Wundheilung und Ernährung

Wundheilung und Ernährung

Die Wundheilung ist durch komplexe Um- und Aufbauprozesse gekennzeichnet.

Diese Prozesse gehen mit einem hohen Verbrauch an Energie und Zellbaumaterialien einher. Eine ausgewogene Ernährung liefert elementare Bausteine für eine optimale Wundheilung.

Grundlagen der Ernährung

Eine gesunde Ernährung erhält die physische und psychische Gesundheit, fördert Leistung und Wohlbefinden. 

Ziel einer gesunden, ausgewogenen Ernährung ist die Versorgung des Körpers mit allen lebensnotwendigen (essenziellen) Makro- und Mikronährstoffen sowie Flüssigkeit. Die vollwertige Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) beinhaltet eine ernährungsphysiologisch ausgewogene Kombination dieser Nährstoffe und kann an den individuellen Verbrauch angepasst werden1.

Energiebedarf

Für Erwachsene im Alter von 25 bis 50 Jahren mit einem mittleren Body Mass Index von 22 wird eine tägliche Energiezufuhr von 2.300 kcal für Männer und 1.800 kcal für Frauen bei geringer körperlicher Aktivität empfohlen1.

Der menschliche Körper verbraucht rund um die Uhr Energie, die über die Nahrung zugeführt werden muss. Die Höhe der Energiezufuhr und der Energiegehalt einzelner Lebensmittel wird in Kilokalorien (kcal) angegeben. Bei einem gesunden Erwachsenen beträgt der tägliche Grundumsatz (GU), definiert als Kalorienbedarf im Ruhezustand, etwa 24 kcal/kg Körpergewicht. Der Grundumsatz ist abhängig von Alter, Geschlecht und Klima, und unterliegt Schwankungen durch Einflussfaktoren wie Fieber, Schwangerschaft, Schilddrüsenerkrankungen oder Leistungssport3.

Krankheiten und Symptome können den Grundumsatz erhöhen3:

  • Bettlägerigkeit: 25-30 kcal/kg Körpergewicht/Tag
  • TumoreDekubiti sowie andere Wunden: 30-35 kcal/kg Körpergewicht/Tag
  • Hochgradige Verbrennungen, Polytraumen: 35-45 kcal/kg Körpergewicht/Tag

Ebenso erhöhen körperliche Aktivität und Stress die Stoffwechselleistung und erfordern eine Anpassung der Energiezufuhr zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Der Wert für die körperliche Aktivität wird auch PAL-Wert (Physical Activity Level = körperliches Aktvitätsniveau) bezeichnet. Der tägliche Gesamtenergiebedarf eines Erwachsenen ergibt sich der GU x PAL-Wert und/oder x Stressfaktor (s. Tabelle 1)3.

Tabelle 1: Ermittlung des täglichen Gesamtenergiebedarfs in Abhängigkeit vom Aktivitäts- und Stressgrad
AktivitätsgradAktivitätsfaktor (PAL-Wert)StressgradStressfaktor
bettlägerigGU x 1,2komplikationslosGU x 1,0
geringe AktivitätGU x 1,5Frakturen großer KnochenGU x 1,15-1,3
mittlere AktivitätGU x 1,75Kleine OperationenGU x 1,2
schwere AktivitätGU x 2,0Dekubitalulkus/Wunde < 50 cm2GU x 1,3-1,5
  Dekubitalulkus/Wunde > 50 cm2GU x 1,5-1,9
  Schwere Infektion/TraumaGU x 1,1-1,3
  VerbrennungenGU x 1,2-2,0

Herausgeber von Referenzwerten und Leitlinien für die tägliche Nährstoffzufuhr

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.

  • Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) ist eine unabhängige wissenschaftliche deutsche Fachgesellschaft, die sich mit allen auf dem Gebiet der Ernährung auftretenden Fragen beschäftigt und Forschungsbedarf feststellt. Zusätzlich vertritt die DGE die deutsche Ernährungswissenschaft in nationalen und internationalen Organisationen.
  • Zusammen mit den österreichischen und schweizerischen Schwester-Gesellschaften publiziert die DGE die sogenannten D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Mengen für die tägliche Zufuhr von Energie, Nährstoffen, Wasser, Ballaststoffen und Alkohol werden benannt. Eine Zufuhr in Höhe der Referenzwerte stellt lebenswichtige physische und psychische Körperfunktionen sicher und verhindert Mangelkrankheiten ebenso wie eine Überversorgung1.
     

