Elektrokardiographie

Elektrokardiographie

Mit Hilfe der Elektrokardiographie werden die elektrischen Vorgänge während der Herztätigkeit untersucht. Die Aufzeichnung der Erregung wird in Form einer Kurve dargestellt und als Elektrokardiogramm (EKG) bezeichnet. Die Frequenz, der Herzrhythmus und mögliche Störungen in der Erregungsleitung werden sichtbar.

Das Herz schlägt, weil es regelmäßige elektrische Reize (Impulse) erzeugt, die über verschiedene Phasen oder „Stationen“ im Herzmuskel weitergegeben werden. Die dabei entstehenden Änderungen der elektrischen Spannung werden abgeschwächt bis zur Körperoberfläche weitergeleitet und können mit Hilfe eines Elektrokardiogramms mess- und sichtbar gemacht werden.

Erregungsbildung und -weiterleitung

Wie auch jeder andere Muskel im menschlichen Körper benötigt das Herz einen elektrischen Reiz (Impuls) durch einen Nerv, um sich zusammenzuziehen. Ein Erregungsleitungssystem ermöglicht das regelmäßige Schlagen des Herzens (siehe Abbildungen 1 und 2). Die Impulsgebung übernimmt der in der Vorderwand des rechten Vorhofs liegende Sinusknoten, indem er einen elektrischen Reiz bildet. Der Reiz wird über die Vorhofsmuskulatur übergeleitet und breitet sich zunächst im Vorhof aus (intraatriale Erregungsausbreitung oder Vorhoferregung).

Von der Vorhofsmuskulatur gelangt das Signal zu dem am Boden des Vorhofs liegenden Vorhof-Kammer-Knoten (AV-Knoten). Auch der AV-Knoten kann den Herzschlag auslösen – allerdings übernimmt er nur die Schrittmacherfunktion, wenn der Sinusknoten ausfällt und arbeitet mit einer niedrigeren Frequenz. In diesem Fall dient er als „Reserve“. Über den AV-Knoten und das His-Bündel erreicht die elektrische Erregung die Kammermuskulatur (atrioventrikuläre Überleitung).

Gleichzeitig bildet sich die Erregung in der Vorhofsmuskulatur (intraatriale Erregungsrückbildung) und anschließend in der Kammermuskulatur wieder zurück.

Systole und Diastole des Herzens, Herzklappen, schematische Darstellung
Abbildung 1: Diastole und Systole des Herzens

Wie läuft ein EKG ab?

Beim EKG werden Elektroden (kleine, an Haut anhaftende Sensoren) an den Armen, Beinen und der Brust der Patientin oder des Patienten angebracht. Diese EKG-Elektroden greifen die Spannungsschwankungen kontinuierlich ab. Durch Drähte sind die einzelnen Elektroden mit einem Gerät verbunden. Das EKG-Gerät zeichnet die Signale der Elektroden auf, verstärkt sie und stellt sie dann als einzelne Kurven dar. Das ausgedruckte Elektrokardiogramm zeigt die rhythmisch wiederkehrende elektrischen Herzaktion mit Bildung, Weiterleitung und Rückbildung der Erregung. 

EKG-Kurvenverlauf

Eine EKG-Kurve gliedert sich in verschiedene Abschnitte, die sich der Erregungsbildung und Weiterleitung zuordnen lassen. Die elektrischen Vorgänge eines Herzzyklus spiegeln sich in charakteristischen Wellen und Zacken wider. EKG-Abschnitte zwischen Wellen bzw. Zacken werden als Strecken bezeichnet (siehe Abbildungen 2 und 3).

Herzfrequenz, EKG, Illustration der P-, QRS- und T-Wellen
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen den verschiedenen Phasen in der EKG-Kurve und der Erregungsausbreitung im Herzen
EKG-Bezeichnungen am Beispiel von PQ

PQ-Intervall: Distanz von Beginn der P-Welle bis zum Beginn des QRS-Komplexes

PQ-Strecke: Distanz vom Ende der P-Welle bis zum Beginn des QRS-Komplexes

PQ-Zeit: Dauer des PQ-Intervalls

Bei einer EKG-Befundung sollten diese Begriffe bekannt sein und unterschieden werden können. 

