Enterale Ernährung:  Sonden richtig legen und pflegen

Enterale Ernährung:  Sonden richtig legen und pflegen

Wenn Patienten nicht ausreichend essen, um ihren Nährstoffbedarf zu decken, kann eine Ernährung per Sonde infrage kommen. Welche Ernährungssonden gibt es? Und wie können Komplikationen vermieden werden? 

Ernährung per Sonde – wann ist sie indiziert?

Die beste Ernährung ist die, bei der Menschen selbstständig essen und trinken – also die orale Nahrungsaufnahme. Bei manchen Patienten ist diese allerdings erschwert oder sie schaffen es nicht, ausreichend Nährstoffe aufzunehmen, z. B. bei bestimmten Darmerkrankungen, bei Verletzungen des Mund-Rachen-Raums, bei Kau- oder Schluckstörungen oder auch bei Wachkoma, Demenz oder Tumorkachexie.1

Bevor eine Sondenernährung indiziert ist, sollte zunächst versucht werden, die Nahrungsaufnahme zu verbessern. Dazu gehören bei älteren Menschen vor allem Zahnsanierung, Schlucktraining und eine adäquate Behandlung der Grunderkrankung. Aber auch pflegerische Maßnahmen und die Gestaltung der Essumgebung spielen eine Rolle. Pflegekräfte können zum Beispiel den Patienten zum Essen ermuntern oder auch bei der Zubereitung seiner Lieblingsspeisen unterstützen. Gerne werden lieber kleinere Portionen angenommen, dann aber öfter. Eine andere wichtige Komponente kann auch das Essen in einer Gemeinschaft sein. Zu den Speisen können z. B. Sahne, Butter, Öl, Ei oder Proteinpulver zugeben werden, um die Kalorienaufnahme zu steigern. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Patienten nach individuellen Geschmacksvorlieben hochkalorische künstliche Trinknahrungen anzubieten.2

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann eine enterale Ernährung per Sonde oder PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) indiziert sein – ergänzend oder ausschließlich. Sie eignet sich für Patienten, deren Magen-Darm-Trakt problemlos arbeitet, die jedoch unzureichend Nährstoffe aufnehmen, da sie die Nahrung nicht oral aufnehmen können oder möchten.3 Eine Ausnahme: Ist die Lebenserwartung voraussichtlich geringer als 4 Wochen, sollte eine künstliche Ernährung nicht durchgeführt werden. Dies gilt ebenso, wenn die Maßnahme durch den Patienten (auch durch eine Patientenverfügung) oder dessen gesetzlichen Betreuer abgelehnt wird.2

Was ist eine Tumorkachexie?

Eine Tumorkachexie zeigt sich als häufige Folge einer Krebserkrankung. Sie zeichnet sich durch eine tumorbedingte Mangelernährung und einen damit verbundenen Abbau von Fett- und Muskelmasse aus. Dabei hat sie einen großen Einfluss auf die Prognose des Patienten. Aus diesem Grund sollten Betroffene schnellstmöglich eine professionelle Ernährungstherapie als Unterstützung erhalten.4

Welche Ernährungssonden gibt es?

Je nach Lage der Ernährungssonde – Magen oder Darm (Duodenum=Zwölffingerdarm oder Jejunum= Leerdarm) – und geplanter Dauer der Ernährung werden unterschiedliche Sonden eingesetzt. Die häufigsten sind:

Nasogastrale Sonde: Ist die Ernährung per Sonde voraussichtlich weniger als 4–6 Wochen lang erforderlich, wird normalerweise eine weiche, nasogastrale Sonde aus Silikon oder Polyurethan mit kleinem Durchmesser gelegt. Kann die Sonde wegen einer Verletzung oder aus anderen Gründen nicht in der Nase platziert werden, kann auch eine orogastrale Sonde gewählt werden. Dabei wird die Sonde über den Mundraum zum Magen gelegt.

Nasojejunale Sonde: Ist eine Ernährung über den Magen nicht möglich und die Sondenernährung nur von kurzer Dauer (< 4–6 Wochen), kann die Sonde im Dünndarm platziert werden (Jejunum). Das kann z. B. nach kompletter oder teilweiser Gastrektomie (Magenentfernung) oder bei unvollständigem Verschluss des Mageneingangs erforderlich sein. Auch hier kann bei Verletzungen im Nasenbereich eine orojejunale Sonde gelegt werden.

