Verordnungen in der Häuslichen Krankenpflege (HKP)

Verordnungen in der Häuslichen Krankenpflege (HKP)

Verbandmittelverordnungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sind eine echte Teamaufgabe – doch oft sorgen unklare Zuständigkeiten und unterschiedliche Sichtweisen für unnötige Konflikte, obwohl alle Beteiligten das gleiche Ziel verfolgen: die bestmögliche Patientenversorgung. 

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in klarer Kommunikation und gegenseitigem Respekt für die jeweiligen Handlungsräume.

Was ist die Rolle der Pflegedienste bei Wundversorgung in der HKP?

Pflegedienste

  • führen Verbandwechsel nach ärztlicher Verordnung durch
  • beobachten und dokumentieren den Wundverlauf
  • bei Veränderungen im Pflege- und Wundzustand: Rücksprache mit Ärztin oder Arzt zur Anpassung der Therapie 

Die rechtliche Verantwortung für die Auswahl und Verschreibung der Verbandmittel liegt beim Arzt oder bei der Ärztin. Allerdings sind Pflegedienste eine wichtige Schnittstelle im Versorgungsteam und können Empfehlungen zur Wundversorgung abgeben. Seit Juli 2024 besteht unter bestimmten Bedingungen zudem die Möglichkeit, dass Pflegefachkräfte den Umfang von Maßnahmen wie Wundversorgung im Rahmen der sogenannten Blankoverordnung eigenständig in einem festgelegten ärztlichen Rahmen bestimmen dürfen.

Was ist die Rolle der MFA in der HKP?

Auch MFA sind eine wichtige Schnittstelle: Sie kümmern sich vor allem um organisatorische Aufgaben, da sie

  • Verordnungsformulare (z. B. Muster 16 für Verbandmittel, Muster 12 für HKP) nach ärztlicher Vorgabe ausfüllen
  • diese auf Vollständigkeit prüfen
  • dafür sorgen, dass die Verordnungen im Praxisverwaltungssystem korrekt erfasst und dokumentiert sind, damit die Abrechnung ordnungsgemäß erfolgen kann
  • Verbandmaterial verwalten und bestellen
  • mit Pflegediensten und Krankenkassen kommunizieren
  • bei der Dokumentation und Umsetzung der Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung (z. B. Beachtung des Budgetrahmens) unterstützen

Die medizinische Auswahl und Festlegung der Verbandmittel sowie die endgültige Unterschrift und Verantwortung für die Verordnung liegen immer beim Arzt oder bei Ärztin, nicht bei der MFA. MFA können aber durch gezielte Weiterbildung ihre Kenntnisse über die korrekten Abläufe und die rechtlichen Grundlagen der Verordnung vertiefen.

Welche Konflikte ergeben sich und warum?

Zuständigkeits- und Rollenkonflikte entstehen, weil Pflegefachkräfte oft eine konkrete Verbandmittelverschreibung erwarten, MFA sich dagegen auf administrative Aufgaben beschränkt fühlen und nicht immer über pflegerische Details informiert sind. 

Vorausgefüllte Rezepte von Pflegediensten werden von Praxispersonal mitunter als übergriffig wahrgenommen. Informationsdefizite bei MFA und das Unsicherheitsgefühl der Pflegefachkräfte, ob ihre Vorschläge berücksichtigt werden, verstärken Spannungen. Kommunikationsprobleme über Wundzustand, Materialbedarf und Verordnung führen zu Missverständnissen und beeinträchtigen womöglich die Versorgung. 

Zudem sorgt der Widerspruch zwischen der wirtschaftlichen Verpflichtung der MFA zur Kontrolle der Budgeteinhaltung der Praxis und dem Fokus der Pflege auf optimale Versorgung für Konflikte bei Produktwahl und Mengen. Pflegekräfte fühlen sich oftmals nicht wertgeschätzt und müssen sich rechtfertigen, während MFA den Spagat zwischen Anforderungen der Pflege, Praxisleitung und Budgetvorgaben als belastend empfinden.

Muster: HKP-Verordnung, Stand 07/2024
Muster: HKP-Verordnung, Stand 07/2024

Muster 12: Was ist wichtig zu wissen?

Seit 1. Juli 2024 muss das neue Formular Muster 12 verwendet. Wichtige neue Felder:

SER-Feld (Soziales Entschädigungsrecht)

Dieses neue Feld ist anzukreuzen, wenn die HKP-Verordnung wegen einer anerkannten gesundheitlichen Schädigung erfolgt.

