Sauerstofftherapie in der Pflege

Sauerstofftherapie in der Pflege

Bei der Sauerstofftherapie handelt es sich um eine Behandlung, bei der Menschen zusätzlich Sauerstoff zugeführt wird, um einen niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut zu beheben.

Lungenerkrankungen werden seit einigen Jahren in Deutschland immer häufiger diagnostiziert.1 Dadurch wird auch immer häufiger das Medikament Sauerstoff verschrieben. Welche Ursachen zu einem Sauerstoffmangel führen können und welche Nebenwirkungen es zu verhindern gilt, lesen Sie hier.

Ohne Sauerstoff ist kein Leben möglich. Jeden Tag atmen wir, mithilfe unserer Lunge, viele Liter Sauerstoff ein. Diesen Sauerstoff benötigt unser Organismus um alle Körperfunktionen aufrechterhalten zu können.

Anatomie der Atemorgane – ein kurzer Überblick 

Die „Respiration (Atmung) ist die Grundvoraussetzung menschlichen Lebens. Mit der Atmung […] nimmt der Körper den Sauerstoff aus der Luft auf und gibt Kohlendioxid als Endprodukt des Stoffwechsels wieder an die Luft ab.“2 

 Die Atemorgane werden unterteilt in: 

  • Obere Atemwege: Nase, Nasennebenhöhlen, Rachen (Pharynx) 
  • Untere Atemwege: Kehlkopf (Larynx), Luftröhre (Trachea), Bronchien, Lungenbläschen (Alveolen) 

Physiologie der Atmung

Ein Atemzug wird in 4 Schritte unterteilt:2

  1. Inspiration (Einatmung): Bei der Inspiration wird sauerstoffreiche Luft eingeatmet und bis zu den Alveolen (Lungenbläschen) transportiert. Hier findet der Gasaustausch statt und das Kohlendioxid wird bei der Exspiration (Ausatmung) aus dem Körper hinaustransportiert.
  2. Diffusion: In den Alveolen findet der Gasaustausch statt. Der Sauerstoff diffundiert in die Lungenkapillaren (kleinste Blutgefäße der Lunge). Im Blut wird er an das Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) gebunden. Durch das Blutsystem wird der gebundene Sauerstoff im gesamten Organismus verteilt. 

Gleichzeitig wird das Kohlendioxid aus dem Körper an die Alveolen, ebenfalls über Diffusion, abgegeben und ausgeatmet. 

  1. Transport: Der Sauerstoff wird über das Gefäßsystem an alle Körperzellen transportiert. Auch in den Körperzellen findet ein Gasaustausch statt. Die Zelle nimmt den Sauerstoff auf und gibt Kohlendioxid an das Blut ab. 
  2. Verbrennung: Sauerstoff wird in den Körperzellen zu Energie umgewandelt. Diese sorgt dafür, dass die Zelle ihre spezifische Aufgabe im Organismus erfüllen kann. 

Stoffwechselendprodukte, z.B. Kohlenstoffdioxid, werden wiederum ans Gefäßsystem abgegeben und über die Atmung ausgeschieden. 

Sauerstoffmangel

Die typischen Anzeichen von Sauerstoffmangel sind: 

  • Dyspnoe (Atemnot) 
  • Zyanose (Blaufärbung von Haut und Schleimhäute) 
  • Bewusstseinseinschränkungen 
  • Hyperkapnie (Erhöhung des Kohlendioxids im arteriellen Blut)
Anatomie der Atemwege und Atemorgane, schematische Darstellung
Abbildung: Anatomie der Atemwege.
Sauerstofftherapie: Gasaustausch in der Lunge
Abbildung: Physiologischer Gasaustausch.
Symptome einer Hyperkapnie
  • Gerötete Haut 
  • Übermäßiges Schwitzen und Unruhe 
  • Hypertonie (erhöhter Blutdruck) 
  • Tachykardie (erhöhter Puls) 
  • Kopfschmerzen 
  • Übelkeit mit Erbrechen 
  • Muskelzuckungen bis Muskelkrämpfe 
  • Panik 
  • Koma (z.B. in Folge einer CO2-Narkose /Kohlenstoffdioxid-Narkose)