PEG: Ist eine längere (> 4–6 Wochen) oder dauerhafte enterale Ernährung notwendig, z. B. bei Wachkoma, Demenz, Schluckstörung, Tumorkachexie, wird in der Regel eine Perkutan-endoskopische Gastrostomie (PEG) durchgeführt. Dabei wird meist endoskopisch ein künstlicher Zugang von außen durch die Bauchdecke in den Magen gelegt. Eine Jet-PEG ist eine doppellumige Sonde, bei der eine Öffnung im Magen, die andere im Jejunum liegt. Diese eignet sich für Patienten mit erhöhter Aspirationsgefahr → die Ernährung erfolgt dann über den jejunalen Schenkel (Aspirationsgefahr= Gefahr vor Verschlucken von Gegenständen oder Flüssigkeiten). Über den zweiten Schenkel, der im Magen liegt, kann bei Bedarf Magensekret abgeleitet werden.

Baby mit nasogastraler Sonde
Abbildung: Eine kurzdauernde Ernährung per nasogastrale Sonde kann z. B. bei Früh- und kranken Neugeborenen indiziert sein, aber auch bei Erwachsenen mit entzündlichen Darmerkrankungen, Appetitlosigkeit oder Kachexie.

PEJ: Ist eine Ernährung über den Magen nicht möglich und eine länger dauernde enterale Ernährung erforderlich (> 4–6 Wochen), kann die Sonde im Jejunum platziert werden – Perkutan-endoskopische Jejunostomie (PEJ). Hier sind die Indikationen ähnlich wie bei der nasojejunalen Sonde.

Die PEG-Ernährung gilt heute als sicheres und wirksames Verfahren, um eine angemessene enterale Ernährung bei stationären und häuslichen Patienten sicherzustellen. Laut einer Übersichtsarbeit profitieren akut und chronisch erkrankte Menschen, die das Risiko einer Mangelernährung und Dysphagie (Schluckstörung) haben, von der PEG-Anlage. (4) Komplikationen sind selten und lassen sich zumeist durch geeignete Pflegemaßnahmen vermeiden, heißt es in der internationalen Übersichtsarbeit.

Was ist beim Legen einer Sonde zu beachten?

Das Legen einer Sonde gehört grundsätzlich zu den ärztlichen Aufgaben. Häufig wird diese Aufgabe aber an Pflegefachkräfte delegiert.1

1. Zunächst alle Materialien, die zum Legen einer Magensonde erforderlich sind, zurechtlegen, u. a. Schleimhautanästhetikum (Spray) für die Nasen- und Rachenanästhesie, geeignete Sonde (und eine Ersatzsonde), Gleitmittel, i. d. R. anästhesierendes Gel zur Betäubung der oberen Schleimhäute, Glas mit Wasser, Nierenschale mit Zellstoff, Schutztuch, Stethoskop und 20-ml- oder 50-ml-Spritze (bei Erwachsenen) etc. 

 2. Länge der Sonde bestimmen: Diese entspricht der Entfernung Nasenspitze – Ohrläppchen – Magengrube (Magensonde beim Erwachsenen ca. 50–60 cm). Die ermittelte Länge direkt auf der Sonde mit einem Fettstift markieren. Patienten zuvor informieren, ggf. Zahnprothese entfernen, Nase reinigen bzw. schnäuzen lassen, mit Schutztuch abdecken, Nierenschale für evtl. Würgereiz reichen. 

 3. Die Sonde wird i. d. R. über die Nase und nur in Ausnahmefällen über den Mund eingeführt, z. B. bei Früh- oder Neugeborenen oder bei Verletzungen der Nase. Dazu Handschuhe anziehen und den Patienten auffordern, ruhig durch den Mund zu atmen. Zuvor wird die Sonde mit anästhesierendem Gel (bei Säuglingen mit Tee) gleitfähig gemacht.

