Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist eine chronische Gefäßerkrankung, die in der Regel durch Atherosklerose verursacht wird.
Atherosklerose ist eine krankhafte Veränderung der Arterienwände, die zu Stenosen (Verengungen) und Okklusionen (Verschlüssen) führt. Diese Veränderungen schränken den Blutfluss in den Extremitäten ein. In der Regel sind die Beine betroffen. Die Minderdurchblutung kann Schmerzen beim Gehen (Schaufensterkrankheit) und einen Gewebeuntergang verursachen. Da dies oft bei Rauchern auftritt, ist dafür im Volksmund der Begriff „Raucherbein“ geläufig.
In schweren Fällen drohen Amputationen, weshalb eine frühzeitige Behandlung entscheidend ist.
Chronische Wunden bei pAVK
Durch die verminderte Durchblutung entstehen bei der pAVK schnell und häufig unbemerkt Hautdefekte, vor allem in Stadium III und IV nach Fontaine. Die Minderdurchblutung des Wundareals führt außerdem dazu, dass einmal entstandene Wunden schlecht heilen und i. d. R. chronisch werden.
Daher steht an erster Stelle die Vermeidung von Wunden bzw. Verletzungen. Besonders die Füße sollten gut vor Verletzungen geschützt werden. Bei Bettlägerigen hat die Druck-Prophylaxe eine große Bedeutung, da bei ihnen ein erhöhtes Risiko für Druckläsionen und Fersennekrosen besteht.
Die Unterversorgung mit Sauerstoff führt im Stadium IV nach Fontaine auch ohne äußere Einwirkung zu Nekrosen oder chronischen Wunden wie dem Ulcus cruris arteriosum (UCA).
Wie wird eine pAVK behandelt?
Die Therapie der pAVK richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und dem zugehörigen pAVK-Stadiums nach Fontaine.
Leitliniengerechte Behandlungsempfehlungen der pAVK in Abhängigkeit der Stadien nach Fontaine [1]:
Fontaine-Stadium | ||||
---|---|---|---|---|
Maßnahme | I | II | III | IV |
Risikofaktorenmanagement: Nikotinkarenz, Diabetestherapie, Statine, Blutdruckbehandlung | + | + | + | + |
Thrombozytenfunktionshemmer: ASS oder Clopidogrel | + | + | + | |
Physikalische Therapie: strukturiertes Gehtraining | + | + | ||
Medikamentöse Therapie: Cilostazol oder Naftidrofuryl | (+) | |||
Strukturierte Wundbehandlung | + | |||
Interventionelle Therapie | +* | + | + | |
Offen-chirurgische Therapie | +* | + | + |
+ Empfehlung, * bei fehlender Besserung unter konservativer Therapie, hohem individuellem Leidensdruck und geeigneter Gefäßmorphologie
In allen pAVK-Stadien steht die Beachtung und das Management der individuellen Risikofaktoren an erster Stelle. Änderungen der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten sind dementsprechend immer Bestandteil der Behandlung. Die Förderung eines gesunden Lebensstils umfasst insbesondere den Nikotinverzicht, das Erreichen eines gesunden Körpergewichts sowie die Etablierung ausgewogener Ernährungsgewohnheiten. So können Patientinnen und Patienten das Risiko des Voranschreitens der Erkrankung und die daraus resultierenden Folgen selbst beeinflussen.
Menschen mit pAVK sollten ihre Beine immer tief lagern. Dadurch erhöht sich der Druck, mit dem das Gewebe durchblutet wird (Perfusionsdruck), der zu einem leichteren Blutfluss und dadurch besserer Durchblutung führt. Außerdem sollten Erkrankungen wie Hyperlipidämie, Hypertonie und Diabetes mellitus therapiert und gut eingestellt werden.
