Neurodermitis

Die Neurodermitis zählt zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen und betrifft Menschen jeden Alters. Sie äußert sich typischerweise in schubweise auftretenden, stark juckenden Ekzemen und kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. 

Der folgende Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über Ursachen, Symptome, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung. Er basiert auf den Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis“.

Was ist Neurodermitis?

Neurodermitis, auch atopische Dermatitis genannt, ist eine chronisch-rezidivierende, nicht ansteckende Hauterkrankung, bei der eine gestörte Hautbarriere zu wiederkehrenden, juckenden Ekzemen führt.

Neurodermitis, fachsprachlich atopische Dermatitis (ICD-10 L20), ist eine chronisch-rezidivierende, nicht ansteckende Hauterkrankung, die durch eine gestörte Hautbarriere und einen quälenden Juckreiz gekennzeichnet ist. Typischerweise verläuft sie in Schüben: Phasen mit entzündlichen Ekzemen wechseln sich mit beschwerdefreien Intervallen ab. Bei Säuglingen und Kleinkindern manifestieren sich die Ekzeme vor allem im Gesicht, am Kopf und an den Streckseiten der Extremitäten. Bei älteren Kindern und Erwachsenen treten vorrangig Beugenekzeme an Ellenbogen und Kniekehlen sowie Hand-Fuß-Ekzeme auf. In schweren Fällen können generalisierte Rötungen bis hin zur Erythrodermie (Rötung des gesamten Hautorgans) entstehen. Der sogenannte „Juck-Kratz-Zyklus“ verschlechtert durch ständiges Kratzen die Hautschädigung weiter und beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich.

In Deutschland sind etwa 13 % der Kinder und 2 % der Erwachsenen zeitweise betroffen, die Lebenszeitprävalenz liegt bei ungefähr 3,5 %. Damit zählt die Neurodermitis zu einer der häufigsten Gründe für dermatologische und hausärztliche Konsultationen. Die Erkrankung wird überwiegend ambulant behandelt, ergänzt durch teilstationäre Tageskliniken und ambulante Rehabilitationsmaßnahmen.

Ursachen und Mechanismen der Neurodermitis

Insgesamt entsteht die atopische Dermatitis durch das Zusammenspiel genetischer Defekte der Hautbarriere, einer fehlgeleiteten Immunantwort und externer Trigger wie Pollen oder Hausstaubmilben.

Die Ursachen und Mechanismen der Neurodermitis sind multifaktoriell und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Genetische Prädisposition: Kinder von Eltern mit atopischen Erkrankungen weisen ein um 60–80 % erhöhtes Risiko auf, selbst eine atopische Dermatitis zu entwickeln

Barrierestörung der Haut
Mutationen im Filaggrin-Gen führen zu einer verminderten Integrität der Hornschicht und erhöhter transepidermaler Wasserverlustrate. Die geschädigte Hautbarriere lässt vermehrt das Eindringen von Allergenen, Mikroorganismen und Irritantien zu.

Immunologische Dysregulation
In der atopischen Dermatitis reagiert das Immunsystem übermäßig, indem es vermehrt Botenstoffe (IL-4, IL-13 und IL-5) ausschüttet. Dies führt zu einer anhaltenden Aktivierung von Abwehrzellen in der Haut. Die Folge ist eine chronische Hautentzündung. Gleichzeitig steigt die Infektanfälligkeit.

Mikrobielle Einflüsse
Betroffene haben zusätzlich ein erhöhtes Risiko für kutane (z. B. Herpes simplex, Varizella zoster, Coxsackie-Viren) und nicht kutane (z. B. Streptokokkeninfektion im Rachen) Infektionen. Dabei stellt das Eczema herpeticatum (disseminierte Infektion mit Herpes simplex Viren) eine potenziell schwerwiegende Komplikation dar. Zusätzlich können durch die gestörte Hautbarriere schnell Sekundärinfektionen, beispielsweise mit dem Hefepilz Malassezia spp., entstehen.