4. Die Sonde ca. 10 cm über die Nase einführen und den Patienten dann bitten, den Kopf nach vorne zu neigen (Ausnahme: Patient liegt), damit sich die Glottis (Stimmritze) verschließt und die Sonde nicht versehentlich in die Trachea (Luftröhre) gelangt. Anschließend Patienten zum Ausatmen durch den Mund und danach zum Schlucken auffordern (ggf. Wasser oder Tee reichen). Die Sonde während jedes Schluckakts zügig vorschieben, bis Markierung auf Sonde erreicht ist. Bei Widerstand, Anzeichen einer Zyanose (Blauverfärbung der Haut aufgrund von Sauerstoffmangel im Blut) oder starkem Husten Sonde zurückziehen, eine Pause machen und erneut versuchen.

5. Lage kontrollieren: Möglich sind

a) Magensekret aspirieren (mit Spritze ansaugen) und pH-Wert mit Indikatorpapier bestimmen (Magen-pH 2),

b) mit Spritze Luft durch die Sonde in den Magen einblasen und das Geräusch mit dem Stethoskop auskultieren,

c) bei Zweifel: Röntgenkontrolle (die meisten Sonden haben einen röntgendichten Streifen).

 6. Die Sonde an Nasenrücken und Wange mit Textilpflaster oder speziellem Fixierstreifen befestigen. Die Haut sollte sauber und fettfrei sein, evtl. vorher mit Alkoholtupfern säubern. Darauf achten, dass die Sonde keinen Druck auf die Nasenflügel ausübt (Dekubitusgefahr). Den Patienten den Mund ausspülen lassen und über den Umgang mit der liegenden Sonde informieren.

Eine nasojejunale Sonde legt der Arzt unter endoskopischer oder Röntgen-Durchleuchtung. Eine PEG erfolgt als perkutane Punktion des Magens im Rahmen einer Gastroskopie (Magenspiegelung).1

​​​​​​​Welche Pflege braucht eine liegende Sonde?

  • Die orale Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr erfolgt i. d. R. laut Arztanordnung.
  • Die Pflegekraft kontrolliert bei der nasogastralen bzw. nasojejunalen Ernährungssonde regelmäßig vor jeder Nahrungszufuhr die Lage der Sonde. Die sicherste Methode ist die Überprüfung mittels Indikatorpapiers (pH-Wert). Auch ist immer auf die Markierung an der Sonde zu achten.
  • Die Pflasterfixierung an der Nase ist täglich zu wechseln, um Hautschäden vorzubeugen. Beim Pflasterwechsel hält die Pflegekraft die Sonde gut fest, um zu verhindern, dass die Sonde versehentlich herausrutscht oder herausgezogen wird. 
  • Die Nasenlöcher werden täglich mit in Warmwasser getränkten Watteträgern ausgetupft und mit Nasensalbe gepflegt. 
  • Bei Sondenernährung verringert sich der Speichelfluss. Daher sollte eine regelmäßige Soor- und Parotitisprophylaxe erfolgen.1 Dazu gehören eine regelmäßige Inspektion der Mundhöhle, Mund- und Zahnpflege, Anregung des Speichelflusses und der Kautätigkeit, Lutschen von Eiswürfeln oder sauren (zuckerfreien) Bonbons, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Kaubewegungen machen lassen und Massage der Parotis (Ohrspeicheldrüse) vor dem Ohr.5
pH-Test mit pH-Teststreifen
Abbildung: Die pH-Wert-Bestimmung des Magensaftes mittels Indikatorpapier kann Rückschlüsse auf krankhafte Veränderungen im Magen anzeigen.

Wie können Komplikationen vermieden werden?

Komplikationen beim Legen einer Sonde 

Beim Legen einer Sonde sind unterschiedliche Komplikationen möglich.  Dazu zählen beispielsweise Nasenbluten, die Via falsa („falscher Weg“ – hier reißt die Sonde z. B. die Schleimhaut auf und wird unter der Schleimhaut weitergeschoben, sodass Rachen oder Speiseröhre verletzt werden können), eine Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) oder Herzstillstand (als Folge eines Vagusreizes) oder Dislokation in die Trachea (Sonde rutscht in die Luftröhre ab → Patient bekommt starken Husten und wird zyanotisch).1

Wichtige Maßnahmen, die daraus resultieren, sind:

  • Eine Sonde wird wegen der Verletzungsgefahr nie gegen Widerstand eingeführt.
  • Haben Patienten keinen Hustenreflex (z. B., weil sie bewusstlos sind), kann die Sonde unbemerkt in die Luftröhre geraten. Daher ist es in diesem Fall besser, die Sonde unter Sicht vom Arzt legen zu lassen.
  • Treten Zyanose, Husten und Luftgeräusche auf, Sonde sofort entfernen! Bei diesen Anzeichen liegt die Sonde meist in der Luftröhre.1

Komplikationen bei einer PEG/PEJ 

Die häufigsten Komplikationen, die bei einer PEG/PEJ auftreten, sind die Obstruktion (Verschluss/Verengung) der Sonde, z. B. mit Medikamenten und lokale Wundinfektionen. 

Sondenobstruktionen: Um Verstopfungen zu vermeiden, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Die Ernährungssonde sollte vor und nach jedem Gebrauch gründlich mit frischem Trinkwasser (20–50 ml) gespült werden (auch bei Nicht-Benutzung der Sonde täglich spülen). Kein Früchtetee oder Fruchtsäfte nutzen, diese können zum Ausflocken führen.1
  • Eine Medikamentengabe über die Sonde sollte grundsätzlich nur in ärztlicher Absprache erfolgen und nur, wenn keine Alternativen möglich sind. 
  • Bei längerem Nichtgebrauch einer Sonde (speziell bei PEG) wird empfohlen, die Sonde 2-mal täglich mit frischem Trinkwasser zu spülen.
  • Wird die Sondenernährung zu Hause durchgeführt, benötigen gerade ältere Menschen ausführlichere Informationen und eine intensivere Betreuung, um Komplikationen zu vermeiden.2

Ist eine Verstopfung der Sonde eingetreten, kann die Pflegekraft versuchen, den gestauten Sondeninhalt mit einer Spritze abzusaugen. Auch kann sie das Schlauchansatzstück überprüfen und ggf. austauschen. Weitere Möglichkeiten: die PEG-Sonde mit lauwarmem Wasser mithilfe einer 10- oder 20-ml-Spritze spülen (Cave: kleinere Spritzen erzeugen einen zu großen Druck mit Gefahr der Sondenruptur). In Ausnahmefällen kann zum Auflösen einer Okklusion (Verschluss) auch mit kohlensäurehaltigen Getränken, z. B. Cola, Pepsinwein oder Pankreasenzyme gespült werden (Lösung ca. 20 Min. einwirken lassen). Sind diese Maßnahmen nicht erfolgreich, kann der Arzt versuchen, die Verstopfung der Sonde mit einer Bürste mechanisch zu lösen. Sonst muss die Sonde gewechselt werden.1

Nicht nur lange Liegezeiten von Sonden begünstigen die Gefahr einer Dekubitusentstehung. Erfahren Sie in unserem Hauptartikel mehr über Risikofaktoren, Ursachen der Entstehung und Prävention.

Dekubitus

Lokale Wundinfektionen: Bei guter Pflege kann eine PEG-Sonde über Monate und Jahre beschwerdefrei genutzt werden. Um Infektionen der umliegenden Haut zu vermeiden, sollten Pflegekräfte die folgenden Grundsätze beachten:

  • Das Stoma (Eintrittsstelle) regelmäßig inspizieren 
  • Den Verbandwechsel hygienisch korrekt durchführen 
  • Auf Entzündungszeichen umgehend reagieren 
  • Die PEG-Sonde bei jedem Verbandswechsel mobilisieren 
  • Die Haut um die Eintrittsstelle trocken halten

Literatur

Ausführliche Informationen für eine gute Hautpflege rund um das Stoma bei PEG erhalten Sie hier:

Pflege bei perkutaner endoskopischer Gastrostomie
Die Autorin Michelle Eisenberg
Michelle Eisenberg, examinierte Pflegekraft

Michelle Eisenberg ist examinierte Pflegekraft mit der Zusatzqualifikation Praxisanleitung in der Pflege.
Sie hat sowohl in der ambulanten als auch stationären Pflege Erfahrung gesammelt.
Seit einiger Zeit arbeitet Frau Eisenberg im Kundenservice von Dr. Ausbüttel im Bereich Beratung.