  • P-Welle: Ausbreitung der Erregung in den Vorhöfen (atriale Erregungsausbreitung).
  • PQ-Intervall: Überleitung der Erregung von den Vorhöfen auf die Kammern. Es spiegelt die Zeit wider, die der vom Sinusknoten gebildete elektrische Impuls benötigt, um über den Vorhof, den AV-Knoten und das His-Bündel zu den Kammern zu gelangen. Im EKG erfolgt die Messung vom Beginn der P-Welle, bis zum Beginn der Q-Zacke.
  • QRS-Komplex: Erregungsausbreitung in den Kammern (ventrikuläre Erregungsausbreitung). Er besteht normalerweise aus einer negativen Q-Zacke, einer positiven hohen R-Zacke, einer kleinen negativen S-Zacke.
  • ST-Strecke: Während der Dauer der ST-Strecke sind beide Kammern vollständig erregt. Das Ende der ST-Strecke ist der Beginn der Erregungsrückbildung.
  • T-Welle: Erregungsrückbildung in den Kammern (intraventrikuläre Erregungsrückbildung).
  • QT-Intervall: Zeitraum vom Beginn der Erregungsausbreitung in den Kammern (QRS-Komplex) bis zum Ende der Erregungsrückbildung (T-Welle).
EKG, Sinusrhythmus, Darstellung der EKG-Welle
Abbildung 3: EKG, normaler Sinusrhythmus

Ableitungssysteme vom EKG

Das erste EKG wurde im Jahr 1882 von dem Physiologen A. Waller an seinem Hund Jimmy abgeleitet. Kurze Zeit später wurde die Methode von Einthoven, Goldberger, Wilson und anderen für die klinische Anwendung am Menschen weiterentwickelt. Heutzutage existieren verschiedene Ableitungssysteme.

Das Standard-EKG umfasst 12 Ableitungen, gemessen mit 10 Elektroden. Die 12 Ableitungen bestehen aus zwei verschiedenen Typen von EKG-Ableitungen: sechs Extremitätenableitungen und sechs Brustwandableitungen.

12-Kanal-EKG richtig anlegen

Zunächst wird die Patientin oder der Patient gebeten, den Oberkörper zu entkleiden und die Hosenbeine hochzukrempeln. Starke Brustbehaarung sollte ggf. an Elektrodenpositionen rasiert werden, damit die Signale störungsfrei aufgezeichnet werden können. Nun können die Elektroden am Körper platziert werden. Das Patientenkabel bei einem 12-Kanal-EKG unterteilt sich meist in vier Extremitätenkabel und sechs Brustwandkabel. Die Elektroden messen die elektrischen Impulse in unterschiedlichen Körperebenen, um ein vollständiges Bild der elektrischen Herzaktivität abzubilden. Die Extremitätenelektroden leiten in der Frontal-/ Koronarebene ab, die Brustwandelektroden leiten in der Horizontalebene ab. (Mehr zum Thema Körperebenen, Lage- und Richtungsbezeichnungen

Für die Fixierung der Elektroden an der Brustwand stehen Saug- oder Klebeelektroden zur Verfügung (siehe Abbildung 4). Zwischen Handgelenk und Ellenbogen sowie Fußgelenk und Knie werden EKG-Kabel mit Klammern angelegt (siehe Abbildung 5).

Das EKG gibt Auskunft über
  • Nervenbahnen des Herzens
  • Herzfrequenz
  • Herzrhythmus
  • Abweichende Herzaktivität (Abnormales EKG)

Die Extremitätenableitung basiert in der Regel auf den Ableitungen nach Goldberg und Eindhoven. Dafür wird jeweils eine Elektrode am linken und rechten Hand- und Fußgelenk angebracht, also insgesamt 4 Elektroden an den Extremitäten. 

EKG-Saugelektroden zur Ableitung an der Brustwand
Abbildung 4: Saugelektroden zur Ableitung an der Brustwand;
Elektrokardiographie-Kabel mit Klammer am Fuß
Abbildung 5:EKG-Kabel mit Klammer zur Ableitung an den Extremitäten.

