Vorbehaltsaufgaben: Ihre Kernkompetenzen als Pflegefachkraft

Vorbehaltsaufgaben: Ihre Kernkompetenzen als Pflegefachkraft

Das Pflegeberufegesetz (PflBG) legt sogenannte Vorbehaltsaufgaben fest. Das Besondere daran: Sie dürfen nur von Pflegefachpersonen erledigt werden.  

Die Festlegung der Vorbehaltsaufgaben gilt als Meilenstein für die Mitarbeiter in der Pflege.

Was genau sind Vorbehaltsaufgaben?

Der Gesetzgeber definiert konkrete Aufgaben, für die Pflegefachkräfte die Verantwortung übernehmen. Das bedeutet zugleich, dass Sie als Fachkraft in diesem Aufgabenfeld komplett selbstständig handeln dürfen und sogar müssen.  

Um diese Aufgaben geht es im Detail: 

  • Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs 

Sie analysieren eigenständig den aktuellen Zustand der Person, inklusive Biografie und sozialer Situation. Diese Analyse ist vergleichbar mit einem Anamnesegespräch, in dem Sie zusätzlich erfassen, welche vorhandenen Ressourcen es gibt und welche Risiken Sie sehen.  

  • Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses  

Dabei geht es darum, konkrete Pflegemaßnahmen sowie -ziele festzulegen und zugleich Aufgaben zu delegieren. Sie nutzen hier eine analytische Arbeitsmethode, um das Pflegekonzept umzusetzen. Dies basiert auf dem Pflegeverständnis des PflBG. Es umfasst Mobilität und Beweglichkeit, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Probleme, Selbstversorgung, Erhalt oder Förderung von Alltagsfähigkeiten beziehungsweise Sicherstellung des Bedürfnisses, sich zurückzuziehen, Bewältigung von selbstständigem Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, Gesundheitsförderung und Prävention. Zu dieser Aufgabe gehört ebenso die Dokumentation sowie Koordination medizinischer und therapeutischer Maßnahmen in Kombination mit der Pflege. 

  • Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege  

Nur eine fachliche Auswertung kann zeigen, ob die Pflegeziele erreicht wurden. Das gelingt, indem Sie relevante Zusammenhänge erkennen und auch Effekte der pflegerischen Versorgung bewerten. Dadurch sichern Sie zugleich auch die Qualität und sind in der Lage, die Pflege individuell anzupassen.  

Die Vorbehaltsaufgaben beziehen sich vor allem auf den Pflegeprozess. Das zeigt: Professionelle Pflege kann ohne diesen sowie ohne analytische Arbeitsmethoden nicht funktionieren. 

Welcher Teil der Pflege ist durch die Vorbehaltsaufgaben nicht abgedeckt? 

Sowohl die Planung als auch die Durchführung der Pflege sind in den Vorbehaltsaufgaben nicht berücksichtigt. Der Hintergrund: Damit ist es möglich, im Alltag weiterhin die Aufgaben sinnvoll und entsprechend der Qualifikationen aufzuteilen. Eine dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft ist nicht für alle Aufgaben zwingend erforderlich. So können auch Pflegefachhelferinnen und -helfer sowie Mitarbeitende mit anderen Assistenzqualifikationen weiterhin in der Pflege arbeiten und das Team sinnvoll ergänzen.  

Hinsichtlich der Planung gibt es keine Begründung. Expertinnen und Experten sind der Meinung, dass sie unbedingt zu den Vorbehaltsaufgaben zählen sollte. Denn nach ihrem Verständnis decken diese den gesamten Pflegeprozess ab und die Planung gehöre somit eindeutig dazu. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter: Integriere der Gesetzgeber diesen Schritt nicht, widerspräche dies den Zielen, die Pflegequalität sicherzustellen und die Patientinnen und Patienten zu schützen.  

Warum sind die Vorbehaltsaufgaben wichtig für die Pflege? 

Es gibt zwei Ziele, die durch die Festlegung der Vorbehaltsaufgaben erreicht werden sollen: 

  1. Der Gesetzgeber möchte damit die Qualität der Pflege gewährleisten. 

  2. Man will Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, vor unsachgemäßger Pflege schützen.  

Gleichzeitig überträgt man Ihnen als Pflegefachkraft mehr Verantwortung, indem Sie in diesen Aufgabenfeldern selbstständig handeln dürfen. Da Sie eine dreijährige Ausbildung nach dem PflBG nachweisen müssen, um Vorbehaltsaufgaben ausüben zu dürfen, wertet die neue Regelung insgesamt das Berufsbild der Pflegefachkraft deutlich auf. Das stärkt Ihre fachliche Expertise und Ihre Position. Denn weder Ärztinnen und Ärzte noch Pflegefachhelfende dürfen diese Aufgaben wahrnehmen.  

Für Sie als Fachkraft stellen die Vorbehaltsaufgaben den Kern Ihrer Arbeit da. Denn in der Pflege geht es hauptsächlich darum, Menschen in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen, diese wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern. Sollten allerdings therapeutische Gründe aus anderen fachlichen Bereichen vorliegen, müssen diese vorrangig behandelt werden. Ein Beispiel: Die behandelnde Ärztin legt fest, dass der Patient nicht mit Wasser in Berührung kommen darf. In einem solchen Fall müssen Sie für die Pflege darauf Rücksicht nehmen und können den Patienten nicht wie gewohnt waschen oder duschen.  

Wie verändert sich dadurch Ihr Berufsalltag? 

Da der Pflegeprozess ein bekanntes Instrument ist, sollte sich in Ihrem Alltag kaum etwas ändern. Denn Sie haben ihn ohnehin in Ihre Arbeit integriert und orientieren sich daran. Eventuell müssen in Ihrem Arbeitsbereich die Zuständigkeiten noch einmal deutlich gemacht werden. Das kann unter Umständen Auswirkungen auf Dienstpläne haben. Denn es muss gewährleistet sein, dass Sie als Pflegefachkraft Ihren Vorbehaltsaufgaben nachkommen können.  

Etwas anders stellt sich die Situation in der häuslichen Pflegesituation dar. Das betrifft vor allem Szenarien, in denen Angehörige einen Teil der Pflege übernehmen und durch eine professionelle ambulante Pflege unterstützt werden. Auch in diesem Fall müssen Fachkräfte die Vorbehaltsaufgaben ausführen. Wichtig ist es, die Angehörigen darüber zu informieren, klare Vereinbarungen zu treffen, damit der Mensch, der Pflege benötigt, auch die bestmögliche Versorgung bekommt.

Literatur

Die Autorin Dr. Christine von Reibnitz
Dr. Christine von Reibnitz, Referentin Gesundheitspolitik und Krankenkassenmanagement

Dr. von Reibnitz ist promovierte Gesundheitswissenschaftlerin und Hochschuldozentin im Bereich des Gesundheitsmanagement. Seit 2013 ist sie bei Dr. Ausbüttel zuständig für den Bereich Krankenkassenmanagement und Expertin für die Themen Abrechnung und Recht.