Kaltplasmatherapie

Kaltplasmatherapie

Die Kaltplasma-Behandlung ist ein innovatives und wirksames Verfahren bei chronischen Wunden. Sie fördert den Wundheilungsprozess und kann den Wundverschluss von langwierigen chronischen Wunden herbeiführen.

Wie läuft eine Kaltplasmatherapie ab?

Kaltplasma wird flächig oder punktuell auf das betroffene Hautareal aufgetragen. Die Behandlung erfolgt meist 2-3-mal wöchentlich mit anschließender Therapiepause. 

Die Kaltplasmatherapie ist eine sanfte, leicht durchführbare Therapie. Sie erfolgt ohne Schmerzen und ohne bzw. mit leichtem Hautkontakt. Für die Herstellung von Kaltplasma können unterschiedliche Kaltplasmageräte von verschiedenen Herstellern zum Einsatz kommen. Generell unterscheidet man zwischen der flächigen und der punktuellen Kaltplasmabehandlung.

  • Flächige Behandlung: Kaltplasma-Geräte mit verschieden großen Aufsätzen ermöglichen eine flächige Verteilung des Plasmas. Dabei wird der Aufsatz leicht auf das betroffene Hautareal aufgelegt.
  • Jetverfahren mit Plasma-Pen: Mit Hilfe eines stiftähnlichen Gerätes, dem sogenannten PlasmaPen, wird das Kaltplasma gleichmäßig, gezielt und dicht über das betroffene Areal aufgetragen. Dabei findet kein Hautkontakt statt.

Je nach Wundbefund sollte das dafür optimale Kaltplasmagerät gewählt werden. Die Intensität der Plasmabehandlung wird über die Dauer der Sitzung gesteuert. In Abhängigkeit vom Kaltplasmagerät und Hersteller kann die Behandlungsdauer zwischen 30 Sekunden und 5 Minuten betragen. Die S2k-Leitlinie von 2022 empfiehlt bei chronischen und infizierten Wunden 2 bis 3 Kaltplasmabehandlungen pro Woche, gefolgt von 2- bis 3-wöchigen Therapiepausen. Bei stark nekrotischen oder entzündeten Wunden ist die Plasmatherapie anfänglich begleitend zum Wundébridement und einer möglichen lokalen oder systemischen medikamentösen Therapie anzuwenden.

Für welche Wundtypen ist die Kaltplasmatherapie geeignet?

Plasmageräte sind laut S2k-Leitlinie „Rationaler therapeutischer Einsatz von kaltem physikalischem Plasma“ von 2022 zugelassen für die Behandlung von Wunden mit gestörter oder verzögerter Heilung, zur Behandlung von Hauterkrankungen, die u. a. durch multiresistente Erreger bedingt sind und zur Behandlung mikrobiell kontaminierter und infizierter Haut‐, Schleimhaut, Wund‐ und Tumoroberflächen.1

Die Autoren der Leitlinie sehen in der Kaltplasmabehandlung eine Ergänzung zu der Standardtherapie. Ihre Empfehlungen beruhen auf einem starken Expertenkonsens, da die aktuelle Studienlage und verfügbare Evidenz (d.h. der durch Datenerhebung erbrachten Nachweis des therapeutischen Nutzens) nach wie vor begrenzt und uneinheitlich ist. Das liegt unter anderem daran, dass die Plasmamedizin noch ein junges Forschungsgebiet ist und groß angelegte, vergleichende Kaltplasmatherapie-Studien fehlen. Zusätzlich existieren unterschiedliche Arten, Techniken und Empfehlungen zur Verwendung von Kaltplasma, was Auswirkungen auf den Therapieerfolg hat und direkte Vergleiche erschwert. 

Wundbehandlung mit kaltem Plasma, chronische Fußwunde
Wundbehandlung mit kaltem Plasma, chronische Fußwunde
Kaltes Plasma zur Therapie einer chronischen Fußwunde
Punktuelle Kaltplasma-Behandlung, Fußulcus

Vor allem Patientinnen und Patienten mit chronischen oder infizierten Wunden können von einer Kaltplasmatherapie profitieren.