Wie Sie chronische Wunden und Nekrosen bei pAVK-Betroffenen richtig behandeln und was es zu beachten gilt, erfahren sie in den folgenden Artikeln:
pAVK Stadium I und Stadium II nach Fontaine
Bei der pAVK im Stadium I und II nach Fontaine ist Gehtraining ein zentraler Therapiebestandteil, da es die Bildung von Umgehungskreisläufen fördert. Neu gebildete Arterien helfen, die minderdurchbluteten Bereiche besser zu versorgen. Besonders wirksam ist strukturiertes Gehtraining mit klaren Vorgaben.
- Erklären Sie Ihren Patienten deshalb genau, wie das Gehtraining abläuft.
- Erläutern Sie, dass Ihre Patienten in moderatem Umfang und mehrmals täglich gehen sollten und bei Schmerzen sofort eine Pause einlegen müssen.
- Warnen Sie vor Überanstrengung: Schmerzen zeigen eine Minderdurchblutung an, die das Gewebe weiter schädigen kann.
- Betonen Sie das langfristige Ziel, bei dem schrittweise eine Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke erreicht werden soll.
Ausnahme: Für Patienten mit diabetischem Fußsynrom (DFS) ist Gehtraining nicht geeignet.
Ab Stadium II kommen Thrombozytenfunktionshemmer wie ASS oder Clopidogrel zum Einsatz, um die arterielle Durchblutung zu verbessern und der Bildung von Thromben vorzubeugen.
pAVK Stadium III und Stadium IV nach Fontaine
Bei pAVK im Stadium III und Stadium IV nach Fontaine müssen Betroffene körperliche Anstrengung vermeiden. Erklären Sie Ihrem Patienten, dass ein Gehtraining nicht mehr stattfinden darf, da die verengten Gefäße den durch die Bewegung erhöhten Sauerstoff- und Nährstoffverbrauch nicht mehr decken könnten.
Um die Versorgung des Gewebes aufrechtzuerhalten bzw. zu verbessern, sind in pAVK-Stadium III und Stadium IV interventionelle oder operative Therapien notwendig. Welche Maßnahme anzuwenden ist, muss individuell entschieden werden.
- Interventionelle Therapien sind i. d. R. minimalinvasive Verfahren, um die Verengung innerhalb der Arterie zu entfernen. Zu den heutigen Standardverfahren gehören verschiedene Rekanalisationstechniken, wie der Einsatz von Ballonkathetern oder Stents.
- Die operative Therapie bedeutet immer einen Eingriff in Vollnarkose mit entsprechenden Risiken. Die Gefäßverengung wird mit einem Bypass überbrückt. Als "Ersatzgefäß" kann hierfür je nach Lokalisation und Situation eine körpereigene Vene oder eine Gefäßprothese verwendet werden.
Besteht keine Möglichkeit zur ausreichenden Revaskularisation, erfolgt eine rein medikamentöse Therapie. Im schwersten Fall stellt die Amputation von Gliedmaßen oder der Extremität die letztmögliche Maßnahme dar.
Was sind Symptome einer pAVK?
Eine pAVK im sehr frühen Stadium verursacht noch keine Symptome und wird, wenn überhaupt, nur zufällig bei ärztlichen Untersuchungen festgestellt.
Schreitet die Erkrankung fort, kommt es zu relevanten Stenosen der arteriellen Gefäße. Dadurch erhält das Gewebe unter Anstrengung nicht mehr genug Sauerstoff über die Blutzirkulation. Dies äußert sich in Schmerzen, die im betroffenen Bereich auftreten, zum Beispiel der Wadenmuskulatur. Da die Schmerzen durch einen Sauerstoffmangel der Muskulatur entstehenden, werden sie auch ischämische Schmerzen genannt. Diese kommen reproduzierbar nach einer gewissen Gehstrecke vor und verschwinden nach einer kurzen Pause wieder.
Die ischämischen Muskelschmerzen unter Belastung in Kombination mit einer reduzierten Schrittgeschwindigkeit heißen fachsprachlich Claudicatio intermittens. Die Schmerzen werden so stark, dass sie Betroffene zu Pausen zwingen. Das brachte der pAVK auch den Namen „Schaufensterkrankheit“ ein, da viele Menschen sich die gezwungenen Pausen nicht anmerken lassen wollen und durch intensives Schaufenstergucken o. ä. ablenken.
