichnung „Öl-in-Wasser-Produkt“ eher auf hydrophile Hautmittel hinweist. Lipophile Hautmittel eignen sich für trockene Haut und hydrophile Hautmittel eignen sich eher für normale, feuchte sowie fettige Haut.

Niedrige bzw. hohe Viskosität -Die Viskosität beschreibt, wie fließfähig ein Produkt ist. Bei großflächiger Anwendung eignen sich eher dünnflüssige Hautmittel (niedrige Viskosität), bei kleineren Hautflächen dickflüssige (hohe Viskosität).2

Individuelle Maßnahmen bei typischen Hautproblemen

Der Expertenstandard empfiehlt die folgenden Maßnahmen zur Behandlung bzw. Prävention. 

Xerosis cutis

Inkontinenz-assoziierte Dermatitis

Windeldermatitis

Intertrigo

Skin Tears

Informieren, schulen, beraten

Auch in diesem Expertenstandard haben Information, Schulung und Beratung eine wichtige Bedeutung. Die Person mit Risiken und Problemen der Haut sollte die Bedeutung einer intakten Haut kennen und selbst im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran mitwirken, Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Hautintegrität umzusetzen. Zu bedenken ist dabei, dass bei einem Thema wie der Hautpflege häufig seit Jahren individuelle Routinen bestehen, sodass ein sensibles Vorgehen eine wichtige Rolle spielt. Wichtig ist, die bereits verwendeten Hautmittel zu prüfen, ob diese geeignet sind und sich bei möglicherweise schädlichen Produkten mit dem Menschen und ggf. seinen Angehörigen zu besprechen. Auch sollten Pflegefachkräfte Empfehlungen für angemessene Hautmittel geben, die für das häusliche Setting möglichst kostengünstig zu erwerben sein sollten.2

Zusätzlich können Informations-, Schulungs- und Beratungsmaterialien eingesetzt werden. Frei verfügbare, unabhängige Informationsmaterialien zur Pflege der Haut sind derzeit selten. Der Expertenstandard verweist hier u. a. auf den Ratgeber „Körperpflege in der Pflege“ des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP).3 Zudem empfiehlt er, in der Einrichtung eigene zielgruppengerechte Informationsmaterialien zu entwickeln, die einrichtungsspezifische Maßnahmen und Ansprechpersonen berücksichtigen. Speziell für die Entlassung aus dem Krankenhaus wird die Mitgabe von Informationsmaterialien empfohlen, da hier – anders als in der stationären Langzeitpflege – Informationen nicht in der täglichen Begegnung wiederholt werden können.2

Literatur

Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.