Spalte „Häufigkeit/Dauer von Pflegefachkraft“

Hier kreuzt der Arzt an, wenn die Pflegefachkraft selbst über Häufigkeit und Dauer der Maßnahmen entscheiden soll (sogenannte „Blankoverordnung“). Das Formular listet Maßnahmen auf, bei denen eine Blankoverordnung zulässig ist. Da die Liste aus Platzgründen nicht vollständig ist, bietet ein Freitextfeld die Möglichkeit, diese unter „Sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege" zu ergänzen.

Drei Verordnungsarten möglich:

  1. Reine Blankoverordnung (Pflegefachkraft entscheidet komplett, dementsprechend gibt es keinen Gesamtverordnungszeitraum)
  2. Keine Blankoverordnung (Arzt/Ärztin legt alles fest)
  3. Hybrid-Verordnung (teilweise Übertragung an Pflegefachkraft)

Wichtig: für akute Wundversorgung gilt Nr. 31, für die chronische Wundversorgung gilt Nr. 31a. Letztere müssen spezialisierte Pflegefachkräfte durchführen. Zu beachten: Nach 12 Wochen akuter Wundversorgung muss auf chronische Wundversorgung umgestellt werden.

Eine komplette Ausfüllhilfe für Muster 12 ist hier zu finden.

Muster 16: Was ist wichtig zu wissen?

Muster 16 ist nur nötig, wenn

  • Patientin oder Patient das Verbandmittel selbst abholen und anwenden soll und/oder
  • wenn Angehörige den Verbandwechsel durchführen.

Hingegen ist Muster 12 (HKP) erforderlich, wenn

  • eine professionelle Wundversorgung durch Pflegefachkräfte erfolgt.

Beim Ausfüllen eines Rezepts Muster 16 ist zu beachten: Verbandmittel sind keine Hilfsmittel – daher Feld 7 nicht kennzeichnen und keine Diagnose angeben. Außerdem beachten: Verbandmittel fallen ins Arzneimittel-/Verbandmittel-Budget der Praxis, sie unterliegen nicht der Substitution (aut idem).

Grundsätzlich ist zu beachten:

  • maximal 3 Produkte pro Rezept
  • alle Pflichtangaben vollständig
  • eigenhändige Arztunterschrift

Hier finden Sie ein beispielhaft ausgefülltes Rezept Muster 16

Gegenseitige Wertschätzung von MFA und Pflegefachkräften als Basis der Zusammenarbeit

Grundsätzlich ist es wichtig sich klarzumachen, dass alle das gleiche Ziel haben, nämlich die bestmögliche Wundversorgung. Wertschätzung und gegenseitiges Verständnis stärken die Zusammenarbeit zusätzlich. 

Für MFA ist es wichtig, die Kenntnisse und die Nähe der Pflegekräfte zu den Patientinnen und Patienten wertzuschätzen. Pflegekräfte sind direkt am Versorgungsort, kennen den aktuellen Wundstatus und wissen, welche Informationen nötig sind, um eine Verordnung nach Muster 12 korrekt auszufüllen. 

Ebenso sollten Pflegekräfte die Herausforderungen im Praxisalltag sehen: MFA stehen unter erheblichem Zeit- und Kostendruck, bringen ihr organisatorisches Know-how ein und werden häufig aktiv, wenn etwa bei akuter Wundversorgung besondere Anforderungen entstehen (z. B. 12-Wochen-Grenze). MFA helfen zudem, Regressrisiken zu vermeiden und achten darauf, Budgets einzuhalten. 

Wie kann eine konstruktive Zusammenarbeit gelingen?

Klare Kommunikation und verbindliche Absprachen über die jeweiligen Zuständigkeiten bilden die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit. Transparenz – sowohl bei Verordnungen als auch beim Informationsaustausch über den Wundstatus fördert Vertrauen und verhindert Missverständnisse. Beide Seiten sollten die jeweiligen Fachkenntnisse und Verantwortlichkeiten respektvoll anerkennen

Regelmäßige Schulungen der MFA zur korrekten Handhabung von Muster 12 und 16 sorgen für die nötige Sicherheit im Praxisalltag. Schließlich hilft es, Stress- und Schmerzpunkte offen, unvoreingenommen und vor allem gemeinsam zu prüfen, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und konstruktive Lösungen zu finden, die eine bestmögliche Wundversorgung sicherstellen.

Die Autorin Dr. Christine von Reibnitz
Dr. Christine von Reibnitz, Referentin Gesundheitspolitik und Krankenkassenmanagement

Dr. von Reibnitz ist promovierte Gesundheitswissenschaftlerin und Hochschuldozentin im Bereich des Gesundheitsmanagement. Seit 2013 ist sie bei Dr. Ausbüttel zuständig für den Bereich Krankenkassenmanagement und Expertin für die Themen Abrechnung und Recht.