Ursachen für Sauerstoffmangel

Sauerstoffmangel kann viele Ursachen haben, die unbedingt zeitnah klinisch abgeklärt werden müssen.3

Ventilationsstörungen (Lunge wird nicht ausreichend belüftet)

  • Beeinträchtigung des Atemantriebs oder der Atemmuskulatur: Durch die Schädigung der Gehirnteile, die für die Steuerung der Atmung verantwortlich sind, z.B. durch erhöhten Hirndruck nach Schädel-Hirn-Trauma, Hirninfarkt oder durch einen hohen Querschnitt, kann der Atemimpuls nicht an die Atemmuskulatur weiter geleitet werden.
  • Obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen: Alveolen werden ungleichmäßig belüftet z.B. bei chronischer Bronchitis oder Asthma Bronchiale.

Perfusionsstörung (Durchblutung der Lunge nicht ausreichend)

z.B. durch Lungenembolie ist die Durchblutung der Alveolen vermindert/unterbrochen. Der Sauerstoff kann nicht ins Blutsystem diffundieren und weiter transportiert werden.

Diffusionsstörung (Gasaustausch ist gestört)

Die häufigste Ursache hierfür ist ein Lungenödem (Flüssigkeitsansammlung in der Lunge). Durch das Ödem ist die dünne Membran verdickt, sodass der Sauerstoff erschwert in die Lungenkapillaren diffundieren kann.

Störung des Atemantriebs

Durch Medikamente (Sedierung), Alkohol, Drogen, Schädel-Hirn-Trauma kann es zu Störungen oder Verletzungen im Gehirn kommen. Dadurch kann der Atemantrieb gestört werden.

Anämische Hypoxie (Verringerte Sauerstoffkapazität)

Durch den Mangel an Erythrozyten (rote Blutkörperchen) oder Mangel an Hämoglobin (roter Blutfarbstoff/Eisen) kann der ausreichend vorhandene Sauerstoff nicht im Blut gebunden und somit auch nicht an die Körperzellen weitergegeben werden.

Wundheilung und Sauerstoffmangel

In der Pathophysiologie chronischer Wunden spielt eine verminderte Sauerstoffversorgung des Gewebes bei nahezu allen Wundarten eine zentrale Rolle. Sauerstoffmangel verschlechtert die Wundheilungsprozesse, weshalb eine gute Sauerstoffbalance für die Wundheilung unerlässlich ist.

Siehe auch:

MOIST-Konzept

Sauerstoff – Indikation

Sauerstoff wird immer dann verabreicht, wenn eine Hypoxämie (Sauerstoffmangel im arteriellen Blut) vorliegt. (siehe Abschnitt Sauerstoffmangel)

Der Organismus versucht das Fehlen des Sauerstoffs zu kompensieren, indem er zum einen die Atemtätigkeit/Atemfrequenz steigert und zum anderen den Sympathikus stimuliert. Dadurch entsteht eine Tachykardie (Steigerung der Herzfrequenz) und Hypertonie (Steigerung des Blutdrucks). Dies hat eine verbesserte Durchblutung zur Folge, ist jedoch über eine längere Zeit sehr anstrengend.4

Arten von Sauerstofftherapie

Im außerklinischen Bereich stehen folgende Sauerstoffquellen zur Verfügung: 

  • Sauerstoffflaschen 
  • Behälter/Tanks mit Flüssigsauerstoff 
  • Sauerstoffkonzentratoren 

Eine Hypoxämie kann ganz plötzlich oder auch schleichend auftreten. Auslöser eines solchen Sauerstoffdefizits können unterschiedlichen Erkrankungen sein. Folgende Erkrankungen können u.a. eine Sauerstofftherapie notwendig machen:

