Einstieg, Überblick und Grundlegendes

 

Wichtige Definitionen und Fakten

Diabetisches Fußsyndrom (DFS)

Unter dem Begriff „diabetisches Fußsyndrom" werden alle pathologischen Veränderungen an den Füßen zusammengefasst, die durch Diabetes mellitus und eine diabetische Polyneuropathie entstehen. Hierzu gehören zum Beispiel das diabetische Fußulkus, aber auch abnorme Hornhautschwielen.

Das diabetische Fußulkus (DFU)

Das diabetische Fußulkus entsteht am neuropathischen Fuß aufgrund des eingeschränkten oder fehlenden Druck- und Schmerzempfindens häufig in Kombination mit Diabetes-bedingten Fußdeformitäten (diabetische sensomotorische Polyneuropathie). Es kommt insbesondere an Knochenvorsprüngen durch unpassendes Schuhwerk oder z. B. durch einen Stein im Schuh zu abnormen Druckbelastungen, die von Betroffenen nicht wahrgenommen und somit nicht vermieden oder beseitigt werden. Die Folge ist eine andauernde Überlastung des Gewebes mit Gewebeuntergang bis hin zum Ulkus.

Aktive und inaktive Phase des DFS

Das DFS hat sehr hohe Rezidivraten von 30–100 % im ersten Jahr. Aus diesem Grund spricht man nach Abheilung einer Fußläsion nicht direkt von „Heilung”. Besser sind die Begriffe aktive Phase bzw. inaktive Phase des DFS oder „Remission”.

Diabetische Polyneuropathie

Unter dem Begriff diabetische Polyneuropathie" werden drei Formen der Neuropathie zusammengefasst, die bei DFS-Betroffenen vorliegen können.

  • Sensorische Neuropathie: äußert sich durch Sensibilitätsstörungen (z. B. Fehlen von Druck- und Temperaturempfinden sowie Schmerz)
  • Motorische Neuropathie: Rückbildung von Muskeln und Deformitäten der Zehen und Füße
  • Autonome Neuropathie: vegetative Nerven betroffen, z. B. Ausfall der Schweißbildung an den Füßen
  • Meist tritt zuerst die sensorische Neuropathie in Erscheinung. Kommt die motorische Neuropathie hinzu, bezeichnet man sie als „sensomotorisch”.
  • Bei DFS-Betroffenen liegen die sensorischen und motorischen Ausfälle in der Regel distal und symmetrisch an beiden Füßen vor = distal-symmetrische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN)
  • Die autonome Neuropathie macht sich an den Füßen z. B. in Form von fehlender Schweißbildung bemerkbar. Sie kann aber auch an anderen Lokalisationen des Körpers auftreten (u. a. Gastrointestinaltrakt, Urogenitaltrakt, Herz und Gefäße).
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)

Bei der pAVK kommt es zu einer Minderdurchblutung arterieller Gefäße im Becken und/oder den Beinen durch Einengung (Stenose) oder Verschluss (Okklusion), meist verursacht durch eine Atherosklerose.

  • In Deutschland liegt bei Menschen mit einem DFS in mehr als 50 % der Fälle eine pAVK vor.
  • Die pAVK ist seltener die Ursache eines DFU, aber durch die mangelhafte Versorgung des Gewebes kann sie die Wundheilung erheblich erschweren.
  • Wird bei DFS-Betroffenen eine pAVK festgestellt, sind diese an eine entsprechende Fachdisziplin zu überweisen (Angiologie/Gefäßchirurgie), um geeignete Behandlungsmaßnahmen abzuklären und einzuleiten.
  • Bei Menschen mit DFS können Warnzeichen einer pAVK, wie Schmerzen beim Gehen, verloren gehen.

Amputationen

Definition Majoramputation: Amputation in der Knöchelregion oder oberhalb davon

Definition Minoramputation: Amputation unterhalb der Knöchelregion

Definition Grenzzonenamputation: Sonderform der Minoramputation. Amputation an der Grenze zwischen vitalem und avitalem Gewebe inklusive Débridement

Liegt bereits eine Wunde vor, muss diese adäquat behandelt werden, um sie zur Heilung zu bringen und eine Verschlechterung abzuwenden. Ist der Gewebeschaden zu groß oder eine Infektion zu schwer, sind Fuß- oder Beinamputationen für das Patientenwohl oft unumgänglich. Allerdings können umfangreiche Amputationen ebenfalls die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen mindern.

Amputation ja oder nein?

Seit 2021 ist die Zweitmeinung vor geplanter Amputation vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Es ist verpflichtend, den Betroffenen bei der präoperativen Aufklärung anzubieten, sich bei einer qualifizierten Ärztin bzw. einem qualifizierten Arzt eine Zweitmeinung einzuholen.

 

Interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit

Die Rolle der Hausärztin bzw. des Hausarztes

Die DFS-Therapie erfordert eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit. Beim Diabetes mellitus Typ 2 erfolgt die Langzeitbetreuung in der Regel durch Hausärztinnen bzw. Hausärzte, die die verschiedenen Fachdisziplinen koordinieren. Patientinnen oder Patienten mit relevanter pAVK oder schweren Infektionen sind immer Hochrisikopatientinnen bzw. -patienten und sollten in spezialisierten medizinischen Einrichtungen behandelt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. gibt folgende Empfehlung für die maximale Zeit bis zur Vorstellung in einer spezialisierten Fußbehandlungseinrichtung:

  • < 2 Wochen bei unkompliziertem, nicht heilendem Ulkus (oberflächlich, nicht infiziert, nicht ischämisch)
  • < 4 Tage bei kompliziertem Ulkus (tief, leichte Infektion, ischämische Läsion)
  • < 24 Stunden bei hochgradig kompliziertem Ulkus (Abszess, feuchte Gangrän, ischämische Läsion)
IRBESA-PP

Hinter der Abkürzung IRBESA-PP stehen die Bausteine eines strukturierten und interprofessionellen Konzepts zur Behandlung des komplexen Krankheitsbildes DFS. Damit gilt das IRBESA-PP-Konzept als Checkliste für eine umfassende DFS-Versorgung, um von Beginn an alle Aspekte mitzudenken.

  • Infektionsmanagement
  • Revaskularisation
  • Begleiterkrankungen
  • (Druck-)Entlastung
  • Stadiengerechte Wundbehandlung
  • (Grenzzonen-)Amputation
  • Psychotherapie und psychosoziale Unterstützung
  • Prävention inkl. Podologie

 

 

 

 
 
 
 
Zuletzt geändert: Freitag, 4. Juli 2025, 08:10