Exogene Auslöser und Modulatoren

  • Allergene wie Hausstaubmilben, Pollen oder Tierhaare sowie bestimmte Nahrungsmittel können bei sensibilisierten Menschen akute Schübe auslösen. 

  • physikalische Reize wie Schwitzen oder raue Textilien

  • Tabakrauch

  • psychischer Stress

  • klimatische oder umweltbedingte Faktoren können die Haut reizen und Entzündungen fördern. Dadurch verschlimmern sie bestehende Symptome der atopischen Dermatitis oder lösen Schübe aus.

Kratz-Juckreiz-Zyklus

Der quälende Juckreiz führt zum Kratzen, das die Hautbarriere weiter schädigt und Entzündung sowie Juckreiz verstärkt. Ein Teufelskreis entsteht, der die Chronifizierung der Erkrankung begünstigt.

Klinisches Bild und Schweregrad der Neurodermitis

Die Neurodermitis zeigt ein altersabhängiges, vielfältiges Erscheinungsbild mit typischen Ekzemlokalisationen und -formen, deren Schweregrad mithilfe validierter Scores beurteilt wird.

Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) manifestiert sich mit charakteristischen, altersabhängig variierenden Ekzemformen (siehe Abbildungen unten): 

  • Im Säuglings- und Kleinkindalter (0–2 Jahre) finden sich vorwiegend streckseitige und Gesichtsekzeme, 

  • später insbesondere Beugenekzeme an Ellenbogen- und Knieinnenseiten,

  • sowie bei Erwachsenen häufig Handekzeme oder eine Prurigoform (stark juckenden Hautknötchen oder Hautknoten).

Säugling mit Gesichtsekzem
Kind mit Beugenekzem an Ellenbogeninnenseite
Frau mit Handzekzem

Minimalvarianten treten als Cheilitis (Entzündung der Lippe), Perlèche (Entzündung der Mundwinkel), Ohrläppchenrhagaden (Ohrekzem) oder Pulpitis sicca (Ekzem der Finger- und/oder Zehenkuppen) auf. Akut entzündliche Läsionen zeigen erythematöse, nässende Plaques. Chronische Stadien sind durch Papeln, Plaques und lichenifizierte, schuppende Hautareale geprägt. Bei atypischem Erscheinungsbild oder therapierefraktärem Verlauf sind stets Differenzialdiagnosen wie z. B. seborrhoisches Ekzem, Psoriasis oder kutane Infektionserkrankungen auszuschließen

Der Schweregrad der Neurodermitis wird objektiv mithilfe validierter Scores wie SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis Index) und EASI (Eczema Area and Severity Index) erfasst. Der SCORAD ist ein kombiniertes Bewertungssystem zur Beurteilung der Schwere der atopischen Dermatitis. Er bezieht objektive Hautbefunde und subjektive Symptome wie Juckreiz und Schlafstörungen ein. Der EASI ist ein objektives Bewertungsinstrument zur standardisierten Erfassung der Ausdehnung und Schwere von Ekzemen an vier Körperregionen ohne subjektive Angaben. Die Erfassung von Laborparametern ist für die Individualdiagnostik im klinischen Alltag nicht empfehlenswert.

Krankheitsverlauf

Die atopische Dermatitis beginnt meist im frühen Kindesalter, verläuft chronisch mit Schüben und persistiert bei etwa einem Drittel der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter.