  • Genetische Disposition (z.B. Mukoviszidose)
  • COPD
  • Infektionen (z.B. SARS-Virus, HIV) 
  • Tumorerkrankungen (z.B. Bronchial-Karzinom)
  • Lungenfibrose (z.B. nach längerer Exposition mit Nikotin oder Asbest)
  • Traumata (Schädel-Hirn-Verletzungen)
  • Intoxikation (z.B. Medikamente, Drogen)
  • Mangelerscheinungen (z.B. Eisenmangel)
  • Komorbiditäten (z.B. schwere Herzinsuffizienz)

Sauerstoffflaschen: Es gibt sie in verschiedenen Größen. Hier wird der Sauerstoff unter starkem Druck als Gas in die Flasche eingefüllt.5

VorteileNachteile
  • Keine Stromquelle notwendig
  • Keine Geräuschbelästigung
  • Schnell einsatzfähig, daher vor allem für Notfälle, Transporte, Reserve
  • Sind häufig auszutauschen, da schnell leer 

Beispiel: 10 Liter Flasche hält bei einer Flussrate von 2l/min ca. 16 h

Sauerstofftherapie: Sauerstoffflasche
Abbildung: Sauerstoffflasche
Sauerstoffbehälter und Stroller, Sauerstofftherapie
Abbildung: Sauerstoffbehälter und Stroller (Quelle: R.Ott)

Behälter mit Flüssigsauerstoff/Sauerstofftanks: Hier wird der gasförmige Sauerstoff auf –183 °C abgekühlt. Somit wechselt er seinen Aggregatzustand auf flüssig und kann platzsparend in große Tanks abgefüllt werden.

VorteileNachteile
  • Auffüllungen je nach Verbrauch nur 1-3x pro Monat
  • Keine Stromquelle notwendig
  • Transportable Behälter (Stroller) lassen sich am großen Tank auffüllen
  • Auffüllen nur durch spezielle Firmen, dadurch höhere Kosten
  • Beim Umgang Gefahr von Kälteverbrennungen

Vorsicht:„Beim Befüllen des Strollers kann es in seltenen Fällen zum Vereisen der Ventile und zum Ausströmen von Sauerstoff kommen. Deshalb ist es ratsam, ihn im Freien oder vor dem offenen Fenster zu befüllen.
Auf gar keinen Fall versuchen, etwas mit bloßen Händen zu reparieren, es würde sofort zu Kälteverbrennungen kommen.“2

Alternativ kann eine warme Tasse Wasser über die vereiste Stelle gegossen werden. Im Anschluss ist umgehend die Lieferfirma zu kontaktieren.2

Sauerstoffkonzentratoren: Sie speichern keinen Sauerstoff, sondern 'filtern' diesen aus der Raumluft, um ihn anschließend verstärkt an den Patienten weiterzugeben (Verfahren sehr vereinfacht beschrieben). 

Die Reinheit des Sauerstoffs ist stark von Hersteller, Typ und Flussrate abhängig und schwankt zwischen 80 % und 96 %. 

VorteileNachteile
  • Müssen nicht nachgefüllt werden
  • Arbeiten selbstständig
  • Kostengünstig
  • Abgesehen von Filterreinigung/-austausch wartungsfrei
  • Nach Einschalten braucht der Konzentrator 3-5 Minuten, um die volle Leistung zu erreichen
  • Stromquelle immer erforderlich!
  • Zum Teil sehr geräuschintensiv
  • Unhandlich und schwer

Für den Fall eines Stromausfalls muss immer eine Sauerstoffflasche zur Verfügung stehen!

Sauerstoffkonzentrator, mobiler Sauerstoffkonzentrator für Sauerstofftherapie
Abbildung: Sauerstoffkonzentrator und mobiler Sauerstoffkonzentrator. (Quelle: R. Ott)

Nebenwirkungen und Gefahren von Sauerstoff

Sauerstoff ist ein Medikament. Somit kann es auch zu Nebenwirkungen kommen. 

  • Sauerstofftoxizität: Eine zu hohe Sauerstoffkonzentration über längere Zeit kann das Lungengewebe massiv schädigen. Die Lunge kann dadurch ‘austrocknen’. Durch die geringe Feuchtigkeit des Sauerstoffs verschlechtert sich die mukoziliäre Clearance (Selbstreinigung der Lunge).

