Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin: Was kommt auf MFA zu?
Die Diskussion um die Einführung eines „Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin“ nimmt in Deutschland Fahrt auf. Während in Österreich das Modell bereits umgesetzt wird, schauen viele deutsche Akteure gespannt auf die Nachbarn. Für Medizinische Fachangestellte (MFA) ergeben sich daraus neue Chancen, aber auch Veränderungen im Praxisalltag.
In diesem Blog-Artikel gebe ich euch einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand und zeige euch das (theoretische) Potenzial dieses neuen Berufsbilds auf.
Was ist der aktuelle Diskussionsstand in Deutschland?
- In Deutschland existiert bislang der „Facharzt für Allgemeinmedizin“. Die Debatte, ob – ähnlich wie in Österreich – ein „Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin“ eingeführt werden sollte, wird intensiver geführt.
- Hintergrund ist der Wunsch, die Allgemeinmedizin zu stärken und attraktiver zu machen. Ziel ist es, die Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, die Attraktivität für den ärztlichen Nachwuchs zu erhöhen und die Rolle der Primärversorgung zu betonen.
- Die Diskussion ist geprägt von der Suche nach international erfolgreichen Modellen und der Frage, wie die Versorgung in Deutschland zukunftsfähig gestaltet werden kann.
Vorbilder aus dem Ausland: Das Beispiel Österreich
Österreich hat 2024 den „Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin“ eingeführt. Dieser ersetzt ab 2025 den bisherigen Titel „Arzt für Allgemeinmedizin“
Die Ausbildung ist umfassender und stärker strukturiert als bisher. Sie dauert insgesamt 48 bis 60 Monate und beinhaltet neben der Basisausbildung auch verpflichtende Rotationen in verschiedenen Fachrichtungen, darunter Innere Medizin, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie sowie Wahlfächer.
Das Ziel ist eine breiter aufgestellte, koordinierende und patientenzentrierte Versorgung, die von Kleinkindalter bis ins hohe Alter reicht und die Familie als Ganzes im Blick hat.
Das österreichische Modell wird als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für die Allgemeinmedizin gesehen und soll vor allem junge Ärztinnen und Ärzte für dieses Fach begeistern
Abgrenzung: Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin vs. Allgemeinmediziner
Merkmal | Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin (Österreich) | Facharzt für Allgemeinmedizin (Deutschland) |
---|---|---|
Ausbildungsdauer | 48–60 Monate | 60 Monate |
Ausbildungsinhalte | Breiter, mehr Rotation und mehr Pflichtfächer inkl. Familienmedizin | Fokus auf Innere Medizin, weniger Rotation |
Fokus | Primärversorgung, Familie, Koordination | Primärversorgung, Koordination |
Berufsbild | Eigenständiges Fach, „kein Fach light“ | Eigenständiges Fach |
Die österreichische Variante legt einen stärkeren Fokus auf die Betreuung der gesamten Familie und sieht eine noch breitere Ausbildung vor, insbesondere im Hinblick auf die Koordination mit anderen Fachrichtungen und die Prävention.
In Deutschland ist der Facharzt für Allgemeinmedizin bereits ein eigenständiges Fach, jedoch fehlt bislang die explizite Betonung der Familienmedizin und die strukturierte, verpflichtende Rotation in mehrere Fachrichtungen.
Das Berufsbild in der Praxis
- Der Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin ist die erste Anlaufstelle für Patienten aller Altersgruppen und Gesundheitsanliegen.
- Typische Aufgaben:
- Kontinuierliche und koordinierende Betreuung von Einzelpersonen und Familien
- Gesundheitsförderung, Prävention und Beratung
- Zusammenarbeit mit anderen Fachärzten und Gesundheitsberufen
- Langfristige Begleitung chronisch Kranker
- Organisation und Management der Praxis
Was würde sich für MFA ändern?
Die Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin hätte auch für MFA spürbare Folgen:
- Erweiterung der Aufgaben:
- Noch mehr Koordination zwischen verschiedenen Altersgruppen und Krankheitsbildern
- Stärkere Einbindung in Präventionsprogramme und Gesundheitsberatung
- Mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen
- Neue Anforderungen:
- Vermehrte Organisation von Familien- und Gruppenberatungen
- Umgang mit digitalen Tools zur Koordination und Dokumentation
- Unterstützung bei komplexeren Versorgungsprozessen (z.B. Case Management)
- Weiterbildungsmöglichkeiten:
- Spezialisierungen im Bereich Prävention, Familiengesundheit, Case Management
- Ausbau der Kompetenzen in der psychosozialen Betreuung
Was kommt konkret auf MFA zu?
- Noch mehr Vielfalt im Patientenkontakt: von Kindern bis Senioren, oft im Familienverbund
- Intensivere Beratungstätigkeit (z.B. Impfberatung für alle Generationen)
- Organisation von Präventionsangeboten und Gruppenveranstaltungen
- Unterstützung bei der Koordination von Facharztterminen und Therapien
- Mehr Verantwortung in der Patientensteuerung und -information
Die Einführung des Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin – wie in Österreich – könnte auch in Deutschland die Rolle der Primärversorgung stärken. Für MFA würde das bedeuten: mehr Verantwortung, neue Aufgabenfelder und die Chance, aktiv an der Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung mitzuwirken. Die Praxis wird noch vielseitiger, die Teamarbeit noch wichtiger – und die Arbeit als MFA noch spannender und sinnstiftender.
Was sind eure Gedanken zu diesem neuen Berufsbild? Haltet ihr dieses für zielführend und wichtig? Ich freue mich über eure Ideen.
Viele Grüße
Eure Steffi