Kaltplasmatherapie-Studienlage

Bereits vorliegende Studiendaten weisen auf das große Potenzial der Kaltplasmatherapie in der Behandlung von Wunden und weiteren Erkrankungen hin. Folgende Anwendungsgebiete stehen unter anderem im Fokus der Plasmaforschung bzw. sind bereits Einsatzort für Kaltplasma:

  • Infizierte Ulzera: Kleinere klinische Studien konnten bereits über die positiven Effekte von Kaltplasma auf die Wundheilung von chronischen Wunden berichten2-7. So zeigte beispielsweise eine randomisierte klinische Studie zur Kaltplasmatherapie bei diabetischen Fußulzerationen eine signifikante Verringerung der Wundfläche und der Zeit bis zum Wundverschluss2;6. Im Gegensatz zu diesen positiven Ergebnissen zeigte eine Meta-Analyse keinen signifikanten Nutzen der Kaltplasmatherapie für die Wundheilung von chronischen Wunden.8 Anhand der aktuell vorliegenden Studien können noch keine belastbaren Aussagen zum Nutzen der Kaltplasmatherapie gemacht werden. Aus diesem Grund können die Autoren der S3-Leitlinie „Lokaltherapie schwerheilender und/oder chronischer Wunden aufgrund von peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus oder chronischer venöser Insuffizienz“9 von 2023  auch keine Behandlungsempfehlung aussprechen. 
  • Keloide und stark aufgeworfene Narben: Die Wirksamkeit von Kaltplasma bei Narben und Keloiden ist aktuell noch unklar und wird in klinischen Studien untersucht.10 
  • Neurodermitis, Ekzeme und Schuppenflechte: Versuchsweise wurde Kaltplasma bei keimbedingten oder entzündlichen Hauterkrankungen, wie z.B. Herpes, Schuppenflechte (Psoriasis), Pruritus oder Neurodermitis mit vielversprechenden Studienergebnissen eingesetzt.11,12
  • Akute Wunden wie Brandwunden: Patientinnen und Patienten mit akuten Wunden, z.B. Brandwunden nach einer Bestrahlung, können ggf. ebenfalls von der Kaltplasmatherapie profitieren.13 Die Studienlage ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt.
  • Palliative TumorwundenEs bestehen Hinweise, dass Patientinnen und Patienten mit ulzerierten, offenen, kontaminierten Tumormetastasen in der palliativen Behandlungssituation von der Plasmatherapie profitieren können. Die Kaltplasmabehandlung kann Keime reduzieren und damit die Geruchsentwicklung bekämpfen. Ebenso können Schmerzen abgemildert werden.
  • Krebstherapie: Der Einsatz von Plasma in der Krebstherapie ist Gegenstand intensiver Forschung.14,15 Beispielsweise fördert die EU seit Anfang 2023 Forschung zum Einsatz von Plasma gegen aktinische Keratose, einer Vorstufe von Hautkrebs.16
  • Zahnmedizin: Für die Zahnmedizin sind besonders die desinfizierenden Eigenschaften des Kaltplasmas interessant. So dient Kaltplasma der Abtötung von Keimen vor dem Einsetzen von Implantaten und der Bekämpfung von Zahnfleischentzündungen.

Was ist Plasma?

Plasma ist der vierte Aggregatzustand, neben fest, flüssig und gasförmig.

Durch die Zufuhr von Energie kann ein Feststoff in eine Flüssigkeit und weiter in einen gasförmigen Zustand überführt werden. Wenn einem Gas zusätzlich Energie zugeführt wird, geht dieses in den „vierten“ Aggregatszustand, dem Plasmazustand, über.

In diesem Zustand lösen sich die negativ geladenen Teilchen, die sogenannten Elektronen, von den Gasatomen oder -molekülen. In einem Plasma schwirren Atome oder Moleküle, Ionen (elektrisch geladene Atome und Moleküle) sowie Elektronen diffus umher und interagieren miteinander. In der Natur findet man Plasmen unter anderem in der Sonne und anderen Sternen.