Auswahl an Leitlinien und Standards

  • Der „Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP)“ wird in Zusammenarbeit verschiedener Fachgesellschaften, unter anderem der DGE und der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin e. V. (DAEM), herausgegeben. Er dient der systematischen und evidenzbasierten Ernährungstherapie für viele Indikationen, unter anderem Adipositas, Diabetes oder Mangelernährung, auf der Basis von medizinischen Leitlinien2.
  • Der Standard „Verfahrenstandard Ernährung bei Menschen mit chronischen Wunden“ vom Wundzentrum Hamburg e.V. gibt Empfehlungen zum Erhalt oder der Verbesserung von Menschen mit chronischen Wunden. Die Autoren erläutern die Ursachen einer möglichen Mangelernährung, deren Diagnostik sowie Therapie3.

Makronährstoffe

Der Begriff Makronährstoffe umfasst die energieliefernden Nahrungsbestandteile Kohlenhydrate, Proteine und Fette.

Während der Wundheilung wird für das Zellwachstum sehr viel Energie benötigt. Makronährstoffe stellen die Energie für Wundheilungsprozesse bereit und liefern die notwendigen Bausteine für den Wiederaufbau von Gewebe und die Kollagenbildung. Dies ist natürlich auch bei Wunden, vor allem chronischen Wunden , von großer Bedeutung.

Kohlenhydrate

Kohlenhydrate sind die wichtigsten und schnellsten Energielieferanten des menschlichen Körpers. Eine ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten beugt einem Abbau von Proteinen und Fettreserven zur Energiegewinnung vor. Zusätzlich werden Kohlenhydrate als Gerüstsubstanzen in Körperstrukturen eingebaut und sind Bestandteil der Aminosäuresynthese.

Kohlenhydrate bestehen aus Zuckermolekülen und kommen in der Nahrung als Monosaccharide (Einfachzucker), Disaccharide (Zweifachzucker) oder Polysaccharide (Mehrfachzucker) vor. Einfache Kohlenhydrate sind meist süß und gelangen direkt aus dem Darm in die Blutbahn. Die Zuckermoleküle werden durch das Hormon Insulin zu den Zellen des Körpers transportiert und zu Energie umgewandelt. Der Blutzuckerspiegel steigt nach Speisen mit Monosacchariden schnell an, fällt allerdings auch schnell wieder ab. Die Aufnahme komplexer Kohlenhydrate erhöht den Blutzuckerspiegel nur langsam. Zusätzlich enthalten Mehrfachzucker Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe.
 

Kohlenhydratbedarf

1g Kohlenhydrate liefert etwa 4kcal an Energie. Rund 50% der täglichen Nahrung sollte aus Kohlenhydraten bestehen1. Idealerweise decken komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, Reis, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte den Bedarf.

Kohlenhydrate stellen meist den Hauptanteil der benötigten Energie zur Verfügung und werden als Gerüstsubstanzen in Körperstrukturen eingebaut.

Proteine

Proteine setzen sich aus langen, gefalteten Aminosäureketten zusammen. Insgesamt existieren 21 verschiedene Aminosäuren. Davon sind neun Aminosäuren für den erwachsenen Menschen essentiell, da sie vom Körper nicht eigenständig synthetisiert werden können. Über die Nahrung müssen insbesondere die essentiellen Aminosäuren in einer ausreichenden Menge aufgenommen werden. Nicht jedes Lebensmittelprotein liefert alle Aminosäuren, sodass man zwischen Proteinen unterschiedlicher Qualität unterscheiden kann.
 

Wichtige Aminosäuren für die Wundheilung

Spezifische Aminosäuren wie Arginin und Glutamin spielen eine besondere Rolle in der Wundheilung. Arginin stimuliert die Neubildung von Blutgefäßen, die sogenannte Angiogenese, sowie die Zellteilung und das Zellwachstum. Zu den argininreichen Lebensmitteln zählen Kerne, Nüsse und Samen.

