Das Bobath-Konzept: Ziele und Umsetzung in der Pflege

Das Bobath-Konzept: Ziele und Umsetzung in der Pflege

Was ist das Bobath-Konzept? - Das Bobath-Konzept wurde 1943 vom Ehepaar Bobath entwickelt. Es ist ein bewegungstherapeutisches Behandlungskonzept für Menschen mit Bewegungsstörungen, aufgrund neurologischer Funktionsstörungen.

Dabei „basiert [es] auf neurophysiologischen und entwicklungsneurologischen Grundlagen und orientiert sich an den Ressourcen und der Zielsetzung des Patienten.“1  Das Konzept wird weltweit angewendet und kann bei allen Altersgruppen (Säuglingen – Senioren) angewendet werden.

Das Bobath-Konzept fordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Ärzten und dem Pflegepersonal. Es wird von den Krankenkassen anerkannt.1 

Ziele des Bobath-Konzeptes

Das Hauptziel des Konzeptes ist es, den Patienten die größtmögliche Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu ermöglichen. Dies soll durch die Verbesserung der Handlungskontrolle und der Bewegung geschehen.2

Um dies zu erreichen, wird die geschwächte Körperregion in alle Bewegungsabläufe integriert. Das Gefühl für die zuvor verlorene Körperregion soll so wiedererlangt werden. Das Konzept beseitigt dabei nicht die zentralen Ursachen der Erkrankung. Es soll vielmehr dabei helfen, neue Bewegungsmuster zu erlernen, um trotz der Einschränkungen besser im Alltag zurecht zu kommen bzw. diese besser kompensieren zu können.3

Allgemeine Umsetzungsmöglichkeiten in der Pflege

  • Mobilisation: Hier geht es um das Erlernen von speziellen Bewegungsmustern, z.B. beim Aufstehen aus dem Bett oder beim Umsetzen in den Rollstuhl. Die Pflegekraft achtet darauf, dass sobald sich der Patient bewegt, er dies nach den speziellen Bewegungsmustern tut und unterstützt ihn dabei. Durch die ständigen Wiederholungen lernen die Nervenbahnen die neuen Abläufe. Sie werden automatisiert und der Patient wird zunehmend selbstständiger.4
  • Umpositionierungen: Da Patienten mit neurologischen Erkrankungen häufig das Gefühl für einzelne Körperregionen verlieren, bevorzugt das Bobath-Konzept eine harte Matratze. Dadurch und mit Hilfe anderer Übungen werden die Körperregionen mit der Zeit wieder wahrnehmbar für den Patienten. Die Entscheidung der Matratze ist individuell. Bei Patienten, welche ein erhöhtes Risiko für einen Dekubitus haben, sollte nicht auf einer harten Matratze positioniert werden.
  • Selbstständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens: Hierzu gehören Bereiche wie zum Beispiel die Nahrungsaufnahme, die Körperpflege sowie das An- und Auskleiden. Hier wird „[…] die jeweilige Ausführung der Alltagshandlung durch verschiedene Eingriffe, wie etwa Hilfsmittel, eine bestimmte Umgebung oder eine entsprechende Ausgangsstellung, bei der Übung so gestaltet, dass eine Kontrolle des Muskeltonus bestmöglich erfolgen kann. Aus dieser tonuskontrollierten Situation heraus lernt der Patient dann unter der Führung von Pflegepersonen jene Handlungen auszuüben, welche für eine selbstständige Gestaltung seines Alltags am wichtigsten sind.“4

Bei der Umgebungsgestaltung nach Bobath sollten folgende Schwerpunkte berücksichtigt werden:

Sicherheit ermöglichen (Sturzprophylaxe):

  • Handläufe anbringen
  • Stolperfallen beseitigen
  • Rutschfeste Bodenbeläge platzieren
  • Beim Verlassen des Zimmers, Patient in sichere Position bringen

Zugänglichkeit und Funktionalität prüfen:

  • Umstellen von Möbeln und anderen Gegenständen zur besseren Erreichbarkeit
  • Barrierefreies Wohnen ermöglichen (Platz für Rollstuhl oder Gehhilfen schaffen)
  • Rufanlage oder andere Kommunikationsmittel in erreichbarer Nähe positionieren

Stimulierende Reize geben:

  • Verschiedene Oberflächenstrukturen zum Tasten ermöglichen (z.B. Igelball oder mit Gel gefüllter Ball)
  • Farbakzente setzen 
  • Übungsgeräte für Fein- und Grobmotorik zur Verfügung stellen 

 Individualität berücksichtigen:

  • Umgebung an den aktuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten anpassen und kontinuierlich verändern

Während der Pflege-Ausbildung werden die Aspekte des Bobath-Konzepts meistens nur sehr oberflächlich behandelt. Wenn sich eine Einrichtung oder eine Station dafür entscheidet, geeignete Patienten nach Bobath zu pflegen, sollten die Pflegekräfte auf eine Schulung bzw. auf eine Weiterbildung geschickt werden.

Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis 

Da es sich beim Bobath-Konzept um ein 24-Stunden-Konzept handelt, ist es wichtig, dass alle Beteiligten nach Bobath arbeiten. Nur so können gute Erfolge erzielt werden. Dies ist allerdings meistens nur in spezialisierten Reha-Einrichtungen umsetzbar. Hier empfiehlt es sich, entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote zu nutzen.

Doch es gibt einige praktische Umsetzungsmöglichkeiten, die jede Pflegekraft ohne großen Mehraufwand in ihren pflegerischen Alltag integrieren kann. 

Stabilisierung des Rumpfes

Viele Patienten mit neurologischen Funktionsstörungen haben Probleme, den Rumpf zu kontrollieren. Grund hierfür ist die fehlende Kontrolle über die entsprechende Muskulatur. Diese kann nicht angespannt werden.

Dadurch können Patienten

  • nicht aufrecht im Rollstuhl sitzen,
  • den Kopf nicht selbstständig halten,
  • das korrekte Schlucken wird zusätzlich erschwert.

Außerdem gestaltet sich der Transfer zum Beispiel vom Bett in den Rollstuhl als sehr schwierig.5

Ein einfacher „Rumpfwickel“ kann hier Stabilität bewirken.

„Ein großes Badehandtuch oder -schal wird der Länge nach so gefaltet, dass es vom vorderen Darmbeinstachel bis zu den unteren Rippen reicht.“5

Am besten wird der Wickel in Rückenlage, mittig über dem Bauch, mit gut klebenden Pflasterstreifen fixiert (Siehe Abbildung 1). Der Wickel sollte fest sitzen, den Patienten jedoch nicht einengen.

Ist eine Seite des Rumpfes hypotoner (Bauch hängt in Rückenlage auf eine Seite), sollte diese Asymmetrie durch entsprechenden Zug des Tuchs ausgeglichen werden (Siehe Abbildung 1). Linke Seite hypoton (Bauch hängt auf die linke Seite). Diese Asymmetrie wird durch Zug des Handtuchs auf die rechte Seite (siehe Pfeil) ausgeglichen. 

Umgang mit hypotonen Extremitäten

Abgesehen von der fehlenden Rumpfkontrolle sind hypotone Extremitäten (schlaffe Lähmungen) auch weit verbreitet. Im Umgang ist es wichtig, dass der Arm bei sämtlichen pflegerischen Handlungen von der Pflegekraft unterstützt wird, da der Patient den Arm aus eigener Kraft nicht selbstständig halten kann. Am besten gelingt dies, indem der Arm des Patienten oberhalb des Ellbogens angefasst und somit stabilisiert wird. Ruckartige Bewegungen wie z.B. das fallen lassen des Armes sind unbedingt zu vermeiden!

Außerdem sollte der Arm nie über 60° angehoben werden, um Verletzungen der Gewebestrukturen zu vermeiden.

Bobath-Konzept: Rumpfwickel zur Stabilisierung
Abb. 1: Rumpfwickel zur Stabilisierung

Fehlstellung der Hüfte

Patienten mit neurologischen Erkrankungen neigen ebenfalls häufig zu Fehlstellungen des Hüftgelenks. Dies zeigt sich typischerweise darin, dass das Bein der mehr betroffenen Seite nach außen rotiert ist. Durch diese Fehlstellung kommt es häufig zu Schmerzen in der Hüfte. [5]

Indem die Fehlstellung bei den Positionierungen im Bett korrigiert wird, lassen sich Hüftschmerzen ohne großen Mehraufwand im Idealfall vermeiden oder zumindest verringern.

Bobath-Konzept: Nach außen rotiertes Bein bei Fehlstellung des Hüftgelenks
Abbildung 2: Nach außen rotiertes Bein
Bobath-Konzept: Korrektur nach außen rotiertes Bein.
Abbildung 3: Korrektur eines nach außen rotierten Beins.

Alternativ kann ein kleines Handtuch auf beiden Seiten eingerollt werden (siehe Abbildung 4 und 5). 

Diese Art der Lagerung des Fußes kann auch als Dekubitusprophylaxe eingesetzt werden. Je größer das Handtuch und je mehr eingerollt wird, umso freier kann die Ferse positioniert werden.

Bobath-Konzept: Brezelfaltung zur Korrektur der Fußstellung
Abbildung 4: Korrektur eines nach außen rotierten Beins (Möglichkeit 2)
Bobath-Konzept: Brezelfaltung zur Fußpositionierung, Fersenentlastung
Abbildung 5: Gerolltes kleines Handtuch

Da das Bein nach außen rotiert ist, ist die außen liegende Seite des Handtuchs etwas mehr gerollt, um das „nach außen kippen“ zu vermeiden.

Andere Positionierungstechniken wie z.B. die „Lagerung in Neutralstellung - LiN“ zur Spitzfußprophylaxe können gut kombiniert werden.

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Fortbildung: Pflege

Literatur

Die Autorin Rebecca Ott
Rebecca Ott klein

Rebecca Ott ist examinierte Altenpflegerin mit den Zusatzqualifikationen Wundexpertin ICW, Algesiologische Fachassistentin und Praxisanleiterin für Pflegeberufe. Sie war einige Jahre in der außerklinischen Intensiv- und Beatmungspflege tätig und arbeitet zur Zeit als Dozentin.