Im fortgeschrittenen Stadium sind die Stenosen oder Verschlüsse so ausgeprägt und die Durchblutung der Extremität dadurch derart vermindert, dass die ischämischen Schmerzen auch in Ruhe auftreten. Dieser Ruheschmerz verschlimmert sich häufig, wenn Betroffene sich hinlegen, da die horizontale Lage der Beine den Blutfluss weiter beeinträchtigt.
Bei schwerster Ausprägung der pAVK kommt es durch die mangelhafte Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen zum Absterben von Gewebe in Form von Nekrosen oder Ulzerationen.
Neben Schmerzen können folgende Symptome auf eine (fortgeschrittene) pAVK hindeuten:
- kühle und blasse, mitunter marmoriert aussehende Haut der betroffenen Extremitäten
- Parästhesien: Kribbeln, Taubheit, Einschlafen der Beine, Kältegefühl. Besonders bei hochgelegten Beinen und Verbesserung bei Tieflagerung der Beine
- Nekrose von Gliedmaßen (Gangrän) oder Ulzerationen
- trockene, schuppige Haut an Beinen und Füßen
- langsames Wachstum der Fußnägel
- Verlust der Beinbehaarung
- schlechte Wundheilung
Wie wird eine pAVK diagnostiziert?
Besteht Verdacht auf eine pAVK, werden zunächst die Extremitäten im Seitenvergleich bezüglich Temperatur, Puls, Muskulatur, Behaarung und Hautveränderungen beurteilt. Neurologische Untersuchungen sind für die Differenzialdiagnostik hilfreich. Die Ermittlung des Knöchel-Arm-Druck-Index (KADI, engl. Ankle-brachial-Index, ABI) gehört zur orientierenden Basisuntersuchung des Gefäßstatus. Ein KADI von weniger als 0,9 wird als beweisend für eine pAVK definiert. Ein KADI zwischen 0,90 und 1,0 in Ruhe kann eine pAVK jedoch nicht ausschließen. Eine KADI-Messung unter Belastung kann aufschlussreich sein.
Für die Klassifizierung nach Fontaine bzw. Rutherford erfolgt die Messung der schmerzfreien Gehstrecke auf dem Laufband.
ABI-Wert | Schweregrad der pAVK |
---|---|
> 1,3 | falsch hohe Werte (Verdacht auf Mediasklerose) |
> 0,9 | Normalbefund |
0,75 - 0,9 | leichte pAVK |
0,5 - 0,75 | mittelschwere pAVK |
< 0,5 | schwere pAVK (kritische Ischämie) |
Blutdruck Knöchel: 96:70
Blutdruck Arm: 120:80
ABI: 96:120 = 0,8 → leichte pAVK
Weitere Untersuchungen erfolgen, wenn die Ergebnisse der KADI-Messung nicht plausibel sind oder die Lokalisation und das Ausmaß der Gefäßverengung genau bestimmt werden soll. Die farbkodierte Duplexsonografie (FKDS) ist die Methode der Wahl zur Therapieplanung vor invasiven Maßnahmen. Weitere Untersuchungsmethoden wie die computertomografische Angiographie (CTA), die Magnetresonanz-Angiographie (MRA) oder die intraarterielle digitale Subtraktionsangiografie (DSA) können zum Einsatz kommen.
Video: ABI Messung | Diagnose von Durchblutungsstörungen mit Knöchel-Arm-Druck-Index
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Klassifizierung der pAVK
Die pAVK wird anhand der Symptome in verschiedene Stadien bzw. Grade und Kategorien eingeteilt. In Deutschland hat sich die Stadieneinteilung nach Fontaine durchgesetzt. Im angelsächsischen Raum und der internationalen Wissenschaft wird die pAVK hingegen meist nach Rutherford klassifiziert.