Glutamin ist eine wichtige Energiequelle für Immunzellen, aber auch für Fibroblasten und Epithelzellen. Zudem induziert Glutamin die Freisetzung von Wachstumshormonen. Nahrungsmittel mit einem hohen Glutamin-Gehalt sind Hülsenfrüchte, Erdnüsse, Getreide, Käse und Fleisch.
 

Proteinbedarf

Bei einem gesunden Erwachsenen und nierengesunden Diabetiker beträgt der tägliche Eiweißbedarf 0,8g pro kg Körpergewicht. Dies entspricht 10 bis 15% der täglichen Gesamtenergie. Für Senioren ab dem 65. Lebensjahr empfiehlt die DGE einen erhöhter Proteinbedarf von 1g pro kg Körpergewicht pro Tag1. Auch Infektionen oder Operationen erfordern eine erhöhte Proteinzufuhr. Je nach Exsudation gehen über eine Wunde bis zu 50g Protein am Tag verloren. Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden sollten deshalb mit 1 bis 1,5 g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag versorgt werden.

Proteine stellen den Grundbaustein aller menschlichen Zellen dar. Der Mensch besteht zu etwa 15% aus Proteinen, der Großteil davon befindet sich in den Muskeln. Während der Wundheilung sind Proteine erforderlich für das Zellwachstum, die Neubildung von Blutgefäßen, die Kollagen-Synthese sowie die Produktion und Funktion von Leukozyten.

Fette

Fette besitzen doppelt so viele Kalorien wie die gleiche Menge Kohlenhydrate oder Protein und sind damit wahre Energielieferanten. Sie setzen sich aus einer Kombination von verschiedenen Fettsäuren zusammen. Neben der Energieversorgung erfüllen Fette weitere Aufgaben. Sie liefern wichtige Bausteine wie Cholesterin oder Phospholipide für die Zellmembranen von neugebildeten Zellen. Zusätzlich sind sie Träger der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K. Ohne Fette kann der menschliche Körper diese Vitamine nicht aufnehmen oder verwerten.
 

Essentielle ungesättigte Fettsäuren

Eine besondere Bedeutung haben die Fettsäuren, die vom Organismus nicht selbst synthetisiert werden können. Zu den essentiellen Fettsäuren gehören Linolsäure, α-Linolensäure, Omega-6-Fettsäuren und Omega-3-Fettsäuren.
 

Gesättigte Fettsäuren

Der menschliche Körper kann gesättigte Fette aus Proteinen und Kohlenhydraten eigenständig herstellen. Da sich gesättigte Fettsäuren ungünstig auf die Blutfettwerte auswirken können, sollten sie nur in Maßen verzehrt werden.
 

Fettbedarf

1g Fett liefert etwa 9kcal an Energie. Laut DGE liegt der Richtwert für die Zufuhr von Fett für gesunde Erwachsene bei 30% der täglichen Energiezufuhr, für Diabetiker, Schwangere und Stillende bei maximal 35%1. Dabei sollte etwa 4% der Gesamtenergie bei Gesunden und 8% bei Patientinnen und Patienten mit Wundheilungsstörungen durch essentielle Fettsäuren gedeckt werden5. Gesättigte Fettsäuren sollten unter 10% der täglichen Gesamtenergiezufuhr ausmachen. Eine zu hohe Gesamtfettaufnahme steht im Zusammenhang mit Adipositas, erhöhten Blutfettwerten, Bluthochdruck oder Herzerkrankungen. Frittierte oder stark verarbeitete Produkte, Fertiggerichte und gehärtete Fette und Öle sollten nur gelegentlich verzehrt werden.

Fette dienen bei hohem Energiebedarf, wie bei der Wundheilung, als wichtige Energielieferanten.

Mikronährstoffe

Mikronährstoffe führen dem Körper zwar kaum oder keine Energie zu, dennoch sind sie von großer Bedeutung für den Organismus, da sie vor Krankheiten schützen und viele Vorgänge im Körper regulieren. Fast alle Nahrungsmittel enthalten in unterschiedlicher Zusammensetzung Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.