„Wenn hohe inspriratorische Sauerstoffkonzentrationen über längere Zeit (mehrere Tagen und Wochen) verabreicht werden müssen, kann es zu toxischen Schäden […] kommen. Kurzfristig hohe Konzentrationen oder Einstellungen unter 50 % über lange Zeit gegeben, sind wohl weniger bedenklich.“6

  • Die Alveolen können beschädigt werden. 
  • Atemlähmung: v.a. bei chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen, da sich der Organismus über einen längeren Zeitraum an die erhöhten Kohlenstoffdioxidwerte ‘gewöhnt’ hat. Der einzige Grund für das Aufrechterhalten des Atemantriebs ist der andauernde Sauerstoffmangel im Blut. Wird dieser nun durch die Gabe von Sauerstoff behoben, kann dies eine Atemlähmung zur Folge haben. 
  • Trockene Atemwege und Heiserkeit. 
  • Reizung oder Druckstellen durch Applikationssysteme. 
  • Beklemmungsgefühle durch die Sauerstoffmaske.

 Um oben genannten Schäden zu vermeiden, muss

  • die Sauerstoffkonzentration regelmäßig überprüft werden 
  • ggf. eine Atemgasbefeuchtung in Betracht gezogen werden 
  • eine regelmäßige Blutgasanalyse erfolgen, wonach dann die Flussrate des Sauerstoffs angepasst wird 
  • ein erhöhter Sauerstoffverbrauch vermieden werden (z.B. Muskelzittern, frieren) 

 Da Sauerstoff sehr reaktionsfreudig ist, gilt besondere Vorsicht im Umgang mit Feuer und Rauchen. Eine gute Schulung des Personals, aber vor allem des Patienten und dessen Angehörigen, ist zur Unfallvermeidung daher unablässig! 

Sauerstoff als Medikament kann auch bei bestimmten Wundsituationen eingesetzt werden.

Hyperbare Sauerstofftherapie kann als unterstützende Therapie beispielsweise bei einer nekrotisierenden Fasziitis angewendet werden.

Pflege von Menschen unter Sauerstofftherapie

  • Regelmäßige Kontrollen der Vitalwerte nach ärztlicher Anordnung: 
  • Pulsoxymetrie: Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung 
  • Kapnometrie: Messung des Kohlenstoffdioxidpartialdrucks in der Ausatemluft 
  • Kapnografie: Aufzeichnung der Kohlenstoffdioxid-Kurve während eines Atemzyklus (Einatmung und Ausatmung) 
  • Blutgasanalyse (BGA): Beurteilung des Gasaustausches in der Lunge. Gibt Aufschluss über bestimmte Erkrankungen, dient der Festlegung weiterer Therapiemaßnahmen 
  • Korrekter Umgang mit der Sauerstoffquelle inklusive Schulung des Patienten und dessen Angehörige 
  • Regelmäßige, gewissenhafte Kontrolle und Wartung der Sauerstoffquellen laut Herstellerangaben 
  • Regelmäßige Kontrollen, ob Sauerstoff ausreichend befeuchtet wird – ggf. Flüssigkeit nachfüllen 
  • Mund- und Nasenschleimhäute pflegen und befeuchten durch geeignete Nasencremes/-sprays 
  • Evtl. Inhalationen nach ärztlicher Anordnung, um Sekretion zu unterstützen 

Bei Heiserkeit und trockenem Hals: 

  • Trinken und/oder Gurgeln mit Kräutertees (Salbei, Kamille, Pfefferminz u.a.)
  • Kräuterbonbons (z.B. Isländisch Moos)
  • Halssprays

Literatur

Die Autorin Rebecca Ott
Rebecca Ott klein

Rebecca Ott ist examinierte Altenpflegerin mit den Zusatzqualifikationen Wundexpertin ICW, Algesiologische Fachassistentin und Praxisanleiterin für Pflegeberufe. Sie war einige Jahre in der außerklinischen Intensiv- und Beatmungspflege tätig und arbeitet zur Zeit als Dozentin.