Stadieneinteilungen der pAVK gemäß Fontaine und Rutherford [1]:
Fontaine | Rutherford | |||
---|---|---|---|---|
Stadium | Klinisches Bild | Grad | Kategorie | Klinisches Bild |
I | asymptomatisch | 0 | 0 | asymptomatisch |
IIa | Gehstrecke > 200 m | I | 1 | leichte Claudicatio intermittens |
IIb | Gehstrecke < 200 m | I | 2 | mäßige Claudicatio intermittens |
I | 3 | schwere Claudicatio intermittens | ||
III | ischämischer Ruheschmerz | II | 4 | ischämischer Ruheschmerz |
IV | Ulkus, Gangrän | III | 5 | kleinflächige Nekrose |
III | 6 | großflächige Nekrose |
Liegen Ruheschmerz und/oder bereits Nekrosen bzw. Ulzerationen vor, spricht man von einer kritischen Ischämie oder auch chronischen kritischen Extremitätenischämie (chronic limb threatening ischemia = CLTI).
Was sind Ursachen und Risikofaktoren der pAVK?
Die häufigste Ursache der pAVK ist die Atherosklerose. Sie ist bei 95% der Menschen mit einer pAVK Ursache der Stenosen bzw. Okklusionen der Gefäße. Die Atherosklerose ist eine Form der Arteriosklerose. Sie ist gekennzeichnet durch die Entstehung fettreicher Ablagerungen in der Innenschicht der Arterienwände, sogenannte Plaques, die die Arterien verengen. Da atherosklerotische Veränderungen alle arteriellen Gefäße betreffen, ist das Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko bei pAVK-Patienten und -Patientinnen gegenüber Gesunden deutlich erhöht.
Risikofaktoren
Alle Risiken, die eine Atherosklerose begünstigen, stellen auch Risikofaktoren für eine pAVK dar. Dazu gehören:
- Hyperlipidämie
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Diabetes mellitus
- Übergewicht
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- familiäre Vorbelastung
Verhaltensprävention bei pAVK
Erläutern Sie, dass Menschen mit pAVK ihre Verhaltensweisen diszipliniert ändern und auf einige Dinge komplett verzichten sollten. Sie können so das Voranschreiten der Erkrankung und die daraus resultierenden Folgen selbst beeinflussen.
- Rauchen: allem voran sollte das Rauchen und insgesamt der Konsum von Nikotin eingestellt werden. Nikotin führt zu einer Verengung der Gefäße (Vasokonstriktion) und verschlechtert dadurch die Durchblutung zusätzlich.
- Kälte: da Kälte ebenfalls zu einer Vasokonstriktion führt, sollte auch Kälte vermieden werden, insbesondere an den Extremitäten.
- Wärme: auf übermäßige Wärme, beispielsweise heiße Wärmflaschen, sollten Menschen mit pAVK auch verzichten. Durch ein vermindertes Empfinden in den betroffenen Gliedmaßen können dadurch unbemerkt ernsthafte Verbrennungen entstehen.
- Hohe Lagerung der Beine: durch das Hochlegen der Beine verringert sich der Perfusionsdruck, wodurch das Blut schlechter durch die Arterien fließt.
- Enge oder einschnürende Strümpfe: diese vermindern den arteriellen Blutfluss und sollten darum nicht getragen werden.
- Durchblutungsfördernde (hyperämisierende) Salben: bei pAVK können hyperämisierende Salben zum Steal-Phänomen führen. D. h. das Gegenteil passiert. Durch eine Umverteilung des Blutflusses wird ein Areal zugunsten anderer Areale minderdurchblutet.
- Kompressionstherapie: erst eine relevante pAVK (III und IV) stellt eine Kontraindikation für eine Kompressionstherapie dar. Weitere Informationen zur Kompressionstherapie bei pAVK finden sich im Artikel „Kompressionstherapie und Kompressionsverband“.
Eine pAVK kann nicht geheilt werden. Daher zielt die Therapie darauf ab, das Fortschreiten der pAVK zu verhindern, Schmerzen zu lindern sowie Komplikationen und Amputationen zu vermeiden.