Vitamine

Vitamine sind essentielle Stoffe, die der Körper bis auf wenige Ausnahmen nicht selbst herstellen kann.
 

Wasserlösliche Vitamine

Wasserlösliche Vitamine werden meist über die Nieren ausgeschieden und nicht gespeichert. Deshalb kann eine unzureichende Zufuhr zu einem Mangel führen. Zu den für die Wundheilung wichtigsten Vitaminen gehören B und C:

  • Vitamin C ist unter anderem an der Bildung von Kollagen beteiligt. Fehlt Kollagen, sind Wunden fragiler und können sich leichter wieder öffnen. Der Körper besitzt kein Speicherorgan für Vitamin C, weshalb eine unzureichende Zufuhr schnell zu einem Mangel führt.
    • Vitamin C findet sich vor allem in Zitrusfrüchten, Paprika und Brokkoli.
  • B-Vitamine (B6, B12, Folsäure, Biotin und Pantothensäure) sind für die Wundheilung unverzichtbar. Sie fördern die Zellteilung an und unterstützen so körpereigene Reparaturprozesse.
    • Lebensmittel mit einem hohen Vitamin-B-Gehalt sind Hülsenfrüchte, grünes Gemüse und Getreide sowie tierische Produkte, wie Fleisch und Fisch.
       

Fettlösliche Vitamine

Der Körper speichert über die Nahrung aufgenommene fettlösliche Vitamine. Bei zu hoher Einnahme können sie sich anreichern und gesundheitsschädigend wirken. Alle vier essentiellen, fettlöslichen Vitamine sind an der Wundheilung direkt oder indirekt beteiligt:

  • Vitamin E umfasst eine Gruppe von Vitaminen mit ringförmiger Struktur. E-Vitamine stabilisieren die Zellmembran und schützten die Zellen vor oxidativen Schäden. Vitamin E kann nur von Pflanzen hergestellt werden.
    • In größeren Mengen kommt Vitamin E in fettreichen Pflanzen und deren Ölen, wie Weizenkeim-, Raps-, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Sojaöl, vor. Der Bedarf kann auch über Nüsse, Obst, Gemüse und Brot gedeckt werden. Doch Vorsicht: In hohen Dosierungen kann Vitamin E allerdings wundheilungshemmend und blutungsfördernd wirken.
  • Vitamin A ist an der Kollagensynthese und Epithelisierung der Wunde beteiligt. Vitamin A kommt lediglich in tierischen Lebensmitteln vor. Gute Quellen sind Leber sowie Eier, Milch und Milchprodukte sowie einige Fischarten. Pflanzliche Lebensmittel wie Karotten oder Kürbis enthalten eine Reihe von Provitamin-A-Carotinoiden, die in unterschiedlichem Maße zu Vitamin A umgewandelt werden können. Für eine optimale Carotinoidverwertung sollten diese Lebensmittel immer zusammen mit etwas Fett gegessen werden.
  • Vitamin K wirkt sich indirekt auf die Synthese bestimmter Gerinnungsfaktoren und dadurch auf die Blutungsneigung aus.
    • Gute Vitamin-K-Lieferanten sind grünes Gemüse, wie Kohl und Spinat.
  • Vitamin D ist das einzige Vitamin, das der Körper mithilfe von Sonnenlicht selbst herstellen kann. Es regt die Zellteilung an, unterstützt die Reifung hornbildender Zellen in der Epidermis und schützt die Haut dadurch vor Infektionen.

Die Gruppe der Mikronährstoffe beinhaltet Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Der Körper benötigt sie lediglich in geringen Mengen.

Mineralstoffe

Die meisten Mineralstoffe werden bei einer einigermaßen ausgewogenen Ernährung ausreichend zugeführt. Ein für die Wundheilung bedeutsamer Mineralstoff ist Zink.
 

