Dekubitus – Grade, Stadien, Kategorien
Mit Einführung der internationalen Leitlinien zum Dekubitus hat sich die Terminologie für die Einteilung von Druckgeschwüren verändert. Während früher von Graden oder Stadien gesprochen wurde, empfehlen die Fachgremien European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) und National Pressure Injury Advisory Panel (NPIAP) heute die neutrale Bezeichnung Kategorie.
Dennoch sind die älteren Begriffe in Praxis, Pflege und Abrechnung weiterhin verbreitet.
Was sind die Unterschiede zwischen Dekubitus-Grad, -Stadium und -Kategorie?
Grad: Die Abrechnung nach ICD-10 orientierte sich lange Zeit an der Einteilung der Grade nach Shea (1975).
Stadium: Von Seiler (1979) eingeführt, kombiniert die Einteilung nach Gewebeschicht mit einer Einschätzung der Wundkondition.
Kategorie: Aktuell in den Leitlinien empfohlene Bezeichnung nach EPUAP/NPIAP. Dekubitus werden je nach Tiefe, Gewebsschädigung und Aussehen in verschiedene Kategorien unterteilt.
Vergleich: Gradeinteilung nach Shea (1975) und Stadieneinteilung der Wundkondition nach Seiler (1979)
| Grad nach Shea (1975) | Beschreibung | Stadium der Wundkondition nach Seiler (1979) | Beschreibung |
|---|---|---|---|
| Grad 1 | Umschriebene Rötung bei intakter Haut, die sich nicht wegdrücken lässt. | Stadium A | Saubere, granulierende Wunde ohne Nekrosen. |
| Grad 2 | Teilverlust der Haut mit oberflächlicher Schädigung, Ulkus oder Blasenbildung. | Stadium B | Belegte Wunde, Restnekrosen möglich, jedoch ohne Infiltration des umliegenden Gewebes. |
| Grad 3 | Gewebedefekt aller Hautschichten bis zur Faszie. | Stadium C | Belegte Wunde mit Infiltration des Gewebes und/oder Anzeichen einer Sepsis. |
| Grad 4 | Gewebedefekt aller Hautschichten mit Schädigung tieferer Strukturen (Muskeln, Knochen, Sehnen oder Gelenkkapseln). | – | – |
Hauptartikel: Dekubitus
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Kategorien der NPIAP/EPUAP
Die Leitlinien unterscheiden vier Hauptkategorien und zwei Zusatzkategorien:
- Kategorie I: Intakte Haut mit nicht wegdrückbarer Rötung eines lokalen Bereichs, gewöhnlich über einem knöchernen Vorsprung. Bei dunkel pigmentierter Haut ist ein Abblassen möglicherweise nicht sichtbar, die Farbe kann sich aber von der umgebenden Haut unterscheiden. Der Bereich kann schmerzhaft, härter, weicher, wärmer oder kälter im Vergleich zu dem umgebenden Gewebe sein. Es kann schwierig sein, Kategorie/Stadium I bei Personen mit dunkler Hautfarbe zu entdecken. Hier kann das Auflegen einer leuchtenden Taschenlampe bei der Identifikation eines Dekubitus der Kategorie 1 helfen.
- Kategorie II: Teilzerstörung der Haut (bis in die Dermis/Lederhaut), die als flaches, offenes Ulcus mit einem rot bis rosafarbenen Wundbett ohne Beläge in Erscheinung tritt. Kann sich auch als intakte oder offene/ruptierte, serumgefüllte Blase darstellen. Manifestiert sich als glänzendes oder trockenes, flaches Ulcus ohne Beläge oder Bluterguss*. Diese Kategorie/dieses Stadium sollte nicht benutzt werden, um Skin Tears (Gewebezerreißungen), verbands-oder pflasterbedingte Hautschädigungen, perineale Dermatitis, Mazerationen oder Exkoriation zu beschreiben. * Eine livide Verfärbung weist auf eine tiefe Gewebeschädigung hin.
- Kategorie III: Vollständiger Gewebeverlust. Subkutanes Fett kann sichtbar sein, aber Knochen, Sehne oder Muskel liegen nicht offen. Beläge können vorhanden sein, die aber nicht die Tiefe des Gewebeverlustes verdecken. Es können Taschenbildung oder Unterminierungen vorliegen. Die Tiefe eines Dekubitus der Kategorie/des Stadiums III kann je nach anatomischer Lokalisation variieren. Der Nasenrücken, das Ohr, das Hinterhaupt und der Knöchel haben kein subkutanes Gewebe und Ulcera der Kategorie/des Stadiums III können dort oberflächlich sein. Im Gegensatz dazu können besonders adipöse Bereiche einen extrem tiefen Dekubitus der Kategorie/des Stadiums III entwickeln. Knochen/Sehnen sind nicht sichtbar oder direkt tastbar.
- Kategorie IV: Vollständiger Gewebeverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln. Beläge oder Schorf können an einigen Teilen des Wundbettes vorhanden sein. Es können Taschenbildungen oder Unterminierungen vorliegen. Die Tiefe eines Dekubitus der Kategorie/des Stadiums IV variiert je nach anatomischer Lokalisation. Der Nasenrücken, das Ohr, das Hinterhaupt und der Knöchel haben kein subkutanes Gewebe und erreichen somit schnell die Kategorie IV. Ulcera der Kategorie/des Stadiums IV können sich in Muskeln und/oder unterstützenden Strukturen ausbreiten (z.B. Faszie, Sehne oder Gelenkkapsel) und eine Osteomyelitis verursachen. Offenliegende Knochen/Sehnen sind sichtbar oder direkt tastbar.
