Wunden und Hauterkrankungen bei stark pigmentierter Haut

Wunden und Hauterkrankungen bei stark pigmentierter Haut

Krankheiten und Verletzungen erscheinen auf dunklerer Haut oft ganz anders als auf heller. Allerdings wird diese Tatsache in der medizinischen und pflegerischen Ausbildung noch immer nicht ausreichend berücksichtigt – mit der Konsequenz, dass Wunden und Hauterkrankungen bei Menschen mit stark pigmentierter Haut unter Umständen nicht richtig eingeschätzt oder sogar falsch diagnostiziert werden.

Hauterkrankungen und Verletzungen bei dunklerer, stärker pigmentierter Haut erkennen

Nach wie vor findet dunkler pigmentierte Haut im Zusammenhang mit Hautkrankheiten in Fach- und Lehrbüchern oder auf medizinischen Websites nur unzureichende Beachtung. Häufig werden vor allem Fotos von Patientinnen oder Patienten mit heller, wenig pigmentierter Haut gezeigt. Jedoch liegen, in Abhängigkeit vom Pigmentierungsgrad der Haut, teils deutliche Unterschiede bezüglich der Anfälligkeit für bestimmte Hauterkrankungen, der Diagnostik und teilweise auch der Behandlung vor. Aus Unwissenheit werden Hauterkrankungen wie Druckulzera oder Hautkrebs bei Menschen mit einer dunkler pigmentierten Haut häufig zu spät diagnostiziert. In Folge kommt es zu Einbußen im Behandlungserfolg.

Strukturelle und funktionelle Unterschiede verschiedener Hauttypen
  • Melanin: Der offensichtlichste Unterschied zwischen dunklerer und hellerer Haut ist der Grad der Hautpigmentierung. Melanin, das von Melanozyten produziert und in Melanosomen gespeichert wird, ist für die Pigmentierung der Haut verantwortlich. Unterschiede in der Hautpigmentierung gehen auf Größe und Verteilung der Melanosomen zurück. Menschen mit stark pigmentierter Haut haben größere Melanosomen, die große Mengen an Melanin enthalten, verglichen mit Menschen hellerer Hautfarbe. 
     
  • Stratum corneum (Hornschicht): Das Stratum corneum bildet eine Barriere zwischen der äußeren Umgebung und dem menschlichen Körper. Das Stratum corneum hat eine Barrierefunktion, die den transepidermalen Wasserverlust und die Feuchtigkeitsversorgung kontrolliert. Die Hornschicht verhindert das Eindringen toxischer Substanzen und schützt vor mechanischen Einwirkungen und UV-Licht. Bei Menschen afrikanischer Herkunft ist das Stratum corneum mehrschichtiger und kompakter als bei vielen anderen Bevölkerungsgruppen. Vergleichsweise dünnschichtig ist das Stratum corneum bei Menschen ost-asiatischer Herkunft. 
     
  • Cermamide: Ceramide kommen im Stratum corneum vor und tragen dazu bei, eine starke Permeabilitätsbarriere gegen übermäßigen Wasser- und Elektrolytverlust zu schaffen. Es wurde festgestellt, dass der Ceramidspiegel bei Menschen mit dunkel pigmentierter Haut niedriger ist als bei hellhäutigen Menschen und Ostasiaten. Der niedrige Ceramidspiegel wird in den Zusammenhang mit der häufigen Manifestation von trockener Haut bei Menschen mit stark pigmentierter Haut gebracht.
     
  • Dermis (Lederhaut): Menschen mit dunkler Haut haben eine dicke und kompaktere Dermis im Gegensatz zu Menschen mit heller Haut. Das heißt, bei stark pigmentierter Haut liegen vermehrt Fibroblasten vor, die Kollagenfaserbündel sind vergleichsweise klein und die Proteoglykane zwischen den Kollagenfasern eng gestapelt. 

Dekubitus bei dunkel pigmentierter Haut

Der Anteil von Druckverletzungen in Langzeitpflegeeinrichtungen ist häufig höher bei Menschen mit stärker pigmentierter Haut als bei Menschen mit hellerer Haut. Zudem werden Dekubitus bei Menschen mit stark pigmentierter Haut tendenziell erst in späteren Stadien festgestellt, nicht zuletzt, weil das Pflegepersonal und Ärzteteams nur unzureichend Erfahrung in der Diagnostik bei stärkerer Hautpigmentierung besitzen. Vor allem liegt dies an fehlender Fachliteratur, weniger Fallbeispielen und geringerer Studienlage.