Die Brustwandableitung basiert üblicherweise auf der Ableitung nach Wilson und sieht folgende Positionierung der Elektroden vor (siehe auch Abbildung 6):

V1: 4. Intercostalraum (ICR; Raum zwischen zwei Rippen) rechts neben dem Brustbein

V2: 4. ICR links neben dem Brustbein

V3: zwischen V2 und V4 auf der 5. Rippe

V4: Schnittpunkt des 5. ICR mit der linken Medioklavikularlinie (gedachte Linie, die senkrecht durch die Mitte des Schlüsselbeins läuft)

V5: gleiche Höhe wie V4, auf der vorderen Axillarlinie (gedachte Linie, die durch den höchsten Punkt der vorderen Achselfalte läuft)

V6: gleiche Höhe wie V4, auf der mittleren Axillarlinie (gedachte Linie, die durch den höchsten Punkt der Achselhöhle läuft)

Nach dem Anbringen der Elektroden nimmt die Patienten oder der Patient eine möglichst entspannte Liegeposition ein. Es ist wichtig, während der Aufzeichnung nicht zu sprechen, flach zu atmen und große Bewegungen zu vermeiden. Die Aufzeichnung selbst ist kurz und dauert nur wenige Minuten.

Einige Störfaktoren können die Qualität des EKGs negativ beeinflussen. Dazu gehören häufig andere, in der Nähe stehende elektrische Geräte (Wechselstromeinflüsse) und ein schlechter Hautkontakt der Elektroden. Muskelzittern des Patienten, beispielsweise aufgrund kalter Umgebungstemperatur oder Silikonimplantate bei Frauen können ebenfalls Störsignale hervorrufen.

EKG, Position der Brustwandelektroden (Ableitung nach Wilson)
Abbildung 6: Position der Brustwandelektroden (Ableitung nach Wilson).

Welche EKG-Arten gibt es?

  • Ruhe-EKG: Das Ruhe-EKG ist die klassische Art der EKG-Ableitung an der liegenden Patientin oder dem liegenden Patienten. Da die Aufzeichnung recht kurz ist, können zeitweise auftretende Herzrhythmusstörungen ggf. nicht erfasst werden.
  • Langzeit-EKG: Bei einem Langzeit-EKG trägt die Patientin oder der Patient das EKG-Gerät über 24, 48 oder 72 Stunden am Körper, beispielsweise an einem Gürtel befestigt oder um den Hals. Körperliche Aktivitäten oder Beschwerden im Untersuchungszeitraum werden von der Patientin oder dem Patienten protokolliert. Im Anschluss erfolgt der ärztliche Befund. Mit dem Langzeit-EKG können vorübergehende Herzrhythmusstörungen erfasst werden.
  • Belastungs-EKG: Das Belastungs-EKG wird unter körperlicher Aktivität, zum Beispiel auf dem Ergometer oder Laufband, durchgeführt. Dadurch können Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sich erst bei körperlicher Anstrengung bemerkbar machen, erkannt werden. Dazu gehören beispielsweise Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit) oder Herzinsuffizienz.

Abnormales EKG

Veränderungen im EKG können viele Ursachen haben. Manchmal ist eine EKG-Anomalie eine normale Variation des Herzrhythmus, welche die Gesundheit nicht beeinträchtigt. Das Alter, Gewicht und die körperliche Aktivität sind Faktoren, die das EKG verändern können und berücksichtigt werden sollten.  In einigen Fällen kann ein abnormales EKG einen medizinischen Notfall signalisieren, beispielsweise einen Herzinfarkt. Unter anderem können folgende Veränderungen oder Erkrankungen mit EKG-Anomalien einhergehen:

  • Herzrhythmusstörungen
  • Herzinfarkt (Myokardinfarkt)
  • Herzbeutelentzündung (Perikarditis)
  • Herzmuskelentzündung (Myokarditis)
  • Verschluss von Lungengefäßen (Lungenembolie)
  • Eine „nicht normale“ Druckbelastung des linken bzw. rechten Herzens
  • Überdosierung bestimmter Medikamente
  • Schilddrüsenüberfunktion/ -unterfunktion (Hyper-/ Hypothyreose)
  • Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)
  • Einengung der Aortenklappe (Aortenstenose) und/oder andere Herzklappenfehler
  • Erhöhte Herzfrequenz (Sinustachykardie)
  • Veränderung oder Beschädigung des Herzmuskelgewebes (Kardiomyopathie/ Myokardschädigung)
  • Psychogene Ursachen (z.B. Panikattacken)

Literatur

MFA-Azubiwelt

Lerninhalte für angehende MFA:

Das Herz

Herz-Kreislaufsystem

Die Autorin Steffi, MFA/Wundexpertin (ICW)
Steffi Blog

Nach der Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer dermatologischen Praxis für 5 Jahre im Praxisalltag als MFA, seit 2014 bei Dr. Ausbüttel (DRACO®). Wundexpertin (ICW) und bloggende MFA mit Leidenschaft.

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