Die atopische Dermatitis verläuft typischerweise chronisch-rezidivierend mit Phasen unterschiedlicher Aktivität. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, manifestiert sich jedoch meist schon im frühen Kindesalter. Bei über 70 % der Betroffenen beginnt die Erkrankung vor dem fünften Lebensjahr. Etwa 60 % der Kinder sind bis zum frühen Erwachsenenalter symptomfrei, bei rund einem Drittel persistieren die Ekzeme jedoch auch im Erwachsenenalter. Der Verlauf ist häufig von Krankheitsschüben mit variabler Dauer und Intensität geprägt. Auch bei leichter Ausprägung kann die Erkrankung zu erheblichen körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen führen. Eine Spontanheilung ist möglich, jedoch schwer vorhersehbar. Früher Erkrankungsbeginn, schwere Verläufe in der Kindheit, Komorbiditäten und familiäre Atopie gelten als Risikofaktoren für einen persistierenden Verlauf bis ins Erwachsenenalter.

Therapie der Neurodermitis

Die Therapie der atopischen Dermatitis erfolgt stufenweise entsprechend dem Schweregrad und umfasst Basispflege, eine antientzündliche und ggf. systemische Behandlung, sowie Triggervermeidung und eine Patientenschulung.

Die Behandlung der atopischen Dermatitis umfasst vier Grundpfeiler: 

  • Basistherapie,
  • antientzündliche Behandlung,
  • Identifikation und Meidung individueller Trigger sowie
  • adäquate Schulung und Aufklärung. 

Die Basistherapie besteht in der regelmäßigen Anwendung von Emollienzien und Moisturizer zur Stabilisierung der Hautbarriere. Bei akuten Entzündungsschüben kommen topische Glukokortikosteroide oder Calcineurin-Inhibitoren zum Einsatz. 

Bei akuten, nässenden oder entzündeten Läsionen der atopischen Dermatitis können feuchte Verbände mit oder ohne Wirkstoffzusatz eine gut verträgliche und wirksame Behandlungsoption darstellen. Dies ist besonders hilfreich, wenn topische Cremes und Salben schlecht toleriert werden.

Bei mittelschwerem bis schwerem Verlauf und unzureichendem Ansprechen auf topische Maßnahmen sind systemische Therapien wie Ciclosporin A, Dupilumab oder JAK-Inhibitoren indiziert. Unterstützend wirken antientzündliche Lichttherapieformen. 

Behandlungsansätze und Therapiemöglichkeiten

Stufe 3

Moderate bis schwere Ekzeme
Erforderliche Maßnahmen der vorherigen Stufe
+
Topische Therapie
+
Eine UV-Therapie kann, insbesondere im Erwachsenenalter, indiziert sein
  
Stufe 2

Leichte bis moderate Ekzeme
Erforderliche Maßnahmen der vorherigen Stufe
+
Topische Therapie mit Glukokortikosteroiden oder Calcineurin-Inhibitoren
+
Die zusätzliche Anwendung von antipruriginösen und antiseptischen Wirkstoffen kann erworgen werden
  
Stufe 1

Trockene Haut
Topische Basistherapie 
+
Vermeidung von Triggerfaktoren

Tabelle: Stufentherapie der Neurodermitis (modifiziert nach S3-Leitlinie Atopische Dermatitis (AD))

Eine zusätzliche Behandlung mit topischen Antiseptika sollte bei Betroffenen mit einer Superinfektion erfolgen. Zur Behandlung des Juckreizes empfiehlt die Leitlinie primär die Entzündungsbehandlung mit topischen Glukokortikosteroiden oder Calcineurin-Inhibitoren sowie ggf. eine begleitende systemische Therapie. Bei nachgewiesener Inhalationsallergie kann eine allergenspezifische Immuntherapie indiziert sein.

Wichtig ist außerdem eine psychosoziale Begleitung, insbesondere bei starkem Leidensdruck. 

Häufig gestellte Fragen

Sind „Neurodermitis“, „atopische Dermatitis“ und „atopisches Ekzem“ das Gleiche?

Wie lange dauert ein Neurodermitis-Schub?

Was löst einen Neurodermitis-Schub aus?

Was essen bei Neurodermitis-Schub?

Akuter Neurodermitis-Schub - was tun?

Welche Auflage bei Neurodermitis?

Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.