Bei der Beurteilung von Dekubitus bei dunkel pigmentierter Haut ist Folgendes zu beachten:

  • Die Farbe intakter dunkel pigmentierter Haut bleibt weitgehend unverändert, d.h. sie erbleicht nicht, wenn Druck auf einen knöchernen Vorsprung ausgeübt wird.
  • An Druckstellen kommt es zu lokalen Farbveränderungen der Haut. Die Farbe weicht dabei von der üblichen Hautfarbe der Person ab. Der Hautbereich erscheint meist violett/bläulich oder auberginenfarben.
  • Im Vergleich zur umgebenden Haut besteht an Druckstellen eine örtliche Wärmeentwicklung. 
  • Das Auftreten von Ödemen von mehr als 15 mm Durchmesser weist auf eine Dekubitusentwicklung hin. Die Haut ist angespannt und glänzt.
  • Es bestehen Schmerzen oder Beschwerden an Körperregionen, die für die Entstehung eines Dekubitus prädisponiert sind.
  • Wenn eine Person zuvor einen Dekubitus hatte, wird dieser Hautbereich heller erscheinen, bevor er wieder seine ursprüngliche Farbe annimmt.

Hier finden Sie Hinweise zur Behandlung von Dekubitus

Wir benötigen Ihre UnterstützungFallbeispiele gesucht

Im deutschsprachigen Raum gibt es wenige Informationen zu Wunden auf dunkler Haut. Auch Bilder von Wundsituationen, die zu einer besseren Aufklärung bei Fachpersonen beitragen können, sind schwer zu bekommen. Wenn Ihnen entsprechende Fälle in der Praxis begegnen und auch Ihre Patienten mit einer anonymisierten Wunddokumentation einverstanden sind, würden wir uns freuen, wenn Sie mit uns in Kontakt treten.

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Hautkrebs bei dunklerer Haut erkennen und einschätzen

Der nicht-melanozytäre Hautkrebs, auch weißer Hautkrebs genannt, gehört zu den häufigsten malignen Erkrankungen weltweit. Während das Basalzellkarzinom bei Menschen mit heller Haut, Hispanoamerikanern und bestimmten asiatischen Bevölkerungsgruppen die häufigste Form des weißen Hautkrebses ist, tritt das Plattenepithelkarzinom am häufigsten bei Menschen mit sehr dunkler Haut und asiatischen Inderinnen und Indern auf.

Aufklärung ist wichtig - nicht nur auf Patientenseite

Obwohl die Häufigkeit von Hautkrebs bei Menschen mit stark pigmentierter Haut vergleichsweise niedrig ist, ist die Sterblichkeit in diesen Gruppen unverhältnismäßig hoch. Ursachen hierfür sind neben mangelnder Aufklärung von Patientinnen und Patienten vor allem auch unzureichende diagnostische Kenntnisse auf Seiten des medizinischen Personals. Menschen mit stärker pigmentierter Haut praktizieren zudem weniger häufig Sonnenschutzgewohnheiten als Menschen mit hellerer Hautpigmentierung, da oft eine Wissenslücke in Bezug auf Hautsicherheit und Sonnenschutz besteht. Zwar erleiden Menschen mit dunkel pigmentierter Haut seltener Sonnenbrände, trotzdem schädigt die UV-Strahlung des Sonnenlichtes die Haut und erhöht das Krebsrisiko. Die Aufklärung über eine regelmäßige Verwendung von Sonnenschutz auch bei stark pigmentierter, dunkler Haut sollte deshalb gefördert werden.

Typen von Hautkrebs und betroffene Hautschichten, Schema
Typen von Hautkrebs und betroffene Hautschichten, Schema

Bei einem Hautkrebsscreening von dunkel pigmentierter Haut ist Folgendes zu beachten:

Lokalisation: 

  • Hellere Hauttypen neigen dazu, weißen Hautkrebs an stark sonnenexponierten Körperstellen zu entwickeln. Bei sehr dunkler Haut wird Hautkrebs häufiger in nicht-exponierten Körperbereichen gefunden, beispielsweise an den unteren Extremitäten, der Fußsohle oder der Anogenitalregion. In diesen Körperregionen bemerken Betroffene bösartige Hautveränderung häufig erst spät, was zu einer verzögerten Behandlung und folglich einem schlechteren Therapieansprechen beiträgt.