Zink

Das Spurenelement Zink fördert die Zellbildung, die Zellteilung und den Zellstoffwechsel. Mit diesen wichtigen Eigenschaften hat Zink einen elementaren Einfluss auf die Hautgesundheit und das Hautwachstum und somit auf die Wundheilung. Zink gehört zu den essenziellen Spurenelementen. Um einen Zinkmangel vorzubeugen, muss das Spurenelement deshalb regelmäßig über die Nahrung zugefügt werden. Die DGE empfiehlt für Frauen ab 19 Jahren eine Zufuhr von 7 bis 10mg Zink pro Tag. Für Männer liegen die Werte bei 11 bis 16mg.

  • Zu den Zinklieferanten pflanzlicher Herkunft gehören Nüsse, Weizen- und Roggenkeimlinge. Tierische Zinklieferanten sind Rind- und Schweinefleisch, Käse, Milch und Eier.
     

Speisesalz

Speisesalz ist die Hauptzufuhrquelle für die Mineralstoffe Natrium und Chlorid. Die beiden Mineralstoffe spielen eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung des Flüssigkeitshaushalts der Zellen und der Regulation des Blutdrucks. In Deutschland liegt die Speisesalzzufuhr bei einem großen Anteil der Bevölkerung deutlich über dem Referenzwert der DGE. Diese empfiehlt, eine maximale Gesamtmenge von bis zu 6g pro Tag nicht zu überschreiten.

Mineralstoffe sind an lebensnotwendigen biologischen Funktionen beteiligt und müssen wie Vitamine mit der Nahrung zugeführt werden. Anders als einige Vitamine sind sie jedoch temperaturbeständiger.

Flüssigkeitsbedarf

Blasen, Ödeme und stark exsudierende Wunden gehen oftmals mit hohen Flüssigkeitsverlusten einher.

Ein gesunder Mensch benötigt etwa 30 bis 40 ml/kg Körpergewicht pro Tag. Bei ausgedehnten Wunden, wie beispielsweise großflächigen Verbrennungen, verliert der Körper große Mengen an Gewebsflüssigkeiten und dadurch auch Proteine und Mineralstoffe. Der Flüssigkeitsverlust sollte unverzüglich ausgeglichen werden, da sonst ein Kreislauf-Schock droht.

Wunde und Ernährung

Menschen mit chronischen Wunden haben einen erhöhten täglichen Energiebedarf, da die verschiedenen Wundheilungsprozesse viel Energie und Zellbaumaterial benötigen: In der Reinigungsphase findet der Prozess der katabolen Autolyse statt. Dabei werden Gewebsproteine abgebaut und aus der Wunde geschwemmt. Ist die Nährstoffversorgung in der Reinigungs- und Granulationsphase gewährleistet, beginnt die Epithelisierungsphase und letztendlich der Wundverschluss. Eine unausgewogene oder mangelnde Ernährung kann die Wundheilung verzögern und erhöht das Risiko einer Chronifizierung der Wunde.
 

Mangel- oder Fehlernährung bei Menschen mit chronischen Wunden

Zwischen 20 und 50 Prozent aller stationär behandelten Patienten weisen Anzeichen von Mangelernährung auf6.

Eine frühzeitige proteinreiche Ernährung mit Supplementation von Vitaminen und Mineralstoffen unterstützt die Wundheilung. Insbesondere für ältere oder kranke Menschen ist Nahrungsaufnahme aufgrund von Schwierigkeiten beim Schlucken oder Kauen allerdings nur schwer möglich. Betroffene leiden schnell unter Fehl- oder Mangelernährung („Malnutrition“).

Mangelernährung ist definiert als ein Zustand des Mangels an Energie, Protein oder anderen Nährstoffen, der mit messbaren Veränderungen von Körperfunktionen verbunden ist, einen ungünstigen Krankheitsverlauf zur Folge hat und durch Ernährungstherapie reversibel ist6. Durch eine Mangelernährung reicht die spontane Protein- und Energiezufuhr nicht aus, um eventuelle Krankheitsrisiken wie ein Dekubitusrisiko zu minimieren oder die Wundheilung zu fördern.

