Mikroklima und Wundheilung
Temperatur, Feuchtigkeit und Luftzirkulation sind drei wesentliche Faktoren, die das Mikroklima in der Wunde bestimmen. Eine feuchte Wundbehandlung beeinflusst das Mikroklima und kann die Wundheilung fördern.
Was bedeutet Mikroklima im Kontext von Haut und Wunden?
Der Begriff „Mikroklima“ beschreibt externe Faktoren, die den Zustand und die Funktionsfähigkeit von Haut und Wunden beeinflussen. Dazu gehören
- Temperatur
- Feuchtigkeit
- Luftzirkulation an der Hautoberfläche1
Wie beeinflusst das Mikroklima die Wundheilung?
Das Mikroklima beeinflusst die Wundheilung erheblich. Es wirkt sich auf die Zellneubildung und die Heilungsgeschwindigkeit aus.3-5
Der Begriff „Mikroklima“ stammt ursprünglich aus der Dekubitus-Prophylaxe. Er beschreibt die Temperatur und Feuchtigkeit zwischen der Haut und ihrer Unterlage. Ein günstiges Mikroklima hilft der Haut und dem Gewebe, Druck und Scherkräften standzuhalten. Maßnahmen zur Kontrolle des Mikroklimas sind entscheidend, um Dekubitus vorzubeugen. Dazu gehört die Behandlung von Ursachen für Temperaturerhöhungen oder Feuchtigkeit, z.B. Fieber oder Inkontinenz.
Temperatur
Niedrige Temperaturen: Zu niedrige Temperaturen in der Wunde verzögern die Heilung.
- Fällt die Temperatur unter 33 °C, sinkt die Aktivität von Immunzellen, Fibroblasten und Hautzellen. Dies verlangsamt den Heilungsprozess.
- Fällt die Temperatur in der Wunde während der frühen Heilungsphase unter die Körperkerntemperatur, wird die Kollagenablagerung behindert. Außerdem verringert sich die spätere Präsenz von Entzündungszellen der späten Immunantwort und Fibroblasten (Bindegewebszellen).
Hohe Temperaturen: Zu hohe Temperaturen können auf Infektionen oder Entzündungen hinweisen.
- Eine erhöhte Hauttemperatur fördert die Entstehung von Dekubitus. Mit der Temperatur steigt die Stoffwechselaktivität im Gewebe. Die Durchblutung reicht aber oft nicht aus, den zusätzlichen Nährstoff- und Sauerstoffbedarf zu decken. So kann es zu einer Ischämie (verminderte oder fehlende Durchblutung) und damit zu Gewebeschäden kommen.
- Weiter schwächen hohe Temperaturen die mechanische Festigkeit der äußeren Hautschicht (Stratum corneum).3
Beim Verbandwechsel sinkt die Wundtemperatur. Studien zeigen einen Temperaturrückgang von über 2,5°C: direkt nach dem Entfernen des Verbands bei akuten, traumatischen Wunden lag die Wundtemperatur im Schnitt bei 32,6 °C. Bis zum Anlegen eines neuen Verbands fiel sie auf durchschnittlich 29,9 °C.4
Feuchtigkeit
Ein feuchtes Milieu unterstützt die Wundheilung in mehrfacher Hinsicht.
- Feuchtigkeit beschleunigt die Zellmigration, verbessert die Signalübertragung zwischen den Zellen und die Funktion von Botenstoffen wie Wachstumsfaktoren
- Die Neubildung von Epithel und Kollagen sowie das autolytische Débridement werden durch Feuchtigkeit gefördert
- Feuchtigkeit reduziert Schmerzen, Entzündungen, Nekrosen und Narbenbildung.
- Durch Feuchtigkeit wird die Aufnahme topischer Arzneimittelwirkstoffe verbessert
Eine feuchte Wundbehandlung verhindert das Austrocknen der Wunde und unterstützt die natürlichen Heilungsprozesse.5
pH-Wert in Wunden
Ein saurer pH-Wert fördert die Wundheilung. Er verbessert die Sauerstofffreisetzung, die Neubildung von Blutgefäßen und die Aktivität von Enzymen. Chronische Wunden haben oft einen basischen pH-Wert im Bereich 7,15 bis 8,9. Während der Heilung sinkt dieser über neutral auf den sauren Wert der gesunden Haut. Diese weist einen pH-Wert im Bereich von 5,4 bis 5,6 auf. Der saure pH-Wert hemmt schädliche Enzyme und Bakterien und fördert die Aktivität von Immunzellen und Fibroblasten.6
Derzeit gibt es keine spezifischen Behandlungsansätze, die den pH-Wert in Wunden beeinflussen. Wundauflagen mit medizinischem Honig können allerdings den pH-Wert einer Wunde günstig beeinflussen.
Feuchtigkeit und Dekubitus
Feuchtigkeit spielt auch bei der Dekubitus-Prävention eine Rolle.3
- Zu viel Feuchtigkeit schwächt die Hautbarriere und erhöht die Reibung. Die Wahrscheinlichkeit einer Hautschädigung durch Druck- und Scherkräfte steigt.
- Zu wenig Feuchtigkeit macht die Haut trocken und anfällig für Schäden. Zugfestigkeit, Flexibilität und Integrität der Verbindungsstellen zwischen der Dermis und der Epidermis werden durch reduzierten Fett- und Wassergehalt der Haut verringert.
Erregerkontrolle durch ein stabiles Mikroklima
Ein stabiles Mikroklima hilft, Krankheitserreger zu kontrollieren und Infektionen zu verhindern:4-7
Mikroklima durch Exsudatmanagement optimieren
Ein optimaler Feuchtigkeitszustand ist entscheidend für die Wundheilung. Eiweiße und Botenstoffe im Wundexsudat wirken heilungsfördernd. Zu viel Exsudat kann jedoch die Wundumgebung schädigen und die Heilung verzögern. Moderne Wundauflagen helfen, durch wirksames Exsudatmanagement ein ideales Mikroklima zu schaffen.8
Wundauflagen zur Regulierung der Feuchtigkeit
- Hydrokolloide: Absorbieren überschüssiges Exsudat und verfärben sich gelblich.
- Alginate und Hydrofasern: Saugen Exsudat, Zelltrümmer und Bakterien auf.
- Polyurethanschaum: Absorbiert Exsudat, ohne die Wunde auszutrocknen.
Tab. 1: Wundeigenschaften und Auswahl der Wundauflage (Beispiele)2,9
Wundeigenschaften | Gewünschte Funktion der Wundauflage | Beispiel für geeignete Wundauflage |
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Trockene Wunde | Feuchtigkeitserhaltung (Feuchtigkeitsretention) |
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Trockene Wunde oder Wunde mit wenig Exsudat |
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Saubere, exsudative Wunde |
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Die optimale Wundauflage sollte zudem die Wundruhe und damit ein heilungsförderndes Mikroklima unterstützen.2,9
Vorteile eines günstigen Mikroklimas durch feuchte Wundversorgung
Die feuchte Wundversorgung unterstützt ein günstiges Mikroklima in der Wunde. Davon können sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Pflegefachpersonen profitieren. Denn ein optimiertes Mikroklima kann:
- die Wundheilung beschleunigen.
- Wundinfektionen minimieren.
- die Wundversorgung insgesamt verbessern.1,5,8