Aussehen: 

  • Ein Basalzellkarzinom erscheint auf heller Haut als durchscheinender, solitärer Knoten, der mit Teleangiektasien überzogen ist. Teleangiektasien sind sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleiner Blutgefäße wie Kapillaren von Haut und Schleimhaut. Bei Größenzunahme des Karzinoms bildet sich zusätzlich ein perlschnurartiger Randwall. Über die Hälfte der Basalzellkarzinome auf dunklerer Haut weist eine verstärkte Pigmentierung auf, die möglicherweise die Sichtbarkeit von Teleangiektasien verdeckt und zu einem "schwarzperligen" Erscheinungsbild führt.
  • Plattenepithelkarzinome bei stark pigmentierter Haut entwickeln sich am häufigsten innerhalb chronischer Narben. Sie weisen ein breites Spektrum an klinischen Erscheinungsbildern auf, darunter:
    • Nicht heilende, chronische Geschwüre
    • Schuppende Plaques: Plaques sind tastbare Hautläsionen mit einem Durchmesser von mindestens 1 cm. Aufgrund von Epithelanhäufungen kann die Haut im Bereich des Plaques “schuppen”.
    • Knötchen (Nodula): Knötchen sind sehr feste Papeln, die in die tieferen Hautschichten hinein oder über die Haut hinausragen können.
    • Körnchenartige (granulomatöse) Läsionen: Granulome sind körnchenförmige Gewebeneubildungen oder Zellansammlungen. Häufig entstehen granulomatöse Läsionen im Rahmen einer Entzündung.
    • Warzenähnliche Papeln (Papula): Papeln sind erhöhte, tastbare Hautläsionen mit einem Durchmesser kleiner als 1 cm. Neben dem Hautkrebs gehen Warzen, Windpocken oder Insektenstiche mit einer Papelbildung einher.

Seborrhoische Dermatitis

Die seborrhoische Dermatitis, eine entzündliche Hauterkrankung unklarer Ursache, ist bei Menschen mit dunkleren Hauttypen sehr häufig. Sie gehört zu den fünf häufigsten Diagnosen bei stark pigmentierter Haut. Typisch für die Erkrankung ist eine schuppende Haut und Krustenbildung, die vor allem Hautbereiche mit hoher Talgproduktion wie Gesicht und Kopfhaut, einschließlich Nasolabialfalten, Glabella (haarlose Hautregion zwischen den Augen), Augenbrauen, Ohren, retroaurikuläre („hinter dem Ohr“) Haut, Bartbereich, Brustbein und andere Hautfalten betrifft. Auf heller Haut erscheinen die Flecken rötlich. Bei Menschen mit stark pigmentierter Haut können hypopigmentierte Flecken in den typischen Befallsbereichen auftreten. Bei Säuglingen betrifft das Ekzem vor allem den Kopfbereich. 

Die Behandlung der seborrhoischen Dermatitis umfasst unter anderem milde topische Kortikosteroide, Salicylsäure und Shampoos mit Antipilzmitteln. 

 

Der besondere FallBorreliose

Die durch Zecken übertragbare Krankheit Borreliose macht sich oft durch einen zirka fünf Zentimeter dicken Ring um den Zeckenbiss bemerkbar. Während dieser Ring auf heller Haut eine rötliche Farbe annimmt, ist er auf sehr dunkler Haut bläulich-grau. Wird eine Borreliose nicht frühzeitig erkannt und mit Antibiotika behandelt, können Spätfolgen wie Nervenentzündungen auftreten.

Rosazea bei stärker pigmentierter Haut

Obwohl Rosazea häufiger bei hellen Hauttypen auftritt, leiden auch Menschen mit stark pigmentierter Haut unter der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung, die sich im Gesicht und manchmal auch in den Augen manifestiert. Die Ursache der Rosazea ist noch nicht hinreichend geklärt, verschiedene Auslöser wie UV-Licht, starke Hitze oder Kälte, erbliche Faktoren, eine spezielle Haarmilbe und Stress werden diskutiert.

Zu den Anzeichen der Rosazea bei dunkleren Hauttypen gehören:

  • Hautrötungen (Erytheme): Bei Krankheitsbeginn treten Hautrötungen plötzlich und „flushartig“ auf. Im weiteren Krankheitsverlauf bleiben Erytheme dauerhaft. Hautrötungen sind auf stark pigmentierter Haut schwer zu erkennen. Die Begutachtung der Haut mit einer Lupe und die Suche nach Läsionen kann bei der Diagnostik helfen. Oft gehen Hautrötungen mit einem warmen, brennenden Hautgefühl einher. Deshalb ist es wichtig zusätzlich eine Selbstauskunft der Betroffenen einzuholen. Häufig tritt bei Menschen mit stark pigmentierter Haut auch der sogenannte granulomatöse Subtyp auf, der periorale (um den Mund) und periokulare (die Augen betreffend) Läsionen umfasst und keine typischen Erytheme aufweist.
  • Papeln und Pusteln ohne Komedone („Mitesser“): Finden sich keine Komedone auf der Haut, kann eine Akneerkrankung ausgeschlossen werden

