Zweiklassenmedizin? Privat- und Kassenpatienten in der Arztpraxis
Praxisalltag

Zweiklassenmedizin? Privat- und Kassenpatienten in der Arztpraxis

In deutschen Arztpraxen begegnen wir häufig einem Phänomen, das als "Zweiklassenmedizin" bezeichnet wird. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten. Dieser Umstand führt nicht selten zu Diskussionen und Spannungen im Praxisalltag. Als MFA sind wir in der Regel die erste Kontaktperson für Patienten und müssen mit dieser Thematik tagtäglich umgehen. 

In diesem Artikel möchte ich euch daher einen Überblick über die Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten geben und zeige euch ein paar Möglichkeiten, wie ihr in eurer Praxis damit umgehen könnt.

Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten

Der zentrale Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatienten liegt in der Art der Kostenübernahme für medizinische Leistungen:

  • Kassenpatienten/gesetzlich versicherte Patienten: Ihre Behandlungskosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Der Leistungskatalog und die Vergütung sind gesetzlich geregelt.
  • Privatpatienten/privat versicherte Patienten: Sie haben eine private Krankenversicherung und erhalten eine höhere Vergütung für ärztliche Leistungen. Der Leistungskatalog ist in der Regel umfangreicher.

Daraus ergeben sich weitere Unterschiede in Bezug auf:

  • Wartezeiten: Privatpatienten werden in der Regel bevorzugt behandelt und haben kürzere Wartezeiten.
  • Behandlungsumfang: Privatpatienten erhalten oft zusätzliche Leistungen, die für Kassenpatienten nicht oder als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) vorgesehen sind.
  • Arzt-Patienten-Verhältnis: Privatpatienten haben teilweise einen engeren Kontakt zu ihren Ärzten.

Umgang mit der Zweiklassenmedizin in der Praxis

Auch wenn die Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten gesetzlich verankert sind, sollte eine Arztpraxis stets darauf achten, allen Patienten eine gleichwertige Behandlung zukommen zu lassen. Hier sind meine Empfehlungen:

Transparenz und Kommunikation

  • Informiert eure Patienten transparent über Unterschiede in der Behandlung und Abrechnung.
  • Erklärt ihnen, dass die Praxis gesetzlich verpflichtet ist, diese Unterschiede einzuhalten.

Gleichbehandlung anstreben

  • Achtet darauf, dass Kassenpatienten nicht benachteiligt werden, z.B. bei Wartezeiten oder Terminfindung.
  • Pflegt bei allen Patienten den gleichen respektvollen und freundlichen Umgang.

Ethische Grundsätze beachten

  • Stellt das Wohl und die Bedürfnisse aller Patienten in den Mittelpunkt, unabhängig von ihrer Versicherung.
  • Vermeidet jegliche Form von Diskriminierung oder Vorzugsbehandlung.

Fortbildung und Beratung

  • Informiert und schult euer Praxisteam regelmäßig zum Thema Zweiklassenmedizin.
  • Holt euch bei Unsicherheiten Rat von Experten, z.B. Ärzteverbänden oder Kammern.

Privatpatienten als Zielgruppe

Privatpatienten stellen jedoch unumstritten eine wichtige Zielgruppe für Arztpraxen dar, da sie einen erheblichen Beitrag zu den Einnahmen leisten können. Daher sollte jede Praxis wohl überlegen, wie sie ihre Angebote und Services gezielt auf diese Patientengruppe ausrichten kann. 

Einige Möglichkeiten, wie Arztpraxen Privatpatienten für sich gewinnen und binden können, sind:

  • Serviceorientierung: Privatpatienten legen großen Wert auf Effizienz, Professionalität und einen persönlichen Service (wie z.B. eine eigene Hotline zur Terminvereinbarung). Praxen sollten daher ihre Abläufe optimieren und den Patientenkomfort in den Vordergrund stellen.
  • Individuelle Behandlung: Privatpatienten erwarten eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Behandlung. Praxen können hier mit einer ganzheitlichen Betreuung, alternativen Therapien oder exklusiven Zusatzleistungen (wie z.B. einem Anruf des behandelnden Arztes einen Tag nach einer Behandlung zur telefonischen Nachkontrolle) punkten.
  • Kommunikation und Transparenz: Privatpatienten wünschen sich einen offenen Dialog mit ihrem Arzt und Einblick in die Behandlung. Praxen sollten daher ihre Kommunikation (z.B. intensiver über die Art der Behandlung und vorhandene Möglichkeiten aufklären) und Dokumentation verbessern.
  • Moderne Ausstattung: Ein ansprechendes, hochwertiges Ambiente in der Praxis ist für Privatpatienten wichtig. Investitionen in die Praxiseinrichtung (wie z.B. ein eigener Wartebereich mit angebotenen Getränken) können hier attraktiv sein.
  • Erreichbarkeit und Flexibilität: Privatpatienten schätzen eine gute Erreichbarkeit der Praxis und flexible Termine. Praxen können hier mit erweiterten Öffnungszeiten oder Onlinebuchungen punkten.

Durch eine konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse von Privatpatienten können Arztpraxen deren Loyalität gewinnen und von den wirtschaftlichen Vorteilen profitieren. Gleichzeitig sollten Praxen aber stets die Gleichbehandlung aller Patienten im Blick behalten.

Die Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten sind in Deutschland gesetzlich verankert und lassen sich nicht vollständig vermeiden. Eine Arztpraxis hat jedoch die Aufgabe, allen Patienten eine Versorgung basierend auf dem Wirtschaftlichkeitsgebot (gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig) zukommen zu lassen und Diskriminierung zu vermeiden. Durch Transparenz, Gleichbehandlung und die Beachtung ethischer Grundsätze könnt ihr dazu beitragen, dass eure Praxis die Herausforderungen der Zweiklassenmedizin meistert und allen Patienten gerecht wird.

Wie handhabt ihr den Umgang mit gesetzlich und privat versicherten Patienten? Wo sind eure tagtäglichen Probleme in diesem Spannungsfeld? Ich bin gespannt, wie euer Praxisalltag aussieht. 

Viele Grüße

Eure Steffi

Die Autorin Steffi, MFA/Wundexpertin (ICW)
Steffi Blog

Nach der Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer dermatologischen Praxis für 5 Jahre im Praxisalltag als MFA, seit 2014 bei Dr. Ausbüttel (DRACO®). Wundexpertin (ICW) und bloggende MFA mit Leidenschaft.

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