Schusswunden, Schussverletzungen

Schussverletzungen sind Verletzungen, die durch das Eindringen von Projektilen in den Körper entstehen.

In Deutschland sind Schussverletzungen relativ selten und längst nicht so häufig wie in den USA, wo die Anzahl der nicht-tödlichen Schussverletzungen 2014 bei über 80.000 lag.

Was sind Schusswunden bzw. Schussverletzungen?

Das Projektil hinterlässt beim Durchdringen von Körpergewebe einen Zerstörungskanal, der sich generell in Schussrichtung trichterförmig erweitert.

Das dem Zerstörungskanal umliegende Gewebe wird dabei nicht nur in Schussrichtung, sondern auch senkrecht zur Geschossbahn beiseite gedrängt. Ein Hohlraum, die sogenannte temporäre Wundhöhle, wird gebildet. Sie besteht nur für Sekundenbruchteile, bevor sie aufgrund der Gewebeelastizität bis auf den verbleibenden Zerstörungskanal zusammenfällt.

Generell können Gewebeverletzungen in der Umgebung des Schusskanals in drei Zonen eingeteilt werden:

  • Zentrum des Schusskanals: Vollständiger Gewebsverlust charakterisiert durch einen bleibenden Schusskanal und einen Gewebedefekt, der meist einen geringeren Durchmesser als das Geschosskaliber aufweist.
  • Kontusionszone: Umgibt den Wundkanal und geht mit einer irreversiblen Schädigung mit Blutungen und traumatischer Nekrose einher.
  • Kommotionszone: Ganz außen liegende Zone, deren Gewebe trotz Traumatisierung noch regenerationsfähig bleibt.

Einflussfaktoren für die Energieabgabe im Gewebe bei Schussverletzungen und für das Ausmaß der Verletzung sind die Konstruktion des Projektils, die Distanz und Auftreffgeschwindigkeit, die Taumelneigung/Stabilität der Flugbahn, das Kaliber und Geschossgewicht sowie die Beschaffenheit des Treffergewebes. Identische Waffen, Splitter oder Fragmente können durch die Bewegungsenergie beim Auftreffen und die spezifische Energieabgabe in das Gewebe auf verschiedene Distanzen unterschiedliche Wunden verursachen. Nicht immer trifft ein Geschoss den Körper mit Vollkraft, sondern wird durch Hindernisse abgelenkt. Je nachdem, in welchem Winkel das Geschoss auf den Körper trifft, differenziert man zwischen:

  • Konturschuss: Geschosse, die auf den Brustkorb zielen, laufen vielfach nach dem Durchdringen der Haut auf einer Rippe um den Brustkasten herum.
  • Haarseilschuss: Ein tangential auftreffendes Geschoß dringt unter die Haut und läuft, ohne in die Tiefe zu dringen, eine Strecke um wieder auszutreten.
  • Streif- oder Rinnenschuss: Das Geschoß erzeugt in der Haut einen offenen Schusskanal ohne besondere Ein- und Austrittsöffnung.
  • Lochschuss: Das Geschoss geht glatt durch einen Knochen durch.
  • Schussfraktur: Das Geschoss zersplittert den Knochen, und es entsteht der Schussbruch.
  • Luftstreifschuss/Prellschuss: Dumpfe und grobe, auf die Haut auftreffende Geschosse können schwerwiegende Zerstörungen verursachen, ohne dass äußerlich eine Verletzung erkennbar ist. Diese Schüsse können Quetschungen mit Blutunterlaufungen sowie mit Gewebs- oder Knochenzertrümmerungen hervorrufen.

Faustfeuerwaffen wie Pistolen oder Revolver verursachen oft lediglich einen permanenten Schusskanal. Temporäre Wundhöhlen werden durch Gewehre oder durch das Gas aus der Treibladung der Patrone eines aufgesetzten Schusses erzeugt.

Etwa die Hälfte aller Schussverletzungen trifft die Extremitäten.

Wie werden Schusswunden behandelt?

Als erste Maßnahme sollten vorliegende Blutungen gestoppt werden. Nach der Erstversorgung sollte eine Schusswunde unbedingt durch eine Ärztin oder einen Arzt betreut werden.

Penetrierende, insbesondere thorakoabdominale Schussverletzungen verlaufen häufig letal. Das Überleben des Opfers einer solchen Verletzung hängt maßgeblich von der zeitnahen Blutstillung ab. Der perforierende Fremdkörper sollte bis zur Entfernung unter kontrollierten Bedingungen an seiner Position belassen werden, da er einen tamponierenden Effekt besitzen kann. Zum Stoppen von Blutungen werden Ein- und Austrittswunden mit sterilen Wundpolster oder Tamponaden abgedeckt und mit Binden fest angepresst. Sollte die Maßnahmen nicht ausreichen und liegt keine Knochenfraktur vor, können zusätzlich ein Druckverband angebracht oder hämostyptische (blutstillende) Substanzen verwendet werden. In seltenen Fällen kann ein Tournique (Aderpresse) an den Extremitäten notwendig sein. Tourniques sind nur induziert, wenn lebensgefährliche Blutungen an einer Extremität, die Nichterreichbarkeit der eigentlichen Verletzung oder eine Nichtstillbarkeit der Blutung vorliegen.

Bezüglich der weiterführenden chirurgischen Therapie besteht Uneinigkeit in der Literatur. Alle Schusswunden müssen als kontaminiert betrachtet werden. Kontaminationen können durch unsterile Projektile und in den Schusskanal gelangte Faserreste der getragenen Kleidung entstehen. Aufgrund dieser Kontamination empfehlen einige Experten grundsätzlich bei jeder Schussverletzung ein chirurgisches Débridement sowie eine antibiotische Therapie. Allerding ist Débridement bis heute nicht überall gängige Praxis. In Regionen mit vielen Schussverletzungen durch Handfeuerwaffen wie z. B. in Südafrika wird bei unproblematischen Wunden kein Débridement durchgeführt und ausschließlich eine Single-Shot-Antibiose gegeben. Auch in den USA werden diese Wunden bei fehlenden neurovaskulären und knöchernen Verletzungen konservativ austherapiert. Bei geringen Weichteilschäden ist eine primäre Ausversorgung der Fraktur also prinzipiell möglich. Im Zweifel ist aber ein Débridement bei Schussverletzungen aber unbedingt angebracht.

Welche besonderen Probleme treten bei Schusswunden auf?

Aufgrund des seltenen Auftretens von Schussverletzungen in Deutschland besitzen Ärztinnen und Ärzte kaum Routine in der Versorgung von Schussverletzungen. Hinzu kommt, dass die Schwere von Schussverletzungen äußerlich kaum zu beurteilen ist. Was oberflächlich relativ harmlos erscheint, kann im Körper komplexe Verletzungen hervorgerufen haben.

Neue PräsenzfortbildungWundversorgung für Fortgeschrittene

Sie wollen zusammen mit praxiserfahrenen Moderatorinnen und wunderfahrenen Kolleginnen tiefer in konkrete Fallbeispiele einsteigen? Dann besuchen Sie unsere neue Präsenzfortbildung und bringen Sie Ihr Wissen ein.

Jetzt anmelden!
Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.