Die grundlegenden Behandlungsschemata sind für alle Hauttypen gleich: Triggerfaktoren sollten möglichst vermieden werden und bei starken Hautveränderungen können Medikamente zum Auftragen auf die Haut mit den Wirkstoffen Brimonidin, Ivermectin oder Metronidazol verwendet werden. Bei dunkleren Hauttypen sollte zusätzlich die postinflammatorische Hyperpigmentierung berücksichtigt werden.

Spezielle Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen bei stark pigmentierter Haut

Eine häufige Komplikation nach Eingriffen bei Menschen mit stark pigmentierter Haut ist die postinflammatorische Dyspigmentierung (Hyper- oder Hypopigmentierung). Aber auch andere postoperative Komplikationen treten eher bei Personen mit stark pigmentierter Haut auf und können das Leben der Menschen entscheidend beeinflussen. 

Keloide

Keloide entstehen durch ein überschießendes Wachstum von Fibroblasten nach einer Hautverletzung oder Operation. Sie erscheinen oft als glatte Wucherungen von Narbengewebe. Bei stark pigmentierter Haut treten Keloide etwa 15-mal häufiger auf als bei hellen Hauttypen. Das ist darauf zurückzuführen, dass Fibroblasten bei dunkler Haut größer, oft vielkernig, vermehrt vorhanden sowie dichter gepackt sind.

Um die Bildung von Keloiden zu reduzieren, sollten bei Risikopatienten nicht unbedingt notwendige Eingriffe vermieden werden. Spannungsfreie Wundverschlüsse sind besonders wichtig, um das Risiko von Entzündungen, Unterminierungen und Keloiden zu minimieren. Zu den Behandlungsmöglichkeiten von Keloiden gehören chirurgische Revisionen, Strahlen- und Lasertherapie sowie verschiedene topische und intraläsionale Behandlungen.

Postoperative Infektionen

Farbveränderungen der Haut wie Rötungen sind wichtig, um Infektionen an der Operationsstelle zu diagnostizieren. Auf stark pigmentierter Haut ist es oftmals schwieriger, Erytheme zu erkennen als auf heller. Deshalb ist es bei stark pigmentierter Haut besonders wichtig, auf Symptome zu achten, um postoperative Infektionen schnell zu erkennen. Das Vorhandensein von Schmerzen, Schwellungen, Wärmeentwicklung und einer Dyspigmentierung der Haut kann auf eine Infektion hinweisen. 

Zur Vorbeugung von postoperativen Infektionen bei Menschen mit stark pigmentierter Haut sollte zusätzlich folgender Aspekt beachtet werden:

Eine präoperative Haarentfernung wird in der Chirurgie an behaarten Regionen häufig in Betracht gezogen. Bei Menschen mit dunkler, stark pigmentierter Haut ist das Infektionsrisiko allerdings am geringsten, wenn die Haare nicht entfernt werden. Aufgrund der schrägen Ausrichtung der Haarfollikel bei Menschen afrikanischer Abstammung kann eine Rasur zu scharfen, schrägen Schnittkanten führen, welche die Haut leicht durchdringen können. Dadurch entstehen „Eintrittspforten“ für unterschiedlichste Erreger und das Infektionsrisiko steigt. Wenn Haare entfernt werden müssen, sollte dies unmittelbar vor der Operation mit einem elektronischen Rasierapparat und nicht durch eine Rasierklinge erfolgen.

Postinflammatorische Hyperpigmentierung

Einer Studie zufolge ist die postinflammatorische Hyperpigmentierung (Störung des Pigmenthaushalts der Haut) die dritthäufigste Diagnose, die in der dermatologischen Praxis bei Menschen mit stark pigmentierter Haut gestellt wird. Die regelmäßige Verwendung von Sonnenschutzmitteln kann das Fortschreiten der postinflammatorischen Hyperpigmentierung eindämmen. 

Genetische Faktoren spielen dabei eine Rolle, ob die Melanozyten einer Person nach einer Hautverletzung mit normaler Pigmentierung oder einer Hypo- bzw. Hyperpigmentierung (verminderter bzw. verstärkter Pigmentierung) reagieren. Pigmentveränderungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen, weshalb Komplikationen bei der Versorgung von Hautverletzungen minimiert werden sollten.

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.