Folgende Faktoren oder Anzeichen weisen auf eine Mangel- oder Fehlernährung hin3:

  • Laborparameter wie der Albuminspiegel, Kalium, Vitamin B, Zink oder Cholesterin eignen sich zur Ermittlung des Ernährungstandes.
  • Assessmentinstrumente helfen, den Ernährungszustand und evtl. Risiken zu erfassen. Ein Beispiel für ein Bewertungsinstrument der Ernährungssituation in der stationären Langzeit- oder Altenpflege ist PEMU (Pflegerische Erfassung von Mangelernährung und deren Ursachen)7.
  • Gröbere Anzeichen für einen Nahrungsmangel sind ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als 5 % in den letzten Monaten bzw. 10 % in den letzten 6 Monaten, zu weit gewordenen Kleidung oder eingefallene Wangen. Konzentrierter Urin, trockene Schleimhäute oder Verwirrtheitszustände weisen auf einen Flüssigkeitsmangel hin.
  • Zu den unsicheren Anzeichen gehören der Body Mass Index (BMI), da dieser Amputationen, Wirbelsäulendeformitäten oder Ödembildungen nicht berücksichtigt.
     

Wie kann einer Mangelernährung vorgebeugt werden?

Mehrere kleine Mahlzeiten, die Anreicherung von Speisen und Getränken mit gehaltvollen Lebensmitteln oder oral bilanzierten Diäten erhöhen die Zufuhr an benötigten Nährstoffen.

Häufig motivieren mehrere kleine Mahlzeiten eher zum Essen als drei größere Hauptmahlzeiten. Die Anreicherung von Speisen und Getränke mit gehaltvollen Lebensmitteln wie Sahne, Öl, Nüssen oder Vitamin- und Mineralstoffpräparaten erhöht die Zufuhr an benötigten Nährstoffen zusätzlich. Zudem können proteinreiche orale bilanzierte Diäten (OBD) angeboten werden. Die Auswahl an OBD ist vielfältig: Verzehrfertige Trinknahrung, Pulver zum Anrühren oder Riegel in verschiedenen Geschmacksrichtungen erleichtern eine ausgewogene Ernährung unter erschwerten Bedingungen. Gleichzeitig tragen OBD zur besseren Versorgung mit Flüssigkeit bei. OBD können vollbilanziert oder teilbilanziert sein. Bei der vollbilanzierten Diät dient die Trinknahrung als alleiniges Nahrungsmittel, das sämtliche lebensnotwendige Nährstoffe enthält. Teilbilanzierte OBD haben eine inkomplette oder unausgewogene Nährstoffzusammensetzung und eignen sich deshalb nicht als einzige Nahrungsquelle.
 

Ist eine Reduktionsdiät für Menschen mit chronischen Wunden sinnvoll?

Eine Reduktionsdiät birgt schnell die Gefahr, den Körper unzureichend mit Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen zu versorgen. Eine medizinisch notwendige Gewichtsreduktion von Menschen mit chronischen Wunden muss fachgerecht geplant und betreut werden.

Für eine optimale Wundheilung ist ausgewogene Ernährung elementar. Wunden verursachen eine größere Stoffwechselbelastung und verbrauchen während des Heilungsprozesses vermehrt Eiweiß und Energie. Eine Reduktionsdiät birgt schnell die Gefahr einer Mangelernährung. In der Folge kann sich der Wundzustand verschlechtern. Insbesondere die sogenannten „Crash-Diäten“, die auf Gewichtsverlust durch eine drastische Reduktion der Nahrungszufuhr beruhen, führen schnell zu einer Unterversorgung. Außerdem verursachen sie zusätzlichen physiologischen Stress und verzögern die Wundheilung. Besteht bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden die medizinische Notwendigkeit, Körpergewicht zu reduzieren, sollte eine Reduktionsdiät nur unter fachlicher Betreuung durchgeführt werden.

Video: Ernährung bei Chronischen Wunden

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Literatur

Die Autorin Dr. Roxane Lorenz
Dr. Roxane Lorenz

Nach ihrem Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum promovierte Dr. Lorenz zum Dr. rer. nat. Seit 2012 ist sie in der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung bei Dr. Ausbüttel tätig, seit 2018 auch als Leiterin dieser Abteilung sowie der Forschungsabteilung.