Zusätzlich:
- Nicht klassifizierbar – Tiefe unbekannt: Ein vollständiger Gewebeverlust, bei dem die Basis des Ulcus von Belägen (gelb, hellbraun, grau, grün oder braun) und/oder Schorf im Wundbett bedeckt ist. Bis genügend Beläge und/oder Schorf entfernt ist, um den Grund der Wunde offenzulegen, kann die wirkliche Tiefe – und daher die Kategorie/das Stadium – nicht festgestellt werden. Stabiler Schorf (trocken, festhaftend, intakt ohne Erythem und Flüssigkeit) an den Fersen dient als „natürlicher (biologischer) Schutz des Körpers“ und sollte nicht entfernt werden.
- Vermutete tiefe Gewebeschädigung Livid oder rötlichbrauner, lokalisierter Bereich von verfärbter, intakter Haut oder blutgefüllte Blase aufgrund einer Schädigung des darunterliegenden Weichgewebes durch Druck und/oder Scherkräfte. Diesem Bereich vorausgehen kann Gewebe, das schmerzhaft, fest, breiig, matschig, im Vergleich zu dem umliegenden Gewebe wärmer oder kälter ist. Es kann schwierig sein, tiefe Gewebeschädigungen bei Personen mit dunkler Hautfarbe zu entdecken. Bei der Entstehung kann es zu einer dünnen Blase über einem dunklen Wundbett kommen. Die Wunde kann sich weiter verändern und von einem dünnen Schorf bedeckt sein. Auch unter optimaler Behandlung kann es zu einem rasanten Verlauf unter Freilegung weiterer Gewebeschichten kommen.
Bei der Beurteilung der Wundheilung ist es wichtig zu beachten, dass ein Dekubitus niemals „zurück kategorisiert“ werden kann. Eine tiefe Gewebeschädigung wird mit narbigem Ersatzgewebe aufgefüllt, welches niemals die Funktionalität oder das Aussehen des gesunden Gewebes aufweisen wird.
Bei der Beschreibung sind also Aussagen wie: „Dekubitus Kategorie 4 in Granulations- oder Epithelisierungsphase“ empfehlenswert.
Im Jahre 2019 hat sich das National Pressure Ulcer Advisory Panel (NPUAP) in National Pressure Injury Advisory Panel (NPIAP) umbenannt. Mit der Umbenennung sollte der international gebräuchlichere Begriff "Injury" (Verletzung) statt „Ulcer“ (Geschwür/Ulkus) verwendet werden. Das Akronym NPUAP ist nach der Umbenennung heute noch immer weit verbreitet.
Dekubitus: Fortbildung mit DRACO Wunde+
Einteilung in der ICD-10
Die Einteilung des Dekubitus im ICD-10 Code orientierte sich lang an der Einteilung nach Shea.
Hierbei codiert „L89.“ den Dekubitus an sich. Die folgenden Ziffern geben Auskunft über die Kategorie (erste Ziffer nach dem Punkt) und die betroffene Druckzone (zweite Ziffer).
L89.0_ Dekubitus, Stadium 1
Dekubitus, Kategorie 1
Druckzone mit nicht wegdrückbarer Rötung bei intakter Haut
L89.1_ Dekubitus, Stadium 2
Dekubitus, Kategorie 2
Dekubitus [Druckgeschwür] mit:
- Blase
- serumgefüllt
- offen
- rupturiert
- Teilverlust der Haut mit Einbeziehung von Epidermis und/oder Dermis
L89.2_ Dekubitus, Stadium 3
Dekubitus, Kategorie 3
Dekubitus mit Verlust aller Hautschichten mit Schädigung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf die darunterliegende Faszie reichen kann
L89.3_ Dekubitus, Stadium 4
Dekubitus, Kategorie 4
Dekubitus mit Nekrose von Muskeln, Knochen oder stützenden Strukturen (z.B. Sehnen oder Gelenkkapseln)
L89.9_ Dekubitus, Stadium nicht näher bezeichnet
Dekubitus, Kategorie nicht näher bezeichnet
Dekubitus ohne Angabe eines Stadiums
Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie L89.- zur Kodierung der Lokalisierung zu benutzen:
0 Kopf
1 Obere Extremität
2 Dornfortsätze
3 Beckenkamm; Spina iliaca
4 Kreuzbein; Steißbein
5 Sitzbein
6 Trochanter
7 Ferse
8 Sonstige Lokalisationen der unteren Extremität
9 Sonstige und nicht näher bezeichnete Lokalisationen
Beispiele
- L89.04 = Dekubitus, Stadium 1, am Kreuzbein
- L89.27 = Dekubitus, Stadium 3, an der Ferse
- L89.39 = Dekubitus, Stadium 4, sonstige nicht näher bezeichnete Lokalisation
Was bedeutet das für die Praxis?
Für den Alltag in der Praxis gelten somit zwei verschiedene Einteilungen als verbindlich.
Für die medizinisch korrekte Dokumentation gelten die Kategorien nach EPUAP/NPIAP. Für die Abrechnung ist die ICD-10-Codierung maßgeblich.
Im klinischen Alltag werden die Begriffe „Grad“ und „Stadium“ weiterhin verwendet und verstanden, weshalb die Durchsetzung des Fachbegriffs „Kategorie“ herausfordernd bleibt.
Mit der Einführung der ICD-11, die im Juni 2018 von der WHO vorgestellt und an den aktuellen Wissensstand angepasst wurde, wird eine bessere Einteilung möglich sein. Leider ist aktuell unklar, ab wann die ICD-11 in einer für Deutschland angepassten Form eingeführt werden wird.