Die auf dem Markt verfüg­baren Geräte für die Kaltplasmatherapie verwenden verschiedene Plasmaquellen, wie Argon, Helium oder Raumluft.

Plasma ist elektrisch geladenes Gas.

Wieso wirkt die Plasma-Therapie bei Wunden?

Kaltplasma vernichtet Keime, verbessert die Sauerstoffversorgung in der Haut, regt das Zellwachstum an und fördert die Wundheilung.

Nach aktuellem Stand der Forschung besitzt Kaltplasma drei wirksame Bestandteile:

  • reaktive Stickstoff‐ und Sauerstoffspezies
  • UV-Strahlung
  • elektrische Felder

und erzielt dadurch zwei wichtige Effekte in der Wundbehandlung. Zum einem besitzt Kaltplasma eine stark antimikrobielle und antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung. Medizinisches Kaltplasma ist lediglich 30°C warm, dennoch tötet es innerhalb weniger Minuten Viren, Bakterien, Pilze oder Sporen ab.

Zusätzlich regt das Kaltplasma die Zellteilung (Zellproliferation) sowie die Zellwanderung (Zellmigration) an. Diese Prozesse steigern die Kollagensynthese und unterstützen die physiologische Wundheilung. Selbst bei langjährigen, chronischen Wunden kann eine Kaltplasmabehandlung gute Behandlungserfolge erzielen. 

Kaltplasma-Therapie am Unterschenkel
Kaltplasma-Therapie am Unterschenkel

Wann darf keine Kaltplasmatherapie durchgeführt werden?

Die Kaltplasmatherapie darf nicht angewendet werden bei 

  •  akuten blutenden Wunden
  •  Wunden an Organen
  •  bei Kindern unter 12 Jahren und Schwangeren.

Werden die Kosten einer Kaltplasmabehandlung durch die Krankenkasse erstattet?

Bislang wird die Kaltplasmatherapie nicht von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet und lediglich als privatärztliche Behandlung angeboten. 

Bevor die Kaltplasmatherapie zur additiven Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden kann, muss ihr medizinischer Nutzen belegt sein. Da die verfügbare Evidenz begrenzt ist, soll nun eine Erprobungsstudie klären, ob Menschen mit chronischen Wunden, die zuvor nicht auf die Standardbehandlung angesprochen haben, von einer Kaltplasmabehandlung profitieren.17 Fallen die Studienergebnisse positiv aus, stehen die Aussichten gut, dass die Wundbehandlung mit Kaltplasma innerhalb der nächsten Jahre eine Kassenleistung wird. 

Worin liegt der Unterschied zwischen kosmetischen und medizinischen Plasmabehandlungen?

In Medizin und Kosmetik werden unterschiedliche Plasmaarten eingesetzt, die sich vor allem in der Temperatur und den Plasma-Effekten unterscheiden.

In der Kosmetik werden Plasmabehandlungen unter anderem zur Lid- und Hautstraffung, Faltenbehandlung im Gesicht oder Entfernung von Pigmentflecken, Warzen und Hautläsionen eingesetzt. Die Behandlung erfolgt üblicherweise mittels PlasmaPen. Das kosmetische Plasma ist vom medizinischen Plasma abzugrenzen. Die beiden Plasmaarten unterscheiden sich vor allem in der Stärke der zugeführten Energien.

  • Das kosmetische Plasma ist wärmer und seine Wirksamkeit beruht allein auf thermischen Effekten. Der kosmetische PlasmaPen erzeugt einen erhitzten Lichtbogen, der auf die Haut einwirkt und diese glätten soll.
  • Das medizinische Plasma ist kälter. Die Wirksamkeit des medizinischen Plasmas beruht auf seinen keimtötenden Eigenschaften und zellregenerierenden Effekten, die aus der Stimulation der Zellproliferation und Mikrozirkulation entstehen.
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Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.